Dienstag, Mai 29, 2012

konzert: orange blossom special 16, teil 2

wer am spätnachmittag ins rund des glitterhouse garten spähte, erblickte eine wache besucherschar. neugier und vorfreude kleidete sie. entspannte unterhaltungen, individuelle vorbereitungsmaßnahmen. mit getränken eindecken oder den wollenen flies über die wiese ausbreiten, die sonnenbrille am strahlenden stern ausrichten, der freundin einen glückskeks aufschmatzen. die kamera in position bringen. unter dem zeichen des ausgeschlafenen esels erfolgte die obligatorische begrüßung durch rembert stiewe und reinhard holstein, die alsbald den puls erhöhte. los sollte es wieder gehen. drei tage musik, festival pur, an den ruhigen gestaden der weser. ihr knick unter dem zeltplatz symbolisiert, dass sich die zeiten ändern können und doch manches bleibt, wie man es zu kennen gewohnt ist. gut so!

alamo race track hieß der opener und konnte von all jenen gekannt werden, die vor einigen jahren mit "black cat john brown" infiziert wurden, einem mehr als formidablen indiehit. mit ihrer dritten scheibe "unicorn loves deer" tourten sie auch breit durch deutsche lande. die musik der holländern richtet sich dabei vor allem am frontmann ralph mulder aus. der in zwirn gekleidete gab auch in beverungen den ton an, nicht ohne sich mit seinen vier begleitern abzustimmen. denn der weiche americana- rock sound zehrt von der schmiegsamen bedingungslosigkeit der gesamten mannschaft. zwar zwingt vor allem die leicht irr klingende, angegangene stimme mulders zur aufmerksamkeit, doch erst die slide und/oder die windverfegte e-gitarre und das am rumpeln von blechdosen im sturm trainierte schlagwerk sowie ein in form haltender bass sorgen für einen sound, der an mutters märchenstunde erinnert, an glückliche zeiten in warmen betten, kurz nach dem schälchen pudding, vor dem eindämmern. die sonne fing noch einige unschuldige und brannte ihnen rot in den nacken, während sie gedankenverloren dem zahmen und doch wunderschönen set des introspektiven fünfers folgten. der hüpfende auftaktsong "lindyhop" trommelte in den sog des orange blossom special 16, "the moon rides high" löffelte alsbald aus dem honigtopf und punktete vor allem mit seinem herrlich unter die haut gehenden chorus. mit "b.c.j.b." lobten die holländer auch ihren toptitel für den glitterhouse garten als geeignet aus. die vielfach anwesenden schunkelten, manch grinsen zeichnete bereits seligkeit aus. foran ging es mit dem stampfenden "shake off the leaves", dem die bläser abgingen, das aber durch harmoniegesang aufgefangen wurde und so dem albumtrack in nichts nachstand.

ohne große geste, ohne besonderes entgegenkommen riss mulder die zuhörer auf seine seite. es ist die art der persönlichen ergriffenheit, es ist das wesen, das unvertraut nähe buchstabiert. wenn er singt, legt sich die nasenspitze auf das mikro, so dicht muss er ran, um sich seiner zu befleissigen. er schirmt sich nicht ab und wirkt dennoch unnahbar. seine gesichtszüge sind die eines unnahbaren, eines verwunschenen, der sacht auftaucht aus den düsternissen, den die welt hoffnungsfroh erwartet. die verschlafenen augen des sängers lugten nur selten unter den fast dauerhaft verschlossenen lidern hervor, doch der bewegungsfreude des frontmanns tat dies keinen abbruch. er stolperte durch das mit teppich ausgelegte bühnengeviert und erkundete manche ecke. in die trance seiner musik gefallen entwickelte mulder zunehmende leidenschaft. manchem track bekam dies gut, explosive enden inklusive. "unicorn loves deer" beispielsweise lief der trägheit locker den rang ab, die flinke rhythmik, die nach stabiler seitenlage rufende gitarre, die jugendliche melodie! alamo race track boten einen sich nicht schöner auszudenkenden auftakt, verheißungsvoll verhalten, subtil elegant und formvollendet musiziert.
setlist: lindyhop / apples / the moon rides high / records / black cat john brown / shake off the leaves / motorman and owls / the northern territory / hypnotised / unicorn loves deer / breaker breaker 1 - 2 / the open sea

alamo race track - the moon rides high

deutlich gedämpfter ging es zumindest teilweise in folge bei der band um christian kjellvander zu. dem sanften schweden. und doch ließ der es auch krachen, dann rockte das quartett, und der blonde haute in die saiten seiner kleinen wanderklampfe, dass man um die nutzbarkeit der selben fürchten musste. doch der übergang war immer wieder jäh, leisetöniges auf dem fuße. kjellvander hat alles, um publikumsnähe zu erzwingen, die blinzelnden augen, das schmachtende organ, den gestus des getroffenen und doch unbeugsamen. meist schloss er die augen hinter den großen brillengläsern und hauchte seine poeme wie weissagungen ins mikrofon. im widerstreit mit dem gloriosen wetter, dem aufgeheiterten publikum stand der nordeuropäische musiker. doch es ging gut. dank des umtriebigen drummers, der erden und beflügeln konnte, der seinem instrument zu rechten zeit beine machte und doch seinem meister zu gehör stand. dank eines bassers (der zugleich das keyboard bediente), der mittler war zwischen den rhythmischen ausfällen des sängers zu seiner linken und den melodischen ausflügen des gitarristen zu seiner rechten. jener grüßte in kleidung und auftreten längst vergessene jahrzehnte, und ward nicht nur optisch eine schau. seine soli spielte er weit vorn über gebeugt und gewann damit aufgrund seines gesamtpakets "kunden um kunden". in der gesamtheit des auftritts der kjellvander truppe lag eine bewegende kraft, die von einsamkeit, von nöten, von der natur des menschens genauso viel zu erzählen wusste wie von verbrüderung, von gemeinsankeit, von formen der solidarität.

aus dem kabäuschen seiner intimität, seiner gnadenlos forschenden zurückgezogenheit heraustretend ließ kjellvander anteil nehmen und bezeugte die festen verbindungstaue zwischen künstler und publikum. das set lehnte sich vor allem am letzten album "the rough and rynge" an, aus dem fast 2/3 der songs gespielt wurden, holte sich aber auch unterstützung vom 2007er "i saw her from here, i saw her from here" und vom 2002er "songs from a two room chapel". highlights waren für mich das countryeske "oregon coast", in dem der schwede locker in konkurrenz mit amerikanischen größen gehen konnte, im schlurfigen gang durch den herzwärmenden song, einträglichkeit und harmonie, und auch "transatlantic", sinnbild für zurückgeworfenheit, für die blässe unserer existenz, dessen vortrag an magie kaum zu übertreffen war. wie kjellvanders stimme nachschimmerte in der lauen intonation und ihrer kooperation mit den filigranen tönen aus der sanft bedienten gitarre: "and one can get addicted to this pace / sometimes it seems like it's all about getting away / i'm transatlantic".
setlist: long distance runner / bad hurtn / slow walk in the country / homeward rolling soldier / transatlantic / oh death / portugal / oregon coast / when the morning comes / poppies and peonies / paige / two souls

christian kjellvander - bad hurtn

demnächst geht es hier mit dem dritten teil weiter.

2 Kommentare:

Oliver Peel hat gesagt…

Ach herrlich hier solch euphorische Kommentare zu meinen Lieblingen von Alamo Race Track zu lesen!

E. hat gesagt…

na gerne, zumal ich sie endlich live sehen konnte! die liebe ist ja an sich schon älter...