Samstag, Februar 13, 2010

first aid kit – the big black and the blue (2010)

gar lieblich und in eintracht. und dennoch ungeschlacht, mutwillig und ohne zaudern. ein auftritt, wie er frank und freier kaum sein könnte. in ein blasses klangbild gestellt, polieren die beiden schweden mädels mächtig auf. kaum ein gällen, wenig nassforsches, dagegen flächige, ungeschaukelte präsenz. identitätsstiftend ohne zweifel, raus aus dem schatten ihrer selbst. weg vom wunderimage, hin zu stabilität und konstanz. beeindruckend über das gesamte album hinweg. egal, welche saite sie anschlagen. die hoola-hook-country marke am revers funktioniert genauso gut wie das geniesserische schlurfen auf folksohlen. die variablität und die gleichzeitige stringenz im auftritt sind aufmerker und wohltat zugleich. in den besten momenten erinnern sie an die stolze alela diane, in den guten an folkschwestern aus den siebzigern. und doch trügen alle verweise. first aid kit haben eine eigene klang- und bildsprache gefunden. in diese lässt sich ein popappeal vortrefflich integrieren, „hard believer“ scheut nicht vor dem hochreigen im refrain und überhaupt, es kreist geniesserisch der „waltz for richard“, der erzählung von „heavy storm“ folgt man aufmerksam, sie ist so kultiviert untermalt, die schüttere note von „ghost town“ fokussiert, der tugendhafte country stomp von „josefine“, ach, trägt bis zum schmelz von"wills of the river". klara und johanna söderberg, die früh geförderten, und bereits jung zu ehren gekommenen, lange genug wurde kolportiert, dass sie 16 und 19 jahre alt seien, mittlerweile müssten beide ein jahr drauf gelegt haben, lassen keinen zweifel an integrität und authenzität. auch wenn sie um die großen themen wissen wollen, auch wenn ihnen zu allem etwas weises in den sinn kommt. die jugend ist so weit. sie tauscht sich in großem stile aus und erhält dafür gleichwertiges zurück. was man daraus macht, ist heute die kunst. anders als bspw. tuò, die wir hier vor kurzem vorgestellt hatten, wagen die aus einem stockholmer vorort stammenden söderbergs den soundtechnisch gezielteren sprung.
am ende bleibt dennoch die überlegung nach einem am reißbrett entworfenen album. es bedient diese forderung und jene erwartung und wird irgendwie allen gerecht. vielleicht die eine, einzige schwäche. der eine wollte hiervon mehr, der andere davon. und plötzlich ist die zufriedenheit nur ein produkt des gleichmuts. gewinnend das paar, keine frage, dem besonderen sind sie nun aber abhold. dennoch: etwas besseres konnte ihnen nicht passieren. nun können sie durchstarten. die hausaufgaben sind gemacht, das handwerk gelingt. zu sacht, zu smart noch, zu wenig originär. als wären die plätzchen ausgestochen, aber noch nicht aus der entstandenen form genommen. nur die abbilder im teig sind zu erkennen. jetzt gilt es an profil zu gewinnen. the big black and the blue erschien auf wichita recordings.
first aid kityou’re not coming home tonight

5 Kommentare:

orange hat gesagt…

So, nun sind First Aid Kit also auch im Klienicum zu finden; für mich ein Anlass endlich mal einen Kommentar dazu abzugeben. Ich ringe seit dem Auftauchen des Albums im Netz damit, ob ich nun eine Rezension schreibe oder nicht. Aber da ich meiner Maxime treu bleiben möchte, nur über Musik zu schreiben, die mir auch persönlich gut gefällt, habe ich mich dagegen entschieden.

Ich finde The Big Black And The Blue ist eines der schwächsten folk releases dieses jungen jahres - ohne meine Meinung zur Allgemeinheit erheben zu wollen, da es ja durchweg, und nun auch hier, sehr positive reviews bekommt. Aber was sich mit der Vorgänger-EP schon angedeutet hat, wird auf dem full length leider fortgeführt. Die EP bestach durch ihren für mich überaus lächerlichen Versuch, eigenständig zu klingen, dabei hatte ich bei jeder Note das Gefühl, dass es sich tatsächlich um die jungen und unerfahrenen Musikerinnen handelt, die First Aid Kit auch tatsächlich sind...langweiliges Dahingebrösel ohne jeder Spur von Ernsthaftigkeit und folk flair. Kindisch geradezu, ich hätte mir nie denken könne, dass eine in meinen Augen so unterdurchschnittliche EP einen solchen Erfolg begründen könnte – abseits vom Musikalischen gönne ich den beiden Schwestern jedoch ihren Erfolgszug, das möchte ich auch gesagt haben.

orange hat gesagt…

Nach der EP ist dann irgendwann das Hard Believer Video aufgetaucht und ich hatte Hoffnung, dass die starke Steigerung im Songwriting auf ein großartiges Album schließen lässt, denn der Sound und das Gesamtbild des Liedes passten einfach – abgesehen von den immer noch reichlich lachhaften und junggeistigen Texten. Wie dem auch sei, ich sah der VÖ des genannten Vollzeit-Rundlings wohlwollend entgegen – bis er dann tatsächlich auftauchte.

Ich habe mich in der Zwischenzeit dreimal gezwungen, das gesamte Werk durchzuhören, ohne Unterbrechung, jedes Mal erneut getrieben von der Überlegung, dass es doch wenigstens irgendetwas geben müsse, was das Album auszeichnet und was der Grund für die vielen Lobeshymnen ist – aber Fehlanzeige. Es war mir eine Qual, und zwar bei jedem einzelnen Hörversuch, nicht sofort wieder abzubrechen. Noch nie habe ich so unehrliche Musik gehört, und dass soll nicht heißen, dass uns die schwedischen Schwestern belügen möchten, das soll nur heißen, dass ich keine Spur von Gefühl, von musikalischem Getriebensein, von Ehrlichkeit in den Liedern spüren kann. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass der primäre Antrieb der war, schnellstmöglich ein Album nachzuschieben, nachdem die EP doch recht gut angekommen war. Alles wirkt steril, jedoch nicht im Sinne vom sterilen Mastering, sondern steril im Sinne von distanziert zu den Musikerinnen selbst. Jedes mal, wenn ich eines der Lieder höre, kommt mir das gleiche Bild in den Kopf, wie die zwei Mädchen dort sitzen, ein bissen an Melodien rumfeilen und sich Phrasen überlegen, die sie dann ihre Lyrics nennen – gänzliche ohne Verbindung zu dem was folk ausmachen sollte – Ehrlichkeit, Man-selbst-sein. So komisch es klingt, dieses Album ist für mich ein Reiten auf einer Erfolgswelle, koste es, was es wolle – und was es kostet ist die Glaubhaftigkeit, die ich dieser Band mit diesem Album vollkommen abspreche.

Aber ich möchte auch nicht falsch verstanden werden, ich weiß, dass es schwierig ist, Musik und Texte zu schreiben, aber dann bevorzuge ich jedoch noch immer den ehrlich Typ, der sich seiner Schwächen bewusst ist, als denjenigen, der mir vorgaukeln will, erhaben zu sein. The Big Black And The Blue ist und bleibt für mich ein pubertärer Versuch, im Folk mitzumischen. Am besten, die beiden lassen das Musizieren noch für eine Weile und sammeln Erfahrung und Inspiration, um dann ins Musikleben zurückzukehren. Fantasie, ich weiß, gerade jetzt wo ihre Karriere angefangen hat – aber meines Erachtens die bittere Realität.

Ich hoffe dieser Kommentar wird nicht als purer flame oder hate eingestuft, ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit meiner Meinung auf weiter Flur allein und gegen eine ungeheure Flut von Anhimmlern und Befürwortern dastehe – aber ich vertraue darauf, dass jeder auch mir meine Meinung zugesteht, wie ich jedem zugestehe The Big Black And The Blue auf seine Endjahres-Bestenliste zu setzen – einen Schatten wirft sowohl das eine, als auch das andere.

In diesem Sinne vielen Dank für das schön geschrieben Review, auch wenn ich deine Meinung dieses Mal nicht teilen kann.
-orange

E. hat gesagt…

danke für deinen ausführlichen kommentar. eine stellungnahme, die ich sehr gut nachvollziehen kann. ich hatte gehofft, dass meine ambivalenz zum album etwas durchschimmern möge. denn so weit auseinander sind wir nicht. das sterile und etwas zu gläserne fielen mir ebenso auf, wie ich die ahnung formulierte, dass konstruiert wurde, was erwartet werden konnte. dennoch kann ich handwerklich nur wenig monieren. und das halte ich den beiden zugute. darauf aufzubauen allerdings, halte ich nun für notwendig, um wirklich vorwärts zu kommen. eine benotung habe ich mich zudem gezielt entzogen.

orange hat gesagt…

Ja, du hast recht, ich habe schon erkannt, dass auch du das Reißbrettartige kritisiert hast, jedoch erschien es mir das etwas zu zurückhaltend. Und wo ich dir auch recht geben muss, ist das handwerkliche Können der beiden. Daran habe ich auch nichst auszusetzen. Beide wissen schon, wie man singt und wie sie ihre Instrumente zu spielen haben - aber technisches Know-How ist ja bekanntlich nicht alles.
-orange

E. hat gesagt…

die zurückhaltung ergibt sich daraus, dass ich first aid kit keinen vorwurf machen kann, was den schönklang betrifft. die songs sind rund, samten arrangiert. aber ich will da auch gar nicht drauf rumreiten, zumal ich deine einwände, wie gesagt, gut nachvollziehen kann.