Samstag, Juli 17, 2010

interview: the artificial sea

manch einer wirft ihr zu viel pathos vor. ich sage, es ist die russische seele, die der urkainerin alina simone diese unbestechlichkeit verleiht. ein tief verborgener see aus leid und leidenschaft nährt die teure wesenheit. unsere abgerundeten und auf norm geeichten gefühlslandschaften taugen als vergleichende grundlage nicht. für the artificial sea muss sich alina keine neuen kleider überwerfen, gemeinsam mit kevin c. smith geht sie einen ähnlichen weg. vielmehr kann sie noch befreiter auftreten, nimmt ihr der sidepart doch die aufgabe des musik machens ab. die rollenverteilung bei the artificial sea ist also eindeutig. zum neuen album "unwritten" befragten wir kevin via email nach den uns wichtigsten stichpunkten.

klienicum: kevin, bitte erzähl uns etwas über die beziehung zwischen alina und dir! wann, wo, wie seid ihr zusammen gekommen, wie entstand die freundschaftliche beziehung?
kevin: wir trafen uns bei einer theremin stunde, die ich alina gab. ich musste mich kräftig anstrengen, um ihr alles schnell genug zeigen zu können. dabei bin ich selbst alles andere als ein geübter theremin spieler. wir sprachen dann aber auch über die musik, die wir jeweils machten und alina war fasziniert von dem, woran ich arbeitete und wollte es auch hören. wir verabredeten, dass wir ihren gesang aufnehmen würden, wenn ich genügend von dem material zusammen hätte, das alina so mochte. insgesamt waren wir wohl lediglich zehnmal in ein und demselben raum beisammen.

klienicum: zwischen dem ersten album "city island" und dem neuen werk "unwritten" liegen vier jahre. wir wissen, dass alina viele neue songs schrieb, aber noch kein label gefunden hat, dass ihr neues solowerk veröffentlicht. was hast du in dieser zeit getan? erzähl uns doch etwas über deine musikalische karriere!
kevin: ich veröffentlichte ein album unter dem moniker bureau of nonstandards, bei welchem ich ausschließlich mit instrumenten auf der basis des circuit bendings arbeitete, während mein freund maurice alles live am laptop mixte. es ist eine art abstraktes, ambientes, glitchy electronic album geworden (einiges davon schleicht sich von zeit zu zeit auch bei the artificial sea ein). schließlich habe ich noch für andere bands die aufnahmen und das mixing übernommen, war an einigen kollaborationen und remixen beteiligt. alina und ich trugen zudem ein paar cover zu kompilations bei.
klienicum: welches ist der größte unterschied zwischen den beiden alben von the artificial sea?
kevin: ich denke, dass sich das erste album zu sehr auf die programmierung oder auf das sampling und die loops verließ, während das neue vornehmlich durch das reale spielen von instrumenten (allesamt durch kevin, der autor) bestimmt war. so höre ich denn das aktuelle album persönlicher und direkter im ergebnis. ich würde es als organischer charakterisieren. aber das ist meine ganz persönliche einschätzung.
klienicum: kannst du etwas zum albumtitel sagen und was "unwritten" hier für dich bedeutet?
kevin: ehrlich gesagt hatte ich keinen titel für das album. als ich dann das coverbild fand und den künstler um erlaubnis bat, es verwenden zu dürfen, sagte dieser mir, dass es "unwritten" heißen würde. ich dachte, dies wäre auch ein guter titel für das album. ich denke, dass es wörtlich "leere" oder "tabula rasa" meint, aber ich dachte auch, dass es einige interessante konnotationen in bezug auf musik und schreiben und autorenschaft beinhaltet, insbesondere im zeitalter von filesharing und sampling. lohnt es sich noch musik zu schreiben? interessiert es irgendwen? wem gehört musik? usw.
klienicum: du nutzt eine menge elektronischen instrumentariums. ist dies ein weg für dich oder DER weg, um die klänge zu kreieren, nach denen du suchst? steckt hinter deiner arbeit eine ästhetische idee?
kevin: ich schreibe und nehme musik zunächst nur für mich auf, elektronische instrumente sind dabei nur eine der verschiedenen optionen, die mir zur verfügung stehen. ich bin vor allem an einer mischung aus eben jenen elektronischen gerätschaften mit elektrischen und akustischen instrumenten interessiert - inklusive der zuhilfenahme von cicuit bent instrumenten oder stark überarbeiteten klängen oder auch zufälligen samples - und dem nebeneinander, das sie kreieren. zudem möchte ich es vermeiden, dass die instrumentierung eines liedes, dem eines anderen gleicht (ich fürchte, ich langweile mich sonst schnell), aber zugleich möchte ich, dass das album wie gebunden, wie aus einem stück klingt. und selbst wenn ich elektronische werkzeuge benutze, arbeite ich daran, dass sie warm und organisch klingen.
klienicum: ich höre "unwritten" auf seine weise luftig und unbelastet. welches sind die wichtigsten impulse für dich, das zu tun, was du tust, nämlich musik zu machen?
kevin: kurz und knapp, um ein gefühl oder eine stimmung zu erfassen, nehme ich an. als ich noch in bands spielte, dominierte eine andere stimmung aus dem jeweiligen umfeld heraus. aber wenn ich für mich aufnehme, mache ich musik die wesentlich gedeckter und leiser ist. ich versuche auch nur elemente zu addieren, die der song wirklich braucht und einige der aktuellen lieder schienen bereits beendet, so wie sie noch frisch waren, auch wenn sie sich etwas spärlich anfühlten.
klienicum: kannst du uns einen kleinen einblick in die lyriks, alinas arbeit geben?
kevin: alina schreibt die lyriks völlig allein. ich leiste keinen beitrag hierzu, aber ich bin immer wieder begeistert, wie gut die worte mit der musik koalieren. ich kann zwar ein kleiner kritiker sein, wenn musiker etwas zu meinen songs beitragen, denn ich bin nun mal selbst einer, aber (und ich bin kein sänger oder gar schreiber) ich lasse alina ihre aufgabe machen und ich bin stets zufrieden mit den resultaten.
klienicum: welche aktuelle musik hörst du gern?
kevin: zuletzt mochte ich neon indian sehr, einiges von ghost box records, the xx und das neue tindersticks album.
klienicum: welches sind deine favorisierten songs?
kevin: von unseren songs liebe ich "kaleidoscope" am meisten. er klingt wirklich hervorragend und hier kam alles so leicht zusammen, so dass er wahrscheinlich das beste beispiel für unseren sound ist. bezüglich liedern von anderen musikern muss ich passen, es würde eine viel zu lange auflistung werden.
klienicum: abschließende frage. wo können die leser Eure musik, das neue album erwerben?
kevin: die cd verkaufen wir direkt über unsere webseite, als mp3 über itunes.
klienicum: vielen dank, kevin, dass du dir die zeit genommen hast.

wie wir das neue album beurteilen, erfahrt Ihr in kürze.
the artificial sea - kaleidoscope

2 Kommentare:

Oliver Peel hat gesagt…

Intelligent nachgefragt und aufschlußreiche Antworten zu Tage gebracht, bravo, Eike! Weiter so!

Nur, daß Kevin Neon Indian mag, wundert mich. Die fand ich beim Konzert in Paris 2009 ziemlich scheußlich.

E. hat gesagt…

hat spaß gemacht mit kevin. sehr unkompliziert und entgegenkommend.
neon indian passen doch ganz prima in sein zum teil sehr avantgardistisches portfolio, oliver. hör dir nur mal diese circuit bent geschichten an.
leider hatte alina nicht auf meine anfragen reagiert, da wäre sicher noch ein paar spannende einsichten möglich gewesen.