Freitag, Juni 01, 2012

konzert: orange blossom special 16, teil 7

liebe menschen, so langsam geht mir die luft aus. es ist ja nicht nur die schreiberei, sondern auch die gedanken- und emotionale arbeit in der nachbetrachtung. und der schwermut, der blues wollen nicht weichen. eine schöne zeit ist längst zu ende und ich arbeite mich an ihr ab, als gelte es zurückzuholen, was nicht mehr zurückzuholen ist.

the fog joggers haben es leichter mit der luft. da wird das große gebläse angeworfen. sänger jan hat ein organ, mit dem man mehr als das gartenrund beschallen könnte. der blues sitzt so tief in ihm, dass die amerikanischen vorfahren sicher mehr als nur eine vermutung sein können. dass die vier jungs aus krefeld bereits vor zwei jahren das obs beehrten, sprach sich schnell herum. die, die dabei waren, erinnern sie gern an die unbedarften, aufgeregten vier. mittlerweile ist einiges wasser die weser herunter geflossen. etabliert haben sie sich mit einer von unbändiger energie und zügelloser leidenschaft geprägten musik, die instant in die beine fährt. doch die zunehmende professionalisierung hat auch ihre schattenseiten. das sich auf sich verlassen können zum beispiel oder, dass bestimmte aspekte selbstläufer seien.

sind sie aber nicht, und so musste man sich mit einer band begnügen, die ihr set beherrschte, die zu glauben meinte, dass sie auch das auditorium im griff hätte. dabei bewegten sie sich auf einem schmalen grad zwischen begeisterung und mittelmäßigkeit. erst wenn der sänger aus sich heraus ging, wenn die ihn begleitenden jungs volldampf fuhren, dann wurden sie ihren eigenen hohen ansprüchen gerecht. bleibt zu wünschen, dass sie sich etwas von ihrer jugendlichkeit "ins geschäft" hinüber retten, um mit dem punkten zu können, was ihnen vor zwei jahren so viele fans verschafft hat: unbekümmertheit und mut. dann knallen auch ohrenreisser wie "forever and a day" und hallen wieder unendlich lange nach. schaut auf die setlist, hört nach und Ihr wisst, wovon ich spreche, die jungs haben es ja drauf:
setlist: forever and a day/ island / autumn girl / saturday / friend / dykm / kylie / tonite tonite / waiting in the wings / waterfalls / take away / orange coke / stone cold sober

meine persönliche überraschungsband des obs 16 waren the flying eyes aus baltimore, die in die dämmerung spielen durften. ihr leicht psych angehauchter bluesrock pustete alles weg, was sich hätte zwischen ihnen und uns aufhalten können. die große attitüde, die eigene ungezügelte begeisterung, der gnadenlose wille zum fest, all das überzeugte auf ganzer linie. klar, hier kamen die alten meister zur ehre, wurden die 60ies, die 70ies geschrammt, aber auf eine brillante, alles andere als verklärende weise. der langmähnige mac hewitt spielte einen knüppeldicken bass und grinste vor freude, das gesamte set über, adam bufano bediente eine spitzengeschwindigkeitsgitarre und befehligte zwischenzeitlich eine ausgewachsene säge, um ihr abenteuerliche geräusche zu entlocken, hinter der schießbude schuftete elias mays schutzman, der sich bereits nach dem ersten song des t-shirts entledigte, um volle fahrt aufzunehmen.

am mikro (nebst gitarre) schließlich will kelly, der den frontmann zelebrierte, dass es eine schau war. ran an den bühenrand und grimmig in die gegend geschaut, rauf auf die schlagzeugbühne und die arme in die höhe gestreckt. während dessen sang er mit einer so geilen stimme, dass man sich besseres nicht hätte vorstellen können. wenn man ihn hinterher ungebunden lachen und scherzen sah, traute man ob der verwandlung seinen augen nicht. die hitze tropfte aus der himmelsdecke, die schwitzige bluesrocksuppe kochte, die sensegitarre zuckte schwer und alle männer über 50 wurden feucht. hier gab es kommentare wie: "endlich was für uns!" oder: "mensch, war das geil!" fäuste stemmten sich empor, gesten wurden bejubelt, der ganze kram halt, der zu so einem fest dazugehört. die vier jungs bliesen uns mehr als eine stunde gehörig den schädel weg. und das hatte eine form, eine gestalt, gewaltig, malend, walzend! "death don't make me cry"! "poison the well"! "done so well"! (sehr fein ihr auftritt auch auf dem crossroads 2011, klick!)

mit spain gab sich schließlich die band um den indiehelden josh haden die ehre, deren debut bereits 1995 herauskam, die von johnny cash gecovert wurde und die schließlich vor kurzem erst wieder aus der versenkung auftauchte. dass sie dabei auch an der haustür des glitterpalastes anschlug, spricht bände. "the soul of spain" erschien auf dem label der das festival veranstaltenden company und so dankte der sänger zwischen den songs mit "give it up to rembert, reinhard and lutz!" oder "give it up to glitterhouse!". als großen entertainer kann man haden nicht bezeichnen, dafür aber als ausgezeichneten sänger und songwriter. sein warmes timbre durchdrang die nacht und näherte sich den herzen der aufmerksamen zuhörer. die musikalische unterstützung war an reinheit, an klarheit kaum zu übertreffen. die gitarren flirrten substantiell, die pianotupfer belegten die freiräume, die der muntere bass hadens und das schlagzeug offen ließen. wirkungen, oberflächliche zunächst, die den zauber dieser nacht aufnahmen. erinnert sich wer an "without a sound" das so eindringlich vorwärts schwebte? oder an den opener "it's so true", da haden jedes wort zu buchstabieren schien? oder an "untitled #1", das sich wie ein früher 90ies song gerierte, schraffiert, angedeutet, hingeworfen? wenn nicht, dann blieb allemal das großartige "i'm still free" im ohr. die eindringliche melodie, der knöchernde rhythmus, der befreiende gesang. eine musik, deren ausdruck sich nicht über großformatiges definiert, sondern über die konturenfreiheit auf breiter fläche. wirkungstreffer, immer wieder. die nacht blendete unter den sadecore hymnen hadens und co., ein mehr als gelungener abschluss.
setlist: it's so true / ten nights / only one / without a sound / i'm still free / untitled #1 / ray of light / world of blue / before it all went wrong / she haunts my dreams / everytime i try / sevenfold / our love is gonna live forever / nobody has to know / because your love / spiritual

das obs 16 zeigte wieder deutlich auf, worauf es bei festivals dieser größenordnung ankommt. heimische atmosphäre, geradeso, dass man das gefühl hat, das eigene wohnzimmer zu betreten. irgendwer wird schon da sein, den man kennt, an den man sich halten, auf den man sich freuen kann. dass es darüber hinaus auch immer mal wieder einblicke in das seelenleben der obs- macher gibt, erhöht den effekt der geborgenheit und dass man als besucher auf eine art und weise ernst genommen wird, die über das normale maß hinaus geht.
einige acts sind mir durch die lappen gegangen, die beiden pausenbands skurilli und horst with no name sowie orph und rocco recycle. aber ohne lücken geht es wohl nicht. danke obs, danke #16!

achja, die abschlussbewertungen:
erland & the carnival ****
the flying eyes ****
spain ****
the fuzztones ***1/2 - ****
immanu el ***1/2 - ****
christian kjellvander ***1/2 - ****
clickclickdecker ***1/2 - ****
nive nielsen & the deer children ***1/2 - ****
alamo race track ***1/2 - ****
israel nash gripka ***1/2 - ****
scott matthew ***1/2 - ***
the travelling band ***
the moon invaders ***
the fog joggers ***
the fictions ***
navel ***

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