Dienstag, März 05, 2013

konzert: the sea and cake, 02.03.13

the sea and cake. die knapp zwanzig jahre, die diese band auf dem buckel hat, kann man schnell wieder vergessen, wenn man die unverkrampftheit und die musikalität des letztjährigen, mittlerweile elften albums "runner" begutachtet. gleichzeitig gilt es die wandlungsfähigkeit zu beachten, die gabe sich neu zu definieren, ein ende einzuläuten, dem ein anfang innewohnt. sam prekop begann also die arbeiten zum neuen werk mit synthesizern, atypisch abseits des gitarren verwöhnten startprocederes, und überließ später den bandkollegen die einordnung, bearbeitung, verdichtung und vollendung. irgendwo zwischen collegeattitüde, jazzaffinität und der gabe zu kontemplativen rock befindet sich der aktuelle vierer, der einst aus gastr del sol und tortoise hervorgegangen, heute noch typen wie eben sam prekop, aber auch archer prewitt und john mcentire aufbietet, die sich vor allem unabhänigkeit auf die fahnen geschrieben haben. da lebt noch etwas von einem geist, von dem keiner mehr die adresse zu wissen scheint. davon lebt gleichzeitig thrill jockey, ihre labelkonstante, aber auch all jene, die sich künstlerische unabhängigkeit wünschen, fans, kritiker, kollegen. für die diesjährige europatour konnte man niemand anderen als den profilierten douglas mccombs verpflichten und schlägt so den bogen zurück zu tortoise bzw. zu den wurzeln einer rockinfizierten vergangenheit, die heute von elektronischer vor- und zuarbeit und sanftmütiger strahlkraft übertüncht, aber nie gänzlich verdeckt wird. und das sollte sich vor allem live beweisen.


das milla in münchen hat schon einen status, obwohl es noch recht jung ist. der club, im umtriebigen glockenbachviertel gelegen, hat sich zu der konzertlocation schlechthin gemausert. liest man. mein erster besuch stand noch aus. so wie man einst 'die dietrich' hauchte, so spricht man heute schon von 'das milla'. ob dies ein gutes oder schlechtes zeichen ist, sei hinten angestellt. der kellerschlauch, den man von der straße aus betritt und der zu einigen stufen abwärts zwingt, erweist sich als recht gemütliches gemäuer, das an diesem abend, wir schreiben samstag, den 02. märz, pumpvoll mit menschen unterschiedlichsten alters angefüllt ist. die jungen und die altsemester verteilen sich anfangs noch recht angenehm über das mit einem schrägen fußboden versehene ehemalige bachbett. später wird es etwas enger. die jungs vom millaphon label suchten die eier legende wollmilchsau und haben sie vielleicht in diesen ungewöhnlichen räumen gefunden. denn neben der funktion 'konzertstätte' ist das milla auch club und kneipe und tanzbar und was auch immer noch. nun waren the sea and cake angesagt, der post-, art-, mathrock vierer aus chicago und alle kamen. konstatierend kann man an dieser stelle bereits sagen, dass man selten so viele glücklich grinsende gesichter auf ü40 mienen gesehen hat.

an diesem wundervollen abend drängte sich eine begrifflichkeit auf, die ich noch nicht ganz zufriedenstellend benennen kann. erwachsenenmusik in etwa. also, von und für erwachsene. ausgewogen, auf den punkt, professionell, ohne statisch, dogmatisch oder begrenzt zu sein. im gegenteil zeigte sich der vierer dynamisch, mitreissend, akzentuiert, spielfreudig und energetisch. dabei wiesen the sea and cake eine perfekte organisation auf, das zusammenspiel war nicht nur exakt, sondern neben der gekonnten abstimmung auch umtriebig, ausbalanciert, voller enthusiasmus und gleichzeitiger kontrolle. es war ein fest, den musikern zuzusehen, zuzuhören und sie auf dieser einzigartigen reise zu begleiten.

zunächst galt es aber zu warten. der anvisierte beginn von 21 uhr verstrich unbesehen. erst knapp eine halbe stunde später gönnten uns die akteure ihren anblick. sam prekop betrat als erster die bühne, in dem er von einem raum hinter und etwas oberhalb der bühne herabstieg. er breitete seine unterlagen vor dem mikrofonständer aus und nuckelte wartend an einer wasserflasche. schließlich kamen auch archer prewitt, der freundlich bebrillte, john mcentire, das schlagzeugbiest und douglas mccombs, der basshero, auf die übersichtliche bühne. ein kurzes verständiges nicken, ein antakten durch mcentire und los rollte die perfekt geölte maschinerie. die ersten vier titel zollten zunächst dem letzten album tribut und kamen auf verwunschene weise noch schöner, eleganter, noch fein austarierter an den mann, als es "runner" aus 2012 bei den letzten durchläufen imstande gewesen war. die finesse und die schönheit der lieder ließ sich erst mit der livedarbietung erschliessen. tiefenwirkung auf umwegen.



 
sam prekop, der über das steil aufragende mikro gebeugt, den blick zumeist nach unten sandte, um die texte auf den großen tafeln ablesen zu können, wie er seine sämig, samtene stimme zu einer sonoren wie schmeichelnden lesart trimmte und gleichzeitig sein gitarrenholz auf rittmeisterliche art bearbeitete. archer prewitt, der stets in bewegung befindliche, der schon längst höchst dekoriert sein müsste angesichts einer meisterschaft an seiner sechsaitigen, die ihresgleichen sucht. wie er punktuell kontrastierte, wie er manisches lancierte, wie er dem twang zu neuem schwung verhalf, wie er dem jazz beine machte, wie er flinken fingers noten zauberte, von denen man bis zu diesem zeitpunkt noch nichts wusste. den blick abzuwenden fiel schwer. wenn da nicht john mcentire wäre, der hinter seine schiessbude werkte wie ein losgelassener. im schweißnassen hemd verließ er am ende die bühne, nachdem er zuvor für einen schub sorgte, in den sich die kollegen einreihen mussten. sein drumming hat etwas besonderes, es ist knallig und zugleich bis in die kleinste ecke ausgefeilt. die vielzahl seiner crash- und ridebecken unterstreicht diesen aspekt. nebenbei grimassierte oder sang der profilierte lauthals mit. allein das war schon eine schau. schließlich darf douglas mccombs in dieser aufreihung nicht vergessen werden. mit seinem alten fenderbass sorgte er für aufregende momente. tief aus dem hintergrund brummte sich das feiste organ in die gekonnte soundmischung. manchen läufen konnte man nur bewundern hinterher glotzen. die meisterschaft dieses mannes hätte man nur allzugern etwas mehr am bühnenrand entdecken wollen.




doch am ende war es die symbiose dieser vier, die zu einem unwahrscheinlichen erlebnis führte. einem hohelied der livekunst, da die schwungvolle fahrt von zeitlosen melodien begleitet, da unbarmherzige wucht von kunstfertigkeit gebremst wurde, da die leidenschaft die pole verrückte. was auf den alben brillant klingt, erfährt in der umsetzung auf der bühne eine steigerung durch den kraftvollen aufgalopp, das wiegelied im gitarren forcierten schritt und durch den vergnüglichen trab, den die band schließlich einging, um ihrem begeisterten publikum dank zu sagen. das aber gelang ihnen allein schon mit der auswahl der lieder. wenngleich die setlist denen zurückliegender konzerte glich, war sie doch mehr als nur ein hoffieren der eigenen karriere. sie ergänzte die promotion des aktuellen albums "runner" (grün markiert) - immerhin tauchten sieben tracks daraus auf - um songs aus dem ersten, selbstbetitelten album ("jacking the ball"), aus dem hervorragenden zweiten album "nassau" ("parasol" wurde in der zugabe viel umjubelt begrüßt), aus dem 95er "the biz" ("leeora"), aus dem tollen 97er album "the fawn" ("the argument"), aus einem meiner lieblingswerke "everybody" (2007, "middlenight", "crossing line", "exact to me") und dem 08er "car alarm" ("weekend", "the staircase", "window sills"). schließlich ergänzt um "an echo in", dem verweis auf die "glass" ep aus dem jahr 2003.
zwei zugaben vergönnten uns die drei. und danach machten auch wir uns glücklich grinsend auf die rückreise. highlights wie das steil forcierte "on and on" oder das flagellante "new patterns" lange noch im ohr.
setlist: the invitations / on and on / harps / a mere / jacking the ball / weekend / staircase / middlenight / window sills / pacific / crossing line / exact to me / new patterns / the argument / an echo in / leeora // the runner / parasol // ?

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