Freitag, Januar 15, 2010

jackie oates - hyperboreans (2009)

the guardian schrieb, dass sich die aktuelle folkszene in guter verfassung befinde, dank solcher acts wie jackie oates. andere blätter überschlugen sich anders, aber in die selbe richtung. mittlerweile ist das album "hyperboreans" einige monate auf dem markt und es häufen sich die award nominierungen. was hatte die britin anstellen müssen, dass es so weit kam? zunächst die gut funktionierende gemeinschaft von rachel unthank and the winterset verlassen, zu deren gründungsmitgliedern sie gehörte. schließlich soloalben aufnehmen, aufspielen, regelmäßig kollegen unterstützen, z.b. jim moray, den bruder oder show of hands. nachhaltig blieb die wirkung ihres schaffen, in erinnerung der name. ungebrochen der glaube, dass sich der glanz ihrer modernen und zugleich so tradiert klingenden stimme über alles ergießen würde, was nur ein bißchen willen, ein wenig freude an musik mitbringt. ihr drittes werk erschien auf one little indian und soll fortan auch deutschland derart beglücken, wie bereits in großbritannien geschehen. diese musikalischen wunder sind klein, aber durchaus erhört. zeugt nicht allein davon, dass ein alasdair roberts für den titeltrack verantwortlich zeichnet? dass gar ein sugarcubes cover ("birthday") aufgeht im reigen englischer und australischer traditionals? braucht es nicht viel mehr nur ein wenig glücklicher fügung, den organisatorischen odem der verbreitung und die hilfestellung all jener, die einen festen glauben haben? ich denke ja. eine musik, die aus sich heraus genügend kraft besitzt, ist das eine, das erhört werden, das andere.
1.) "the miller and his three sons": eine alte geschichte, ein märchen; eine herausforderung, ihm neuen glanz, leben zu verleihen - dass es einem nicht verleidet ist zuzuhören, weil man den umstand, den ausgang schon erahnt - ist die kunst, die oates besitzt, akzentuierte, betonende begleitung an melodeon und violine ergänzen den superben eröffnungsreigen, der so viel subtilen schwung aufzeigt, dass man innerlich beschwingt den ganzen tag verbringen könnte, auch wenn man sogleich den player ausstellen würde,
2.) "hyperboreans": im duett mit alasdair roberts trägt sich der song nicht nur durch das besondere thema, hyperborea, den kontinent im nordmeer, bevölkert von einem technisch wie sozial fortschrittlichen menschenschlag, der sich unter der erde angesiedelt und schließlich unter der gesamten erdoberfläche verbreitet haben soll, sondern vor allem durch die dynamik, die tempiwechsel, den zwiegesang, die unaufgeräumte fidel und das wunderbare gesangsorgan jackies,
3.) "locks and bolts": dieser song stammt aus dem repertoire der holzfäller, der wilderer, der george maynards; ken stubbs hat ihn aufgeklaubt und in der zeitschrift der english folk dance and song society (1963) gedruckt, im selben jahr verfing er sich auch auf shirley collins ep "heroes in love", er erinnt an viktorianisches liedgut, die quellen reichen aber viel weiter zurück; beschrieben wird eine geschichte, in der die liebenden dem unwillen der eltern zu trotzen suchen: "...I went up to her father's house / Enquiring for my darling. / Her father said, “She is not here; / I've none such in my keeping. / But when she heard my lonely voice / She answered at the window, / "Oh lover, love, it's I'd be yours, /But locks and bolts do hinder...", saul rose führt das melodeon, jackie setzt das streichgerät an und singt in ungezwungener strenge und unbeugsamer zuwendung zum liedgut und seiner aussage,
4.) "the pleasant month of may": dieses lied stammt aus dem "the copper family song book", war vornehmlicher bestandteil des repertoires der copper family, hier wurde es unter mithilfe von james dumbleton neu arrangiert, violine, gitarre, wenig, aber zielsichere perkussion, schließlich verstiegen im gemeinsamen schlußappell, nachdem sich eine herzerwärmende melodie auf zittrigem grund, unter mithilfe eines mutlosen banjos, zum ohr des hörers durchgeschlagen hat,
5.) "past caring": henry lawson schrieb den text zu diesem traditional, das die trostlosigkeit des australischen buschs beschreibt, ein zeitloses gefühl, dem jackie oates leben einhaucht, mittels ihrer klaren stimmung, eines offenen sounds und unter nutzung der sogenannten shruti box, die nicht nur in diesem song, eine chromatische stimmung schafft,
6.) "the sheffield grinder/mavis": '1804' & 'sheffield' sind die koordinaten dieses traditionals, ich liebe den stolpernden stolz, den diese leicht stampfenden songs immer wieder aufweisen, jackie trägt dies mit hoch erhobenem kopf, dem konzentrierten blick und der zitterfreien stimme, die beigaben: streicher, melodeon, gitarre,
7.) "young leonard": ebenfalls ein traditional, ein reduziertes, zunächst auf gitarre, bowed lyre und stimme geworfenes stück, jackie fährt zu ganzer größe auf, ihre farbigkeit wird deutlicher denn je, die koloraturen, die berg- und talfahrten, zu denen sie leichthin in der lage ist, auf ihrer reise die violine, die tupfende gitarre, das ineinander verwoben sein, magie!,
8.) "birthday": "life's too good" heißt das 98er album der sugarcubes, von dem jackie sich den song borgte und so aufbereitete, dass der grundstock freigelegte wurde, während die cubes beiwerk aufstapelten, björk dagegen ansang, wird bei jackies version die melodie freigelegt, der rest ist spielerische ausmalung, ungewöhnlich, aber der track passt sich hervorragend in das restliche programm ein,
9.) "the isle of france": ein song , der u.a. in big edwards "buch des australischen volkslieds" auftaucht, wenngleich er wohl eher aus irland stammt, zum thema macht er wie viele andere vor und nach ihm den gefangenentransport per schiff (strafkolonien in new south wales/tasmanien) und beschreibt die ängste der verurteilten: "Oh the sky was dark and the night advanced / When a convict came to the Isle of France / And round his leg was a ringing chain / And his country was of the Shamrock Green. / I'm from the Shamrock,“ this convict cried / That has been tossed on the ocean wide / For being unruly I do declare / I was doomed to transport these seven long years....",
10.) "the butcher’s boy: elizabeth stewart inspirierte jackie oates zu einer neuaufnahme dieser 'murder ballad', hier gemeinsam mit alasdair roberts im komplementärgesang und nur auf das wesentliche herunter gebrochen, eine unheilvoll strebende violine, eine stärkende gitarre, aufrechte stimmen,
11.) "may the kindness": ein song von dave wood, ein abschluss, wie man ihn sich versöhnlicher und schmiegsamer nicht hätte wünschen können, als fiele der ganze emotionale ballast mit einem mal ab, jackie singt schöner denn je, ein piano, das die tränen stocken lässt und streicher, die die glastropfen formen helfen, denn den großen gefühlen ist fürs erste genüge getan, bis "hyperboreans" neu aufgelegt wird.
mit dem folkalbum "hyperboreans" setzt jackie oates nicht nur eine tradition fort, sondern vor allem auch einen trefflichen kontrapunkt zur aktuellen entwicklung dieses musikalischen stils. mehr noch, die diversität, die aufspaltung in free-, weird-, anti- usw. erhält ein dach und eine segnung. wer noch immer glaubt, dass sich die genre, die 'folk' nur als scheinbar sekundären bestandteil im namen tragen, tiefer im freejazz verwurzelt seien als im namengebenden, schwer in den genen des (jeweiligen) volkes verhangenen liedgut, irrt. nur weil sich die 'verstockten' damen und herren der freien szene versteigen, auf länge streben und scheinbar ungehobelt, ungezwungen ziele verflogen, kommt man dennoch nicht umhin zu konstatieren, die gründe, auf denen sie arbeiten, sind jene, die ihnen die alten lieder bereiten. das zutrauen zum instrument, zur stimme, das verinnerlichte des kinderreims und des großväterlichen gedankens, all dies ist unweigerlicher bestandteil, auch wenn es das 'in die ferne schweifen' zunächst nicht glauben machen will. jackie hält die hände offen und alle dürfen schöpfen. ihr ist ein außerordentliches album, zum rechten zeitpunkt gelungen. in der konstitutionellen und vokalen strenge liegt die eigentliche freiheit, die sich offenbar nur die anderen nehmen. beide sind enger miteinander verwoben, als mithin gern behauptet wird. sie bedingen sogar einandern. die shruti box, die einfache, aber unüberhörbare soundwall, die sie kreiert, ist mehr als nur ein zeichen ins andere lager. sie ist anlehnung. die grenzen dürfen fließender werden. wenn dabei alben wie "hyperboreans" herauskommen, kann sich der hörer schwerlich beklagen.

7 Kommentare:

Oliver Peel hat gesagt…

Du erwähnst Rachael Unthank. Warum hat man hier über die Unthanks noch nichts gelesen (ich finde zumindest nichts, klappt die Suchmaschine?)? Sie sind in vielen Jahresbestenlisten ganz vorne...

E. hat gesagt…

in diesem jahr spielten sie keine rolle bei mir, richtig. da präferiere ich das vorherig eingespielte von ihnen. das hat mehrere gründe und würde hier zu weit finden. definitiv eine band, über die ich lange schon mal schreiben wollte.

Oliver Peel hat gesagt…

Du bist nur schon eine Marke, Eike. Da nehmen 2009 zum ersten mal 4 Leute von den Unthanks Notiz und schon interessieren sie Dich nicht mehr. Zu "Here's The Tender Coming" hätte ich mir einen Eintrag auf dem Klienicum erwünscht. Muss ja nicht zwangsläufig positiv sein.

Und hättest Du lange vorher über sie geschrieben, wäre der Beitrag nur untergegangen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt.

E. hat gesagt…

ich glaube, du unterschätzt die präsenz, die the unthanks mittlerweile haben. sicher nicht in der breiten masse, aber die hört ja auch nicht gezielt auf das, was aus dem radio schallt.
dass ich mich ihnen nicht gewidmet habe, hat ganz einfach damit zu tun, dass auch ich filtern muss. und sie rauschten eben durch die groben maschen. allein die dichtere und vollere instrumentierung des neuen albums war ausschlag für die weitere nichtbeachtung. vielleicht ein fehler/irrtum, eine dummheit, aber notwendig, um den eigenen präferenzen gerecht zu werden und sich im riesen angebot nicht gänzlich zu verlieren.
und retourkutsche: kein wort zu jackie oates? schließlich wirfst du mir auch immer vor, dass ich deine beiträge mit nebensächlichkeiten bombardiere.

Oliver Peel hat gesagt…

Zu den Unthanks: Deine Argumentation ist nachvollziehbar.

Zu Jackie Oates: Das Video in der Reihe "Glotzt nicht so romantisch" hatte ich ja sehr gelobt. Das besprochene Album erscheint in Deutschland erst am 22. Januar, in Frankreich habe ich es auch noch nie gesehen. Ich bekomme auch keine CDs vor dem Release zugeschickt. Das kommt mir einfach zu früh, ich höre im Moment noch Sachen von 2009. Ohnehin habe ich Probleme hinterherzukommen, bei der Unzahl an Veröffentlichungen. Meinetwegen könnte es bis April keine Neuerscheinungen geben, damit ich die anderen Sachen mal in Ruhe hören kann.

E. hat gesagt…

das ist die schwierigkeit, die waage zu halten zwischen (hyper-) aktuellem und älterem. ich kriege das auch nicht hin. erst heute schrieb ich einen post, in dem ich genau diesen umstand beklagte. noch bin ich zu sehr in 2009 verhangen. mehr noch, als in den letzten jahren.
aber, warum nicht neugierig machen, auf das, was kommt? zumal, wie erwähnt, das jackie oates album bereits geraume zeit im uk auf dem markt ist. die themen switchen einem nur so durch die finger. ich habe mehr als dreißig posts auf halde. hier muss ein ordnungssystem her? oder folge ich weiter dem prinzip eines tagebucheintrags (mit geringfügigen zeitlichen verschiebungen)? letzteres ist mir wesentlich näher. den leser muss man, glaube ich, nicht mehr bei der hand nehmen.

Oliver Peel hat gesagt…

Ich fühle mich einfach ein wenig überfordert und kann kaum noch den Neuveröffentlichungen folgen. In den letzten Tagen habe ich teilweise Alben zum ersten mal gehört, die seit Jahren auf meinem I-pod sind, darunter ein altes Album von Pedro The Lion und das erste Werk von Marissa Nadler, Ballads Of Living And Dying. Da ist mir aufgefallen, welchem Druck ich mich aussetze, um der Aktualität zu folgen. Außerdem höre ich zur Zeit alte Krautrocksachen von Cluster & Eno, etc. Dürfte ich eigentlich nicht, weil mir die Zeit fehlt, neue CDs zu hören. Es ist fatal!

Ich glaube jder Musikfan kennt dieses Dilemma.

Vorwürfe wollte ich Dir keine machen, Du weißt doch, daß ich Deine Arbeit bewundere. Meine Schuld, wenn da ein zu scharfer Unterton reingekommen ist. Ich bitte um Entschuldigung.