Freitag, April 01, 2011

konzert: the low anthem, 30.03.11

wie eine sich formende landschaft, bergzüge, die dünen gleich wandern, vorsprünge, die sich in täler ergiessen, wölbungen, die sich binnen kurzem in konkave wannen verwandeln, ein kommen und gehen, gezeiten auf den gesichtszügen des introspektiv agierenden sängers. kein moment, der dem anderen gleicht. aufgeworfene lippen, die alsbald in schmalheit mit den gräben auf der stirn konkurrieren, während diese sich schon an den mundwinkeln hängend, eine neue heimstatt suchen. keine maskierungen. entstelltheit, die der formbarkeit entspringt, dem unbedingten willen zum ausdruck, die so zu einer schönheit wird, die sich an neuen standards messen lassen muss. das licht gedimmt, schlagen die schatten purzelbäume, staub, der sich wie bindegewebe zwischen die gewerke legt. des sängers einsamkeit ist nichts ohne den steten reigen, den er durch sein bloßes spiel am leben hält. musikanten, die sich von seiner stimme nähren, drehen, drehen, drehen sich und verleihen dem rad einen neuen schwung. ein perpetuum mobile der musikalischen art. energieflüsse, die sich im verborgenen abspielen, da es auf der bühne nur wenig zugewandtes zu beobachten gibt. zwar stehen die vier protagonisten zueinander und man wird ebenso der abstimmungen gewahr, aber nicht eines austauschs, der von emotionen berichtet. dabei ist die aufladung hoch, die explosion erfolgt jedoch nicht in einem gewaltigen ausbruch, sondern gestreut, wie funkenregen. das hohe maß an konzentration schlägt sich nieder in einer unbarmherzigen musikalität.

es gibt vokabeln, die drängen sich mir im zusammenhang mit gelungenen konzerten immer wieder auf. eine davon ist 'beseelt'. sie kommt zum einsatz, wenn sich der künstler eins mit seiner musik zeigt, wenn er in ihr aufzugehen scheint, wenn das, was gemeinhin als authenzität bezeichnet wird, ausdruck findet in einer stimmigen performance aus mimik, gestik, der hingabe am instrument und einem gesang, der die fährnisse wie die glücksmomente wiederspiegeln lässt, dass sie im auge des betrachters einen bogen schlagen, zurück zum vortragenden. eingebunden in dieses künstlerische bestreben erzittert der nur als beobachter angetretene unter den lasten des ihm gegenüberstehenden daselbst und wird teil der vorführung.

das ampere war wohl zu zwei dritteln gefüllt, gut gefüllt somit, dass man sich eines geschützten rückens sicher sein konnte, wenn man in reihe zwei oder drei gebannt auf die bühne schaute. the low anthem agierten, wie es ihnen die götter befahlen. der stete instrumentenwechsel, der zugleich beherrschung implizieren darf (der beweis wurde hinlänglich angetreten), von einer hand in die andere, der austausch von gitarre und bass, dem sitzplatz an pump organ oder drums, der einsatz von the crotales, eines xylophons und perkussivmaterial, sorgte für bewegung und verbarg zugleich die statik ihres eingeübten programms. vier menschen. ben knox miller, mit längerem gebundenem haar, die schmachtenden blicke der damenwelt auf sich ziehend, bestach durch einen vortrag, der alle register zog, in der kopfstimme das sentiment anheischend, im krächzenden gefecht den stomp begleitend. sein gitarrespiel dazu leis und kaum vernehmbar, wenn er nicht gerade die noten verschluckte. und doch gerade dieses tupfen setzen ist ein highlight, weil es das fliehende gebiert und die aufmerksamkeit schürt. jeff prystowsky, der ewig lächelnde am bass, den drums und kongenialer partner im harmoniegesang. jenem gemeinsam intonieren, das von mir selten in solcher meisterschaft gesehen wurde. im verbund mit jocie adams und mat davidson gelingen sensationelle einlagen. sie machen staunend, sie lassen im rund jedes wort verstummen. und wenn sich eine violine hinzufügt, wenn eine klarinette ertönt, bleibt doch immer beeindruckend das vierfache singen. wie aus einer fernen zeit, getragen von warmen winden.

das gerüst für das konzert gaben natürlich das gerade erschienene album "smart flesh" sowie das in 2009 veröffentlichte "oh my god, charlie darwin". am ende hatte es so viele highlights, dass es fast müssig wäre alle aufzuzählen. denn eines war deutlich geworden. die band nahm jedes ihr lieder ernst, trug es vor, als gewänne man mit jeder note eine lebensminute. doch in besonderer erinnerung blieben mir vor allem "charlie darwin", da hier millers gesang engeln gleich erklang, "ticket tacker", das wie hingeworfen ewig nachhallt, sanft getragen von klarinette und bass, "to ohio", welches ich auf der hinfahrt vor mich hinbrüllte und was die band schließlich sacht intonierte, "hey, all you hippies!", das so skrupellos die tradition anruft, "ghost woman blues", "home i'll never be" (das wüste stampfen!), "this god damn house" (die bläser, das gezwitscher an den handys)...

im verlaufe des auftritt schien vor allem miller aufzutauen, der agierte zwischen den songs aufgeregt und verständigte sich immer wieder neu mit seinen mitstreitern und schien spontan die setlist zu bestellen. ein lächeln zierte sein gesicht, das sonst so introvertiert kaum ahnungen zuließ. nach der zugabe hob miller entschuldigend die schultern und wies weitere wünsche mit den worten zurück, dass alle lieder gespielt wurden, die die band in petto gehabt habe.
die sechsköpfige seattler vorband the head and the heart soll nicht vergessen werden, denn sie gab eine erquickliche und äußerst kurzweilige vorstellung. songs, die oft nur zögerlich entstanden, um sich in euphorischer stimmung zu erheben und gloriebehaftet zu ersterben. das ganze mit vortrefflichem harmoniegesang, feiner perkussionsarbeit, pianolines und freudigem tanzen. bilder für den eindruck, hoffnung auf nachdruck.

es war ein toller abend (danke st.!), den ich im gespräch mit jocie adams (danke dennis für den tip) beendete, die mir auf nachfrage ihre solo scheibe freudig verkaufte (denn am merchandising hatte sie sie nicht angeboten). auf der heimfahrt führte uns jocies gesang und diese eigenartig kunstvolle mischung, die sie auf "bed of notions" kreiert, sicher.

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