Donnerstag, Juni 10, 2010

telegraph canyon - the tide and the current (2009)

eine rückschau auf ein album, das bereits seit einem jahr auf dem markt ist, ist nicht gerade üblich im klienicum. aber mit "the tide and the current" ging mir in 2009 ein werk durch die lappen, dem ich jetzt nur zu gerne eine viertelstunde widme, zum schreiben, eine volle zum hören. und noch viel mehr würde ich mich freuen, wenn ich unter Euch ein paar sympathisanten gewänne, die ebenso zu begeistern sind.
zunächst: telegraph canyon sind ein siebenköpfiger verbund, der in forth worth, texas, zuhause ist und sich aus folgenden herrschaften zusammensetzt: chuck brown (bass & cocals), chris johnson (guitar, vocals, banjo & harmonica), austin green (drums, bells & keys), tamara cauble (violin & vocals), brian mccorquodale (pedal steel, piano, synth & percussion, andrew skates (organ, piano, accordion, guitar & mandolin) und erik wolfe (guitar, vibes & bass drum). in 2007 brachten sie "all the good news" heraus, dem sie zwei jahre später das viel- und hochgelobte, hier in betracht gezogene zweite full length folgen ließen.

von telegraph canyon hatte ich also bis dato noch nichts gehört. doch wurde mir zuteil, in den genuss von „the tide and the current“ zu kommen. die rezeptoren gespitzt, wurde ich schier übergossen von einer prallen, dreist überschwänglichen und lebenbejahenden musik, wie schon lange nicht mehr. die band macht dabei nichts anders als andere ihrer zunft und doch ist ihre mixtur so einnehmend berauscht und drängelnd aufgeregt, dass man allzu gern folgt.
schon der opener „into the woods“ hält mehrere schmankerl bereit. die melodie schafft sich ohne zögern einen nistplatz und richtet sich geschmackvoll ein. und dabei ist es nicht nur der rhythmus nebst refrain, die fesseln, nein, hier gibt es eine bridge zu hören, die sich massiv unter die hirnhaut schiebt und ein feuriges ankurbeln großen gewerks samt piano, dumpf fordernden basses und kreischend lauter gitarre. subsumiert werden muss zudem die stimme johnsons, deren knarziger ausstoss vielfach an the flaming lips und deren frontman wayne coyne denken lässt. wobei wir schon einen der wesentlichen referenzpunkte beigelegt haben. der enthusiasmus, der frohsinn, durchaus begleitet von ernsthaft behandelten themen, die vielfarbige berauschtheit erinnern immer wieder an die progressiven rocker aus oklahoma. doch telegraph canyon beweisen sich. sie sind so originär wie es ein lebendiges etwas nur sein kann. bei aller überspitztheit, bei allem drang zum überdrehen kreiert die band songs, deren wirkungsgrade so hoch sind, dass ihre erinnerbarkeit außer frage steht. auch titel nummer zwei „safe on the outside“ wirkt zunächst aus der hüfte geschossen, weil ohne einleitung und wie aufs gratewohl beginnend. doch schnell schälen sich die harmonien aus dem soundgefüge und dem hörer bleibt nichts anderes übrig, als angesichts dieses vollmundigen und aus dem vollen schöpfenden aufmarschs die fahnen zu streichen. vor allem wenn im innehalten das piano munter sticht, legt man die eigenen asse der gegenargumentation flott wieder aus der hand. telegraph canyon spielen einen dunkel eingefärbten folk, southern gothic schrieb jemand, doch auch indie- oder fast schon mathrock, wie er in seiner art nicht ungestümer und zugleich voller kindlicher neugierde sein könnte, musik von zappelphilippen, motorisch unruhigen, klassischen quälgeistern. am ende von „shake your fist“ erahnt man angesichts eines leicht verschwurbelten anhängsels die erschöpfung ob solcherart sturmlaufs. dabei ist der beginn des tracks stilvoll und geradezu zögerlich, würde sich nicht der gesang so ohne schutz ans ohr stemmen. doch bitte vorbehaltlos bleiben, „shake your first“ begeistert dank banjo geschlagenen rhythmuses, einer atempause aus treibendem bass und glockenspiel. schwere drumeinschläge sind die basis für das dem ende zudrängelnde anschwellen. der ausgang ist bekannt. das dreigestirn gehört mit zum intelligentesten und best arrangierten, was ich lange in diesem sektor gehört habe.

dass sich „come the morning“ anschliesst, kann niemandes schade sein. ein balladesker trumpf, der zur rechten zeit ausgespielt wird. streicher, gitarre, gesang, kontemplation, muße. „a light in the field“ macht nachfolgend schnell klar, dass die variationsbreite der band enorm ist. auch das hymnische ist ihr nicht fremd, doch die überhöhung ist gedrosselt, der überschlag ins groteske wird vermieden. verspieltheit, der sonnige wiederglanz in spiegeln, das breite grinsen. die band ist ein ausbund kreativer ideen. „welcome to the night“ nimmt das tempo raus, glänzt mit akkordeon und mut zur instrumentalen lücke, „quiet assurance“ verlegt sich auf ein munteres gitarrenthema mit blank gewetztem refrain zum mitsingen, „captain“, ein midtempo stück, hat den blues, „dressed in fight“ ist aufrührerisch, erregt, manisch, kokettiert mit irish folk anleihen und mit einem sanft beförderten „reels & wires“ verabschieden sich telegraph canyon.
wenngleich das album nach hinten raus etwas an besonderheit verliert, bleibt es dennoch ein durch und durch spannendes und griffig anzupackendes, fast zum selbsteinsatz aufforderndes werk. der beat gehört in jedem fall geschlagen, das mitsingen ergibt sich schier von allein. die umtriebigkeit ist beherzt und die wunden, geschlagen an vorwitzigen ecken und kanten, leckt man sich schließlich mit freude.
die band hat bereits für fanfarlo, drive by truckers oder broken social scene eröffnet und ist unheimlich fleißig durch die staaten und auch durch europa getourt. demnächst kommen sie wieder und wir laden sie ein. bis dahin, "the tide and the current hören"!
telegraph canyon - shake your fist

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