Donnerstag, Mai 05, 2011

konzert: snailhouse, 04.05.11

in der glockenbachwerkstatt mitten im schönen glockenbachviertel weilte ich gestern abend erstmals und brauchte etwas eingewöhnungszeit, um mich dem gestus und der sprache dieses sozialen gevierts zu bemächtigen, vielmehr zu erwehren. denn das stammpublikum, das es wohl jeden mittwoch zu fish 'n' blues treibt, hat ritualisiertes genauso im programm wie eine stille hoffnung aus mehr. aus überraschung, aus feierabendlaunen, aus fremdelnder begegnung. in meinem alter sucht man sich die nische, trinkt genüsslich ein helles und harrt der dinge, die da kommen mögen. schließlich lässt man sich auch auf die für diesen abend veranschlagte bouillabaisse ein und hat prompt eine gräte schräg im rachen hängen. bis ich mit der im reinen war, hatten bereits die lokale band und ein junger mann gespielt, der mit schwarzem blut getränkter stimme lieder vortrug. das stetig wachsende publikum goutierte diese ersten programmpunkte mit viel lob. nicht zuletzt, weil beide acts platz für snailhouse machten. aus reiner höflichkeit. denn die kanadier hatten eine absage für prag erhalten und mussten improvisieren. was liegt da näher als münchen? jene stadt, die auf der karte für konzertveranstaltungen abseits von chris de burgh zuverlässlich vernachlässigt wird. doch die kontaktestruktur in sachen booking und heimelnder begegnungsfähigkeit steht noch und auch deshalb schwangen sich mike feuerstack und kollegen auf die bühne des kleinen raumes, in dem zu diesem zeitpunkt ca. fünfzig menschen platz fanden. als das konzert nach einer mehr als gut gefüllten stunde beendet war, hockten noch dreißig beieinander. allesamt mit einem lächeln auf dem gesicht und der gewissheit, bald etwas von diesen vier herren auf den plattenteller legen zu können.

beeindruckt hatten neben der spielerisch leichten launigkeit des vortrags, des einträglichen miteinanders, der freundlichen publikumsansprache vor allem die verbundenheit zum material und die innigkeit, mit der es zum klingen gebracht wurde. "sentimental gentleman", das neue album von snailhouse, bot dafür eine hervorragende plattform. das zehn track werk, hier ausführlich beschrieben, enthält eine schar auf samtheit gebürsteter, konzentriert zueinander stehender songs, die durch die kehle rinnen wie ostseesand durch die hände. die eins zu eins umsetzung von platte zum livevortrag gelang bis auf wenige ausnahmen. diese lieder sind auch nicht verhandelbar.

"great storytellers" bedarf eines stoischen rhythmus, den der überaus ambitionierte drummer, ausgestattet mit drei trommeln und zwei blechpiraten, mit angemessenem beat einleitete. er gab dem drang zu größerer geste selbstverständlich nicht nach. konnte er ja bei "daydream". dort darf er forcieren und ausgestalterisch tätig sein. wie der kollege an der e-gitarre, der sich gern ein stück vom kuchen abschnitt und immer wieder mit herzhaften einsätzen zu bgeistern wusste. dann riss er an seinem gerät und ließ glitzerstreifen im rund zurück. und wenn ich schon bei den sideparts des vorstands mike feuerstack bin, so soll der basser nicht unerwähnt bleiben (ich würde die jungs wirklich gern bei den namen nennen, aber nirgends lassen sie sich finden). er stabilisierte und griff gern mit in die harmoniegesänge ein. da nur zwei der drei burschen mit mikro bekleidet waren, ging diese bestrebung leider etwas unter.

dafür hatten wir dann aber auch einen sänger, der den anspruchsvollen titeln stets gewachsen war. "airwaves" beispielsweise erfordert intonieren auf höchstem niveau, im wahrsten sinne des wortes. wenn feuerstack nach schaukelbewegung an der gitarre den kopf in den nacken riss, um der töne herr zu werden, konnte ich mir meine freude ob des engagements des fusselbart bewehrten sängers nicht verhehlen. schusseligkeiten wurden sich nicht erlaubt. im gegenteil suchten snailhouse den kontakt zum publikum, zeigten sich als erfahrene fahrensleute. schließlich ist ihr liedgut keines, das man in die runde wirft, um tanzflächen zu füllen, hier muss den synapsen erst das verbindungstau gereicht, hier müssen vertrautheiten hergestellt werden. die gemächlichen schleicher, das schlurfende element schüren aufmerksamkeit, das eigentliche drängeln ist ein subtiles. das merkst du erst, wenn sie dir die seele angeschlitzt haben. die qualität feuerstacks songwriting liegt in einer unverhohlenen brisanz des understatements. die lyrische genauigkeit, die melodische vielfalt, die gekonntheit kleiner, blinkender arrangements, all das fügt sich zu einem verbund, der auch an diesem abend seine wirkung nicht verfehlte. immer begeisterter wurden die reaktionen. am ende hielt man die band für den einen oder anderen song zusätzlich hin. mein persönlicher höhepunkt war "clean water", das sich zeitlichen beschränkungen entzieht und still dahingebluest sein will. wer das in dieser präzision und zugleich emotional und auf den punkt hinbekommt, verdient mehr als respekt. nämlich zum beispiel einen besuch. in den nächsten tagen ist noch gelegenheit dazu, siehe tourdaten.

clean water by snailhouse

May 5 Offenbach DE – Hafen 2
May 6 Gӧttingen DE – Pools
May 7 Erfurt DE – Franz Mehlhose
May 8 Berlin DE – NBI w/ Zeus
May 9 Magdeburg DE – Cafe Central
May 10 Hamburg DE – AstraStube
May 18 Cologne DE – Rubinrot
May 21 Leipzig DE – UT Connewitz

2 Kommentare:

Oliver Peel hat gesagt…

Na das wäre 'ne Schlagzeile gewesen: Bloggerkönig erstickt an Gräte im Glockenbachviertel. Bouillabaisse speist man dann wohl doch lieber in Frankreich, was?!

Bei den Namen der Bandmitglieder kann ich helfen, schließlich hingen die ja auch schon bei uns ab. Also der Basser heißt Kyle. Und der Drummer Mike, also genau wie der Chef. Und der zweite Gitarrist (der bei der OP Session nicht dabei war) nennt sich Nick.

Ansonsten wieder ein tadelloser Bericht. Glänzend wie du es immer schaffst, das Zusammenspiel der Bandmitglieder und die Struktur der einzelnen Lieder darzustellen.

E. hat gesagt…

danke für die namen, allerdings hatte ich die vornamen auch schon irgendwo gefunden, konnte sie aber nicht den einzelnen protagonisten zuordnen. nun sind wir schon ein stückchen weiter.

ja, die gräte, das wäre ein elendes ende gewesen...