Freitag, Februar 07, 2014

konzert: deer tick, 05.02.14


wenn man sich an einem abend, an dem sowohl mogwai als auch adam green in der stadt sind, also eine der wirklich angesagtesten postrockkapellen des planeten und der wohl am jugendlichsten dreinblickenden bartträger des erdenrunds und seines zeichens the moldy peaches mitglied, wenn man sich an so einem abend für deer tick entscheidet, muss man wohl als nonkonformistisch gelten. muss man? nein, muss man nicht. denn mit deer tick betritt eine band die szenerie, die nicht leichtfertig in konkurrenz zu oben genannten kalibern gestellt wird. bereits mit "war elephant" hatte die truppe um den charismatischen wie auch immer etwas zu behende wirkenden sänger john mccauley einen exzellenten release aufs tableau gebracht, der ungesteuerten countryrock enthielt, ungeschlacht und reduziert, mit erstaunlichen songs und mit einer stimme vorgetragen, die tote zum leben erwecken könnte. das debütalbum erschien einst (2007) auf jana hunters label feow! records, das es mittlerweile nicht mehr gibt, wurde aber neuerlich (2008) vom darauf hin geenterten partisan records aufgelegt. dort erschienen zudem in loser reihenfolge die alben "born on flag day" (2009), "the black dirt sessions" (2010) und "divine providence" (2011). garniert von den eps "more fuel for the fire" (2009) und "tim" (2012) , abgerundet schließlich vom aktuellen album "negativity" (sept. 2013).

deer tick hatten zwar zu ihrer gründungszeit  keine wirklich lücke besetzt, kümmerten sich aber abseits von zum beispiel o'death oder the felice brothers um das mehrfach geschliffene, das vielfach erprobte, um das auf sich geworfene, um das heulen des verwaisten und doch emsig widerstehenden. stets das gefühl hinterlassend, dass bei aller rauheit und ausgelassenheit kein zwang zur wirkung besteht, dafür aber zur kontrolle und zu einer schrittweise maßgenommenen perfektion. sollte man sich solch eine band entgehen lassen wollen? mitnichten.


was die fünf mannen im münchner ampere schließlich abfeuerten, ließ nicht nur keine wünsche übrig, sondern forderte respekt ein und ließ selbst die protagonisten ob all der positiven reaktionen aus dem auditorium immer wieder breit grinsend zurück. damit hatten sie wohl im biederen münchen, das sie erstmals besuchten, nicht gerechnet. johlen, pfeifen, beifall, textsicherheit zuweilen. nun, da war der ausgesprochen jugendlich wirkende bassist christopher dale ryan, der einen so wuchtig pulsierenden lauf aufbot, dass sich das magengewölbe neu formierte. dabei waren christophers ausführungen mit schwung und einer ungewöhnlichen eleganz versehen. stets im blickkontakt mit seinem rhythmuskollegen hinter der schießbude, ließ sich der die vier saiten bedienende nicht das wasser abgraben und kreierte ein ums andere mal etwas überraschendes. da nicht in konkurrenz, sondern beileibe (im wahrsten sinne des wortes) zugewandt und aufeinander angewiesen, ließ auch der schlagzeuger dennis ryan nichts unversucht, um den beat zu einer vollmundigen verstärkung werden zu lassen. sein spiel war fein austariert. bei aller energie, die er abzugeben wusste, achtete er auf softe elemente, die weder garnierten noch abrundeten, die vielmehr beständiges bestandteil seiner kunst waren. hier die wirbel, dort das tickern, immer wieder ein leicht vertracktes spiel, anzüglichkeiten, die sich, wenn man genauer hinsah, auf seinen tattoos fortsetzen. links von ryan tauchte an diesem abend der keyboarder rob crowell leider etwas ab. was vor allem daran lag, dass sein instrument zu leise war. selten nur hörte man in ausreichender lautstärke den reigen seiner möglichkeiten. wenn, dann schillerte vor allem die hammondorgel durch und versetzte der differenzierten musik einen zusätzlichen kick. doch so wie crowell etwas im abseits platziert war, so wurde an diesem abend wohl auch seine rolle definiert. sehr schade. in der front, deutlich präsenter also, der gitarrist ian o'neill. mit seinem wuschelkopf und in ein jacket gewandet schon auffällig genug, gefiel er dennoch umso mehr mit dem, was er auf seinem instrument zu leisten in der lage war. drall verpassend, akzente setzend oder aber auch teamspieler zu sein, der möglichkeiten waren viele gegeben, alle wurde ausgenutzt, alle rollen ausgefüllt. das dunkelrote gerät, alles andere als ein effektvolles accessoire, wirkte wie eine andauernde jugendkur: belebend, vitalisierend, ermunternd.


alle blicke aber zog die macaulay culkin- jürgen vogel- mischung auf sich, die auf den namen john mccauley hört. der frontmann, sänger und songschreiber von deer tick hat schon eine besondere art des entertainments. seien es die vernuschelten ansprachen, das bier von der bühne mit dem mund anzuheben, die flasche vorher mit den zähnen öffnend, seien es die rockstargesten (siehe suhlen auf dem bühnenboden, besteigen des schlagzeugs, erotik vorgebend an der bierflasche nuckeln usw.). am ende obsiegte der typ, der die vielzahl großartiger songs geschrieben hat. der versonnen seinen worten nachschaute, der tief versunken im gitarrenspiel nie mehr zu erreichen schien. dann glücklicherweise wieder auftauchte, um dem rock 'n' roll einen schrecken einzujagen. mccauley, mit seinem kurz geschnittenen, streng gescheitelten blondschopf, der nachlässigen kleidung und dem strikten leuchten im mund aus goldbezahnung und widerspenstigen lücken, funktioniert als magnet so gut wie ein jonglierender affe, der die primzahlen herunterbetet, nur dass es beim kerl aus providence weniger aufhebens bedarfs. allein sein grinsen ist anziehend. immer zwischen anmut und keckheit changierend, wickelte er das publikum um den kleinen finger. viel häufiger benutzte er ab diesen, um sein abgearbeitetes brett zu bedienen, aus dem die melodien entfleuchten, genauso wie es soli entließ, die honorige qualität besitzen. die setlist ließ kaum wünsche übrig, bot sie neben den eigenen werk auch buddy holly und neil young cover auf. wer sucht, der wird finden.
mit "the rock" gibt es einen echten opener. der startet sacht und leisetreterisch und nimmt gewaltig fahrt auf. was auf platte halsbrecherisch nah am poprock entlang schlittert, ist live eine hardrockige wohltat. da stört auch die saxophoneinlage nicht. ein weiteres highlight: "the dreams in the ditch", schmissig und mit gewaltiger bandpower vorgetragen. die melodie trägt und die burschen sangen in harmonie. wie sie sich eh das mikrofon übergaben, als sei es ein staffelstab. vom frontmann zum gitarristen zum drummer und wieder zurück. allen dreien darf man ein organ attestieren, das zur ehre gereicht. wie der auftritt. wie das publikum. wie das ampere.
setlist: the rock / the dreams in the ditch / baltimore blues no.1 / oh boy / let's go all to the bar / mr. sticks / twenty miles / trash / thyme / don't cry no tears / just friends / the curtain / born at zero / miss k / these old shoes 



im vorprogramm im übrigen erstaunte die junge samantha crain mit guten songs und einer grandiosen, wandlungsfähigen stimme. darf man im auge behalten.

Keine Kommentare: