ein kleiner, kaum gedrungener mann, unscheinbar gekleidet, das karierte hemd, die helle jeans, ein paar passende treter an den füßen. er fiele kaum auf, wäre da nicht dieser breitkrempige schwarze hut auf dem kopf, der ihn als den auszeichnet, der er ist. doch auch sein waches gesicht, die flinken, manchmal etwas unruhigen augen nimmt man wahr. er fixiert nicht, aber beäugt neugierig das rund, kommt immer wieder ins gespräch, lächelt. in sich ruhend ist die passende vokabel für simon joyner. hätte ich ihn scheuer erwartet? stets kollidiert das längst verfasste bild mit der wirklichkeit. erst recht wenn man jemanden so lange begleitet wie den amerikanischen songschmied, der sich endlich wieder die ehre gab, um in münchen aufzuspielen. ausgesucht hatte er sich hierfür glücklicherweise ein stelldichein mit den machern von hauskonzerte com, die nicht nur ein näschen für die passende location besitzen, sondern mittlerweile auch ein publikum um sich scharren, das jedem künstler mit respekt und anerkennung begegnet. findet man auch in dieser stand nicht immer und überall.
als wir an jenem zauberhaften ort, einer art atelier unweit der theresienwiese ankamen, war bereits wuseliges durcheinander zu verzeichnen, die befriedigende unruhe vor einem solchen event. als simon joyner schließlich begann, schied der rest dieser nacht aus, verabschiedete sich gerade zu, denn gefangen nahmen uns nun die lyrischen und die musikalischen parameter des ausnahmemusikers.
die bindung joyners an sein publikum ist zunächst eine lose, als würde er einen übergangsraum zur verfügung stellen, in welchem man sich gewöhnen kann. an diese ganz eigene phrasierung, an den narrativen stil seines vortrags, der punktuell durch melodiöse einschüsse aufgerüttelt wird. sinnbildlich wirft der körper ein schattenbild an die wand, das nicht weniger befremdlich scheint. da fließen die noch frischen "sonny" und "old days" hindurch, die erst 2015 auf "grass, branch & bone" erschienen waren, aber spätestens beim nachfolgenden "last will & testament" wurde man angefasst, als hätte eine knochige hand nach einem gegriffen, dieser feste umschluss, die kühle distanz und die faszination von etwas, was man noch nicht in worte fassen kann.
es herrschte ein gebannte atmosphäre im rund, zögerlich einerseits, neugierig anderseits, was noch kommen würde. als wäre die kapazität noch nicht ausgelastet. aber das ist es, was joyner bietet. weiträumige erzähllandschaften, in denen jeder auf seine weise eine heimstatt finden kann. dazu begleitet er sich filigran an der akustischen gitarre, deren töne sich zu einem sonoren rauschen mit der rauen stimme vereinen. manchmal fühlt es sich an wie bei einem vorlesenden, der die seiten des buches mit besonders lautem rascheln umschlägt. doch die begleitung hat auch ihre ganz besonderen, heiligen momente, das griffbrett wird ausgelastet, die finger eilen von rechts nach links und wieder zurück. das ist pointiert, aber nie um der effekte willen. wie das lose klopfen auf dem korpus, um die stille zu besiegen. mit "you got under my skin" zitiert joyner noch einmal das album aus dem vergangenen jahr, ein song so anmutig und einfach, wie es dieser abseitig beschlagene americana, der die wurzeln der sprache und der gemeinschaft auf seine weise zitiert, darzustellen in der lage sein will.
vor dem konzertbesuch hatte ich mir überlegt, welche songs ich mir wünschen wollte, wenn der künstler danach fragte, denn das praktiziert er mancherorts, und entschied mich für "the only living boy in omaha" und "joy division". ersteren spielte er bereits deutlich vor der zugabe, eine wunderschöne nummer, die so versiert und detailverliebt klingt und am ende nachebbende erinnerung bleibt: "or is there a fire you forgot to touch? is there a heart you never saw? do you think you'd miss it very much if you're the only living boy in omaha?", "joy division" schließlich war programmpunkt nummer eins, als es daran ging, die beiden zugaben einzuläuten, die joyner gewillt war zu geben.
zu diesem zeitpunkt hatte ca. ein drittel der bis dato rund achtzig zuhörer den raum verlassen. luftig ward es zwischen den reihen, die ausgelegten teppiche wurden zu liegewiesen und alles bekam einen für meinen geschmack zu unkonzentrierten charakter. vielleicht mißfiel es auch joyner, der sich jedoch nach meinem dank für dieses intensive konzerterlebnis mit den worten zitieren ließ: "it was easy to dig deep into the songs for such an attentive audience."
meine höhepunkte waren das ruhelose und mit angeganger stimme vorgetragene "alabaster" vom 95iger album "heaven's gate" und das stimmungsvolle "the rain asked for a holiday", mit dem ich im leben nicht gerechnet hatte, spult es doch auf "the lousy dance" (1999) von breiter pianospur. joyner gelang es, die melancholische klangfarbe ins rund zu führen. wie er überhaupt für eine stimmung sorgte, die uns den heimweg über wach hielt. thanks.
setlist: sonny / old days / last will & testament / alabaster / vertigo / you got under my skin / the rain asked for a holiday / javelin / roll on / now we must face each other / the only living boy in omaha / nocturne / nostalgia blues / encore: joy division / medicine blues
setlist: sonny / old days / last will & testament / alabaster / vertigo / you got under my skin / the rain asked for a holiday / javelin / roll on / now we must face each other / the only living boy in omaha / nocturne / nostalgia blues / encore: joy division / medicine blues
3 Kommentare:
Ich hab das Publikum eigentlich sehr konzentriert erlebt, aber vielleicht hat das von Deiner Warte aus anders gewirkt, tatsächlich und wortwörtlich in dem Fall wohl eine Frage des Blickwinkels...
Viele Grüße + bis später,
Gerhard
ich meinte eher so eine auf den moment gebündelte konzentration. dieses auf dem boden lümmeln, sich gar ausbreiten, fand ich enorm anstössig. ich sah einige an ihren handys arbeiten, und wie geschrieben, verzog sich nach und nach ein doch großer teil des publikums wohin auch immer.
Alles gUt ;-)
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