Sonntag, November 07, 2010

konzert: archie bronson outfit, 05.11.10

die allabendliche metamorphose im atomic café zu münchen an konzertabenden habe ich mehrfach beschrieben. besonders auffällig ist die publikumswelle angesichts von bands, die weniger bekannt resp. etabliert sind. dann ist anfangs die füllung im rund recht übersichtlich und steigert sich aber immens im verlauf des abends hin zur nacht. ab mitte des sets der hauptband ist die hütte gerammelt voll. denn dann ist auch spätestens jenes volk angetreten, das den club als discoplattform sucht und alsbald nutzen wird. dass die in der regel wenig mit den livekapellen anfangen können, liegt nicht unbedingt auf der hand, hat aber entsprechenden charakter, wenn sich hier folkacts wie ein john vanderslice ansagen. an diesem abend aber rocken alle. vielleicht fanden sich so auch ein paar neue fans für das archie bronson outfit. denn begeistert haben sie nicht nur jene, die genau für dieses spektakel aufgelaufen sind, sondern alle anderen ebenso.
doch beginnen muss mit ich the victorian english gentlemens club. der von mir noch mit seinem selbstbetitelten debut geschmähte dreier aus cardiff, damals zu kakaophonisch, despektierlich, gekünstelt, legte im atomic ausgesprochen erwachsen und engagiert vor. sicher bleibt dieser minimalistische postpunk eine polarisierende standpauke, aber diese ließ ich mir allzu gerne um die ohren hauen. das artifizielle moment wog sich wunderbar im exakten beat, angeleint an den erfrischenden basslines und schlichtweg erhebend im chor mit dem sich überschlagenden gesang von adam taylor.

dem blonden frontmann hingen nicht nur immer wieder die zotteln ins gesicht, auch die vertrackten und sperrigen harmonien verlangten korrekturen. nicht im sinne von ausgleich, sondern um der unwilligen anlage der songs zu folgen. das ist spannend und hat hohen unterhaltungswert. da brauchte es weder die verkleidung (erinnerte ungemein an tschechische märchenfiguren nebst puppe am bühnenrand), noch den stoss- und überraschenderweise ausgepumpten nebel. aus dieser suppe erhob sich aber ein rasanter, zuweilen knalliger, aber jederzeit gebundener, lebendiger sound. daran hatten auch die beiden sideparts ihren erheblichen anteil.

bassistin louise mason grub ihren backgroundgesang tief in die eingeweide mancher melodiekurve, drummer james griffiths sorgte für einen vitalen puls und hatte ebenfalls einige gesangliche schlenker auf lager. gemeinsam intonierten sie so zum beispiel ein publikumsverliebtes "bored in belgium", das gerade und vor allem von den stimmleistungen des trios lebt. meinen persönlichen höhepunkt hatte ich angesichts eines fesselnden "parrot", angerichtet mit einer attitüde rauen austiegs, die sich immer wieder neu schält, um giftge passagen via sich verschleissender e-guitar, saftiger drumbeats und entfesseltem bass zu entlassen. überzeugend und dabei sehr sympathisch: the victorian english gentlemens club.
setlist: ghosts / foxes / parrot / bored in belgium / mx imagination/ ambulance/ ban the gin / the venereal game
kommen wir zum hauptact, dem archie bronson outfit. angesagt hatten sie sich bereits für das frühjahr, um ihr drittes album "coconut" zu promoten. doch leider wurde die tour abgesagt. der nachholtermin lag ein halbes jahr später alles andere als günstig. die kurze begeisterung, die der domino records release hinterließ, hielt eben nicht bis zu diesen tagen. der spezielle sound, den das londoner trio kreiert, ist nicht jedermanns sache und zieht weniger volk als vielleicht zu erwarten war. und was sich auf scheibe allerdings noch recht sittsam geriert, wird live aufgepumpt und krachig ans publikum weitergereicht. dabei ist das noise argument nur eines, das für eine fetzige umsetzung spricht.

das klanggebilde ist so ausgereift und rund, so dicht und auf seine weise magisch, dass man sich ihm nur durch flucht entziehen kann. alle anderen sind elektrisiert von der wucht, der manie, der hypnose, in den einen die mischung aus highlife, spacerock, disco, electro und funkigem punk versetzt. während mark cleveland die drums einer beständigen knüppelei aussetzt, er drangsaliert gekonnt, in raumgreifender manier und atemberaubender geschwindigkeit, traktiert dorian hobday in steter abwechslung bass oder e-gitarre, um ihnen eine aushebelnde line oder verdrehte, angespitzte, wetzende sounds zu entlocken. in der mitte allerdings postierte frontmann und sänger sam windett, der mit angekickter stimme und einigen sensationellen soli für auftrieb und zugleich für lenkung sorgte. leider war sein mikro etwas leise abgemischt, so dass der gesang in der ansonsten ausgewiesen erstklassig abgestimmten klanglandschaft etwas unterging.

für jene zeichnete vor allem der vierte im bunde verantwortlich: an den keyboards und den effektgeräten stand und tanzte kristian robinson. der baumlange kerl, wie seine kollegen in lange überhänge gewandet, hibbelte barfuss hinter seinem übersichtlichen aufbau und ergänzte das trio ein ums andere mal mit abgefahrenen einsätzen. so blies die truppe waghalsig und aufregend einen bluesbasierten, punkinspirierten und von allen modernen und aktuellen stilen angefixten mix ins immer mehr in bewegung geratende auditorium. das set war natürlich zuvorderst durchdrungen von den songs der aktuellen scheibe. dabei überzeugten u.a. "magnetic warrior" mit seiner spacebefeuerten und beatgesteuerten sowie stiffeligen gitarrenfahrten unterlegten atmosphäre, leicht ins hypnotische überschlagend und live wirklich atemberaubend. oder "wild strawberries", das die truppe zu etwas mehr speed aufrief und sich zwischen die anwesenden schob wie der dichte nebel, nach und nach besitzergreifend, spätestens beim refrain hatte es jeden gepackt. laut, gierig, aufmerksamkeitsheischend und entwaffnend. "shark's tooth" ist nicht nur auf dem album "coconut" eine der herausragenden nummern, auch in der bühnenumsetzung packte er aufgrund der einnehmenden melodie und der packenden rhythmik. berücksichtigung fanden schließlich auch die vorgängerwerke, "fur" mit "butterflies" und das hervorragende "derdang derdang" mit immerhin drei tracks. "hoola", der vielleicht überragendste song, erscheint zwar auf der setlist nicht, ich meine ihn aber gehört zu haben. so entließ uns die band am ende aufgewühlt und mit leichter hörschädigung in die nacht, nachdem sie zwei zugaben auf eine mobilisierende wie emotionalisierende vorstellung setzte.
setlist: one up on yourself / magnetic warrior / kink / cherry lips / wild strawberries / butterflies / bite it and believe it / shark's tooth / dead funny / chunk / dart for my sweetheart / harnesss (blisss)
the victorian english gentlemens club - parrot
archie bronson outfit - shark's tooth

4 Kommentare:

Tom hat gesagt…

Oh, ich bin tatsächlich ein wenig neidisch! Denn allein wegen der Songzeile "Make my parrot talk" finde ich den VEGC sehenswert :)

Und Archie Bronson Outfit ist ne Band, wo ich zwei Platten hab, die ich zwar selten anhöre (weil sie auch kaum einem Mithörer gefallen), aber wenn, dann freu ich mich immer.

Schönes Review!

E. hat gesagt…

ja, beide lohnten auf jeden fall. wobei der hauptact auch der hauptact war. ist ja nicht immer so.

teller knete hat gesagt…

Ein Konzert, bei dem ich auch gern zugegen gewesen wäre. Auch wenn der Gentlemans Club gerade auch von der tollen ersten Platte einige Highlights ausgelassen hat (Such a Chore!, The Tales of Hermit Mark).

Schön, dass es ein so energetischer Abend geworden ist, wie das Line-Up versprach.

Kleine Ergänzung: laut Setlist war DerDang DerDang mit vier Titeln vertreten. Ein Album, das ich immer wieder mal gerne auflege, ob seiner schwitzigen Atmosphäre.

E. hat gesagt…

danke für den hinweis, dennis. stelle immer wieder fest, wie zeitaufwändig das berichte schreiben ist. erst recht, wenn man albenzugehörigkeit usw. nachrecherchieren muss. da geht schon mal ein titel verloren...
"derdang derdang" habe ich zum zeitpunkt der veröffentlichung auch als etwas attraktiv neues wahrgenommen. ich hatte es aber lange nicht in der hand.