Mittwoch, Oktober 06, 2010

in eigener sache (51): blog in frage I

darüber, wie man sich den normalen blogleser vorzustellen hat, gibt es verschiedene meinungen. einige behaupten ja, dass man sich nur gegenseitig lesen würde, andere meinen, es gäbe schon eine breite masse an interessierten, aber selbst nur wenig aktiven neugierigen.
wie aufgeklärt, egal nun, von welcher seite aus man es betrachtet, wie aufgeklärt der jeweilige blogleser in bezug auf das von ihm genutzte medium ist, erscheint mir die zusätzlich spannendere frage zu sein.

macht er sich gedanken zum thema blog, den dahinter steckenden menschen oder nutzt er nur ganz profan die angebotenen inhalte? hier wie anderenorts offeriert sich meiner ansicht häufiger unwissen gepaart mit doch latenter neugier, mehr über das medium blog zu erfahren. weniger über das erstellen und betreiben, als über die jeweils immanenten konstrukte, die systemischen bedingungen und abhängigkeiten, vielleicht auch die individuellen ambitionen.

in loser folge möchte ich deshalb an dieser stelle über meine erfahrungen mit dem betreiben eines musikblogs berichten. diese notizen sollen vor allem jenen dienen, die einen einblick wünschen in die metaebene unseres tagtäglichen tuns. kommentare, ergänzende sichtweisen und natürlich auch die meinungen von kollegen sind sehr willkommen.
im ersten entwurf, dem auch die idee zu dieser reihe zugrunde liegt, möchte ich das thema "promotion" aufgreifen bzw. anreissen. denn darüber hinaus wird es kaum gehen können. zu komplex gestalten sich die beziehungen, zu kontrovers ist die diskussion um abhängigkeiten und die persönliche beeinflussung des jeweils beteiligten blogs bzw. blogbetreibers. doch ist nicht gerade der nutzer, der blogleser, an transparenz interessiert? hat er nicht in gewisser weise auch ein anrecht auf fairness? ein recht auf beurteilbarkeit des getroffenen urteils?

die eigenen erfahrungen, aber auch begleitend jene von bekannten und zusätzlich die beobachtung der szene ergaben immer wieder ein ähnliches szenario: ein musikblogger schreibt und schreibt und schreibt. er etabliert sich, erscheint im blogroll der kollegen, findet echo und wiederhall, hat sich die möglichkeit erarbeitet, in suchmaschinen gefunden zu werden.
schöpfte er bisher aus eigenem fundus bzw. den ergebnissen erfolgreicher recherche, klopfen plötzlich und unvermittelt helfer ans tor (
sehen wir davon ab, dass sich vielfach blogger auch selbst auf den weg machen und an die pforten jener rührigen unternehmen donnern, die ihr geld mit musik verdienen; daran ist nichts ehrenrühriges, es ist nur ein anderer weg). das können promoagenturen sein, labels, bookingfirmen, was auch immer der markt an fleißigen bienchen zu bieten hat.

nun hat der unermüdliche postersteller neue quellen. sie übersprudeln ihn unaufhörlich mit anliegen. denn nichts anderes verbirgt sich hinter der kooperation. anliegen. die flut an promoscheibchen und vor allem emails begründet sich einzig und allein in der nutzung von blogs als multiplikatoren (denn als meinungsmacher, als ernst zu nehmende autoren im sinne einer referenz taugen sie (noch) lange nicht, von vereinzelten beispielen selbstvertändlich abgesehen). so wackeln quietschend die angeln der postkastenschließen sowohl jener virtuellen als auch der hausbriefkästen unter der eingehenden last mit aufforderungen tourdaten zu präsentieren, neue musik zu "entdecken" (inkls. links zum download ganzer alben, einzelner tracks sowie pressematerial) und der somit unausgesprochenen anweisung, sich ausgleichend in den dienst der be-werber zu stellen.

eine zwickmühle. schreiben über das, was man gut findet. schreiben über jenes, was man gut finden sollte. schreiben über musik, die einem zuwider ist. denn klar ist bei alledem, die promoagenturen decken einen nicht nur mit dem angesagtesten scheiß ein. da sind sachen darunter, die einem weitgehend am allerwertesten vorbei gehen. ignorieren? ok. geht eine zeitlang. sicher. doch geduld ist eine erfindung der götter und die haben, wie hinlänglich bekannt ist, keinen bezug zur realität.

nun gibt es unter den agenturen diese und jene. die unterscheidungen sind immens und richten sich nicht allein danach, wie groß oder klein die unternehmen sind. es ist wie anderenorts auch, die menschen machen es. und die jeweilig präferierte politik. wird man von jenem unternehmen großzügig bestückt, erfährt umgehend zusatzinformationen und ergänzungen in sachen "hier-den-musst-du-auf-jeden-fall-noch-kennenlernen" oder "habe-ich-dich-schon-mit-...-bekannt-gemacht" (es sind tatsächlich musikinteressierte darunter), so dass nebenher auch noch die netzwerke wachsen, so spart man bei anderen und hofft auf die simple funktion der infoübertragung. sie versenden lediglich emails und hoffen im stillen, dass der inhalt zugang auf den vielen, vielen blogs dieses landes erhält. die leserschaft wird zur bombadierten dumpfnudel, die irgendwann auf den trichter zu kommen hat, das beschworene album zu kaufen, der blog verkommt zum bloßen mittler.

da heißt es, identität bewahren. jeden tag aufs neue. die dauerwerbung im tv hat einfluss auf uns. was bewirkt das bombardement der musikindustrie?

das business erstickt jedoch nicht alles. nicht alles, was an integrität, an loyalität und ehrenhaftigkeit in den menschen schlummert. nachdem viele firmen darauf umgestellt haben, nur noch mittels downloadlinks zu bemustern, den promotern sozusagen sacht die köpfe abzuschnippeln, schmiss einer der mir gesonnensten hin. ausdruck einer pein, die sich anlehnt an einer akzeptierten form von niedertracht, ausdruck findend in der geste des dauerhoffierens, der abscheulichsten form von lüge, honig ums maul schmieren und im druck, der umgekehrt proportional zum schmalzigen lächeln einer längst zum niedergang beschworenen industrie stärker wird.

auch auf die blogger. die hobbyisten gehen plötzlich kalkulierte beziehungen ein. funktionieren sie?

wie stellt sich dies für den leser dar? im schlimmsten fall liest er abgeschriebene pressetexte. was erwartet er dagegen? ein individuelles urteil. immer wieder neu auf dem weg dorthin.

14 Kommentare:

andreas hat gesagt…

als umtriebiger für ein kleines label UND blogger sehe ich mich auf beiden seiten der medaille.
es ist schon so wie du sagst: unabhängig von budget und professionalität bleibt es der mensch, der einen anderen menschen anschreibt. wer vergisst, dass er mit einem gegenüber kommuniziert mur weil sein interesse die email-adresse im blog-impressum ist, macht etwas grundlegend falsch.

aber ich habe auch schon sehr sympathische absagen auf "blindmails" bekommen, wie etwa "ich interessiere mich eher für 60's soul und denke nicht, dass ihr so etwas im programm habt".

E. hat gesagt…

die chose ist ambivalent genung, um sie in ein paar worten abzutun. das persönliche moment in der kommunikation bleibt das entscheidende. eine absage auf eine intiativmail finde ich auch klasse.
und irgendwann ist man ja auch auf einige nachrichten angewiesen, beziehungsweise hat sich von ihnen abhängig gemacht. das kann alles ganz gut funktionieren. nur der schritt zur beeinflussung, der ist eben nur ein ganz kurzer.
danke für deine rückmeldung!

SomeVapourTrails hat gesagt…

Nun, in deinem Eintrag finden sich viele Punkte, die ich durchaus reflektieren möchte, nicht zuletzt, weil ich den Blogger ja selbst oft genug kritisch mustere.

Zunächst möchte ich sagen, dass der typische Leser eines Blogs lediglich die schnelle Information sucht. Das ist wie Sex wie der Professionellen. Es erfüllt den Zweck, mit Zuneigung oder gar Liebe hat das nichts zu tun. Und je mehr Kenntnisse des SEO vorhanden sind, desto eher wird der Blog zum Magazin, das nach Werbeeinnahmen trachtet. Da bleibt für eine kultivierte Schreibe keine Zeit mehr und so wird eben der Waschzettel runtergebetet. Doch das unerschütterliche Vertrauen des Lesers zu Google führt solch "Blogger" in die erste Reihe. Anspruchsvollere Naturen unter den Konsumenten vertrauen da eher schon Institutionen, der Fachpresse, die Werke in den Kanon der Musikgeschichte einsortiert oder in den Gully wirft. Somit wird der seriöse Blogger vor allem von ähnlich denkenden Kollegen aufmerksam wahrgenommen.

Zum Multiplikator-Dasein des Bloggers möchte ich dem Blogger selbst die Hauptschuld an diesem Seinszustand einräumen. Wer über Musik ein paar unbedarft-stereotype Gedanken verliert, nicht über eine Alltagssprachlichkeit hinauskommt, dessen Urteil gerät nur zum Mosaiksteinchen in der Gesamtschau. Das verstehen die Promo-Firmen und Labels schon richtig. Und weil dies auch manch Blogger so sieht, greift er zu einem beliebten Mittel. Dem Verriss. Mit herben Worten hat man noch immer Aufmerksamkeit generieren können.

Fakt bleibt für mich, dass nicht die Kontakte den Blogger verderben, vielmehr die Grundkonstitution des bloggenden Zeitgenossen am Phänomen Blog kratzt und nagt. Klar, darf man hobbymäßig, ohne großen Anspruch über Musik plaudern, aber dann sollte man eben auch nicht erwarten, dass sich zum Plausch bei Kaffee und Kuchen massenhaft Besucher gesellen. Wer einen Blog mit Aufwand, Herzblut und Seriosität betreibt, für den können Promo-Kontakte hilfreich sein. Solange sie die Arbeit fördern und ihm nicht den Inhalt diktieren.

E. hat gesagt…

danke für deinen beitrag!

den blogleser konstituierst du nun so, wie ich ihn befürchten muss. glaube aber dennoch nicht daran.
die schnelle informationsbeschaffung ist die eine sache. zu wissen, wo man etwas bekommt, doch die andere. und: suche ich als leser geradewegs eine spezifische info oder aber lasse ich mich vielmehr inspirieren und vertraue dann dem urteil der von mir präferierten blogs?

liebe, zuneigung? nein, davon kann keine rede sein. ist das eine mögliche zielformulierung? ich weiß nicht. auch die abteilung "knete" in bezug auf blog ist mir persönlich fremd.

Oliver Peel hat gesagt…

Knete in Bezug auf Blog wäre mir persönlich nicht fremd. Mit Karl Marx habe ich keinen Vertrag! Wenn mir ein Label oder Promoter 100 000 Euro überweist, schreibe ich sofort, daß Kate Nash ein unglaubliches Talent und Bono eigentlich ein dufter Typ ist! So!

Oliver Peel hat gesagt…

Der Kommentar von SompeVapourTrails klingt sehr interessiert, ist aber leider recht wirr und widersprüchlich. Könntest Du bitte in kurzen, einfachen Sätzen mal Deine Kernaussagen auf den Punkt bringen? Und was verstehst Du unter einem seriösen Blogger? Sitzt der mit Anzug und Krawatte hinter seinem Computer? Oder hat er alle Platten von Neil Young und Bob Dylan gehört? Andersherum gefragt: Was wäre denn ein unseriöser Blogger?

E. hat gesagt…

ich fand den beitrag von svt weder wirr noch widersprüchlich.
allerdings schien mir ein augenmerk auf einer art "beklagen" zu liegen. das war jedoch nicht meine absicht. ich persönlich habe nichts zu beklagen. klar mangelt es immer wieder an rückmeldungen, aber das ist ein altes, beständiges problem.
vielmehr interessiert mich die schnittstelle von unabhängigkeit des bloggers zur beeinflussung durch die industrie.
@oliver: du schreibst eine andere form des blogs. einen konzertbericht kann man nicht kopieren, er ist immer auf seine weise individuell. natürlich könntest du bands hochloben, aber das würde schnell auffallen. oder würdest du, wenn du mit gästelistenplätzen, backstagepässen etc. überhäuft würdest, nur noch positive kriiken schreiben?
ich schreibe nur über das, was mir gefällt. auch ein stapel promoscheibchen bringt mich nicht dazu, etwas anderes zu tun. wenn 3/4 davon käse sind, setze ich mich nicht weiter damit auseinander. sollte ich zeit und muße für einen verriss haben. ok. so aber verwende ich die eh schon magere zeit auf für mich erinnerungwertes.
abschließend: kommerz und blog passen für mich nicht zusammen. die individualität des blogs, seine aufgabe als reflektor des persönlichen universums geht verloren. deshalb auch keine werbung im klienicum.
auch wenn ich verstehen kann, dass mancher sich dank werbung seinen webspace finanziert. legitim.

Oliver Peel hat gesagt…

Stimmt schon das Konzerttagebuch ist einzigartig :) Und wir sind unbestechlich, es sei denn eine hübsche französische Sängerin verspricht mir eine Schultermassage für einen lobhudelnden Bericht, haha!

Du siehst schon, mir sitzt wieder mal der Schalk im Nacken. Nicht ganz unbewußt, denn ich denke, daß in diese Diskussion eine etwas zu große Ernsthaftigkeit reingekommen ist. Seriosität und Bloggerei passt für mich zusammen, deshalb meine Stichelei. Hey, es geht hier nur um Popmusik und das Berichterstatten darüber! Als Indieblogger bewegt man sich in einem Mikrokosmos, das darf man auch nicht übersehen. Viele Leute, die keine Musiknerds sind, haben noch nie etwas von Stereolab gehört, ich habe eine gute Studienfreundin, die kannte noch nicht einmal Morrissey und The Smiths! Wir sind also Fachidioten. Die Außenwirkung unserer Beiträge bleibt vergleichsweise gering. Wenn eine Folkband einen Song als Werbespot hat, dann ist der (Werbe) Effekt tausend mal größer als alle Blogbeiträge der führenden Blogs zusammen. (siehe Beep Beep Song von Simone White).

Blog und Kommerz passen nicht zusammen? Vertretbar, wenn man davon ausgeht, daß Blogs als Alternative zu den recht mainstreamlastigen und von der Industrie beeinflussten Printmagazinen entstanden sind.

(hier zum Beispiel ein etwas wirrer Gedanke bei svt, der behauptet, daß anspruchvollere Naturen unter den Konsumenten eher Fachmagazinen vertrauen.- Ich persönlich bezeichne mich als anspruchsvoll und vertraue lieber dem Klienicum als einem Albert Koch, der allen Ernstes Lady Gaga hochjubelt!)

Aber regelmäßig geführte Blogs werden auf die Dauer eben immer größer und nähern sich Musikmagazinen an, weshalb sie auch von der Industrie umworben werden. Was Du auf dem Klienicum betreibst und wir auf dem Konzerttagebuch, geht über das hobbymäßige Schreiben weit hinaus. Es gibt Leute, die vertrauen unserem Urteil (unglaublich aber wahr). Wir sind zumindest was den Indiemarkt betrifft, Teil der Musikindustrie geworden.Wenn Du (aus freien Stücken) ein Album hochlobst, dann ist das Werbung, egal ob du dafür Knete bekommst oder nicht. Das darfst Du nicht unterschätzen. Das Klienicum betreibt Werbung für die Künstler, die es mag, so ist das nun einmal. Und dagegen ist nichts einzuwenden, weil die unterstützten Künstler es mehr als wert sind, daß man sich für sie einsetzt.

Die Gefahr als Indieblogger zu stark kommerziell zu werden, schätze ich auch als nicht sehr groß ein. Die kleinen Labels haben doch keine Kohle um uns zu bezahlen und die Möglichkeiten, Werbeeinnahmen auf einem Blog zu generieren, sind äußerst gering. Die Seite muß schon richtig groß sein, damit sich das lohnt. Ich denke, man bräuchte realistischerweise 2000 Page Views pro Tag. Diese Zahl erreichen nur die ganz bekannten Blogs, wir sind davon weit entfernt. Ich denke man bräuchte eine Redaktion von 10 bis 15 regelmäßigen Schreiberlingen und Fotografen, um in diesen Page View - Bereich vorzustoßen, sprich eine richtige Redaktion. Und dann arbeitet man letztlich genauso professionell wie ein traditionelles Printmagazin. Warum sollte man für diese Arbeit dann nicht das gleiche Geld bekommen, wie klassisch ausgebildete Journalisten?

Kurzum, man muss als Blogger kein schlechtes Gewissen haben, wenn kleine Labels einem Promo-CDs zuschicken (passiert uns übrigens so gut wie nie) und man muss auch nicht wirklich um seine Unabhängigkeit fürchten. Man schreibt einfach über die Bands, die man mag und die anderen eben nicht, fertig.

Warum es so wenig Feedback von den Lesern gibt? Wirkliche Kommunikation (wie zum Beispiel diesen langen Kommentar zu schreiben) ist anstrengend und zeitaufwändig, daran haben auch die neuen Kommunikationsformen nichts geändert. Die Generation Twitter zwitschert oft ins Leere, Antworten und Feedback sind sehr rar :(

Oliver Peel hat gesagt…

Es ist zum Heulen, ich habe eben einen ellenlangen Kommentar geschrieben, der sich mit der gesamten Thematik auseinandersetzt und bekommen das Feedback: Error- Kommentar zu lang, konnte nicht veröffentlicht werden!

E. hat gesagt…

alles da, oder? keine panik!
und danke!

den mikrokosmos, den du aufzeichnest, den sehe ich auch. auch die wertigkeit eines blogs, wenn man es so bezeichnen muss. einen maßstab gilt es schließlich anzulegen.

aber irgendwie mißachtest du mir dann ein wenig den einfluss und den möglichen nutzen, den blogs mittlerweile haben. zwar kann es die industrie nicht wirklich umreissen oder gar an zahlen festmachen. doch die bloße tatsache, dass sie die bloglandschaft wahr- und ernstnehmen, steht für sich.

und, dass mancher sein bloggerdasein sehr wohl ernst, nee sehr ernst nimmt, solltest gerade du, der ebenfalls so viel zeit investiert, verstehen. dass dir manches leichter von der hand geht oder du mehr freizeit hast oder die sache eben nur lockerer nimmst, steht auf einem anderen blatt. in unserer runde gibt es neben den enthusiasten eben auch die sehr ernsthaften. finde ich gut. weil sie lassen sich nicht nach 1 1/2 jahren hängen und geben auf. ihr ansinnen ist nicht bedrängt von der retoure. etc.

was die kommerzialisierung eines blogs angeht, da hast du keine ahnung! haha! du bewegst dich offensichtlich auf zu kleinem terrain. ich werde dir bei gelegenheit mal einige links zukommen lassen. da schlackerst du mit den ohren. neben abgeschriebenen werbetexten findest du nur chartware und den offensichtlichen drang, nur um seiner selbst willen wahrgenommen zu werden. da stecken businesspläne dahinter, im ernst, alter, die haben solche auftritte geplant!

SomeVapourTrails hat gesagt…

So dann präzisiere ich mal meine Kernaussage. Es gibt grob gesprochen 3 Arten von Lesern, die Musikbeiträge im Internet anklicken:

1.) Der Suchmaschinenheini - er/sie hört nen Track in ner Fernsehsendung und googlet hinterher. Sucht die Info, nimmt den erstbesten Treffer und zieht zufrieden von dannen - meist auf Nimmerwiedersehen. Ihm ist egal, ob er die Info vom Rolling Stone oder nem Blog bekommt.

2.) Der Anspruchsmensch - für ihn bildet die Rezeption von Musik eine wichtige Komponente. Ihr/ihm geht es um eine Charakterisierung des Albums, um die Bewertung eines Werks durch eine Instanz. Er (seltener: sie) schätzt oder hasst Jan Wigger oder Arne Willander. Dem Typen Leser geht es verstärkt um eine intellektuelle Auseinandersetzung mit Musik. Er wird Blogbeiträge besonders dann lesen, wenn sie Alleinstellungsmerkmale aufweisen (zB als einzige Quelle eine neue Band besprechen).

3. Der Blogger - er verbindet im Idealfall (wenn eben nicht mittels SEO auf Werbeeinnahmen schielend) Leidenschaft für Musik mit Interesse an Rezeption. Er - und diesmal auch oft: sie - lebt aber durchaus in einem eigenen Kosmos, schielt auch Kolleginnen, holt sich die Inspiration dort und sucht auch den Diskurs mit Kollegen.

Das sind zunächst die Grundtypen potentieller Leser von Blogbeiträgen.

SomeVapourTrails hat gesagt…

Auch wenn ich jetzt nochmals lange klugscheißernd werden muss. Nun also zu dem Verhältnis zwischen dem engagierten Blogger und Promo-Firmen:

Wir bekommen monatlich circa 20 Promo-CDs, ab und an auch digitale Downloads, selbst wenn wir bei unseren Kontakten, um kein einziges Promoexemplar anfragen (was wir ganz selten initiativ tun). Von den 20 sind 10 ganz ok, 5 unterirdisch und 5 sehr gut. Wir haben zu circa 12 dieser Promotoren einen regelmäßigen Kontakt (persönliches Anschreiben durch den Promotor, Angebote wie Interviews, etc.). Dazu kommen noch gute Verbindungen zu 5-10 Labels, sowie zusätzlich Unmengen Newsmails und ähnliches. Wie umworben soll ich mich folglich als Blogger fühlen? Zumal ich auf der Seite sehe, welche Suchanfragen gestellt werden. Wenn direkt auf dem Blog jemand nach The Kabeedies sucht, dann ist die Chance groß, dass der Promotor abcheckt, ob ich nach 1 Woche bereits ein paar Zeilen dazu geschrieben habe, nachdem ich unangefordert die CD erhalten habe.

All das sagt mir, dass Blogger von den Promotoren ernst genommen werden. Besonders im Indie-Bereich. Aber nicht nur: Wenn ich die Deluxe-Version von Placebos Battle In The Sun bekomme, dann warf uns die Promo-Firma damals einfach so 20 EUR in den Rachen. Aber speziell im Indie-Genre zählt: Wenn um den Veröffentlichungstermin eine Wolke von Besprechungen entsteht, dann kann diese Bündelung bei dem (vielleicht eher zufällig darüber stolpernden) Leser Eindruck schinden, ihm die Illusion geben, dass die an sich unbekannte Band in Wahrheit eben ein Insider-Tipp ist. Und das weckt Neugier.

Kurzum: Der Blogger erreicht in der Regel keine Massen. Im Indie-Metier sorgt er jedoch für Credibility, kann durch seine Vernetzung weitere Post herbeiführen. Und letztlich gilt im Medienzeitalter eben die Regel, dass nur existiert, was rezipiert wird, jedwede Namensnennung schärft die Konturen.

Teil 3 zum Thema Besprechungsdruck folgt morgen.

dfbm hat gesagt…

Interessantes Thema was du hier aufgreifst. Ich stell mir manchmal die selben Fragen. Ich für meinen Teil ignoriere meist (semi)professionelle Promomassenmails und mach mir oft nicht mal die Mühe den exklusiven Downloadcode zum Promopaket inkl. "full album download" einzutippen.
Zu 80 Prozent poste ich die Sachen die mir gefallen und die ich irgendwo in den Nischen finde. Oder ich bekomme eine persönliche Mail mit einem Mediafirelink zu einer Hand voll Demotracks, die durchaus sympatisch sind. Und ein kleiner Teil sind Promos, die sich nicht selbst als den heissten Scheiss seit Wavves o.ä. verkaufen.

Für meinen Teil hab ich manchmal das Gefühl das die Besucher meines Blogs selbst meist Musiker sind, die eine Plattform für ihr Schaffen suchen oder nach sich selbst googlen. Aber das stimmt nicht ganz. Es gibt nur kein Feedback vom download'n'go Besucher.
Und die paar Stammleser wissen sicher warum sie einen Blog abonnieren haben aber nicht das Mitteilungsbedürfnis wie die Typen die einen Blog starten.
Oder so... :)

SomeVapourTrails hat gesagt…

Wollte noch kurz etwas zum Besprechungsdruck vermerken. Die kalkulierten Beziehungen, von denen du im Artikel schreibst, sind nur dann problematisch, wenn der Promotor den Inhalt des Blogs diktiert, Einfluss nimmt. Aber macht das ein guter Vertreter seiner Zunft wirklich? Oder wird er eben Angebote an den Blogger wiederholt lancieren und nichts über das Knie brechen, weil der kluge Promotor ohnehin weiß, dass dabei selten etwas Vernünftiges rauskommt? Ist es nicht so, dass die eigene Charakterstärke darüber entscheidet, ob man als Teil der Maschinerie endet oder eben doch als Blogger eine eigenständige Note behält? Nur weil manch Promotor seinen Job schlecht macht, Aufdringlichkeit mit Professionalität verwechselt, braucht man sich deshalb nicht unter Druck setzen lassen. Letztlich geht es doch wohl darum, Leidenschaft für Musik an Leser zu vermitteln und ich glaube schon, dass diese merken, wenn man nur halbherzige Auftragsarbeiten abliefert. Gelegentliche Besucher mag das nicht stören, einen Leserstamm baut man sich damit schwerlich auf. Ich bin mir sicher, dass dies gute Marketingfritzen wissen und deshalb nicht insistieren. Wer Blogs ohnehin nur als Nachrichtenschleudern sieht, der mag das nicht verstehen, aber das sollte einen Blogger nicht wirklich kratzen.