Freitag, Dezember 18, 2009

interview: the ballet

als ich the ballet auf dem candy club fest traf, wurde mir recht schnell klar, hier passen mensch und musik zusammen, hier kann man zwei identische schablonen übereinander legen und durch das eingestanzte loch lugen. der blick ist frei. worauf? nun, auf sympathische und sehr freundliche zeitgenossen, auf ein neues album, "bear life", und damit auch auf eine menge offener fragen. die hat mir greg, seines zeichens sänger der new yorker band aufs freundlichste via email beantwortet. den humor und sprachwitz, den der bursche an den tag legte, werde ich wohl kaum adäquat übersetzen haben. aber ich habs versucht. zudem liess ich einiges unberührt, im original. viel spaß! und: "bear life" kaufen!

das klienicum: greg, kannst du uns zunächst etwas über die bandmitglieder erzählen? wir kennen zwar ihre namen, wissen aber ansonsten recht wenig über sie.
greg: ich komme aus new york, craig stammt aus miami und marina aus madrid. wir sind alle schwul/lesbisch. wir lieben klatsch, trinken tee und sprechen über bücher und filme. wir sind nerds!
das klienicum: wie seid Ihr zusammen gekommen? seit wann spielt Ihr gemeinsam?
greg: craig und ich trafen uns an einer weiterführenden schule. abgesehen davon, dass wir bei the ballet waren, schrieben wir essays und arbeiteten gemeinsam an akademischen projekten. zudem waren wir in einer weiteren band, the mean corner, bevor wir the the ballet ins leben riefen, mit dabei ein kunstgeschichte student. marina trafen wir bei einer geburtstagsparty für linton (von aisler's set) und wir dachten, dass marina sehr charmant ist und es spaß machen würde, mit ihr in einer band zu arbeiten. denn grundsätzlich finde ich, dass es besser ist mit freunden zu spielen als mit professionellen musikern.
das klienicum: geht Ihr arbeiten? was macht Ihr so tagsüber?
greg: ich habe mein soziologie studium abgeschlossen und suche derzeit einen job als universitätprofessor. craig ist gerade dabei, sein studium zu beenden (ebenfalls in soziologie), und marina kehrte gerade wieder in die schule zurück, sie beschäftigt sich mit maschinenbau und computer programmierung. wie ich sagte, wir sind nerds.
das klienicum: eine bekannte möchte gern wissen, ob Ihr noch zuhause wohnt (weil Ihr noch so jung seid, meint sie).
greg: keiner von uns lebt noch bei den eltern. ich denke, es ist häufiger in europa anzutreffen, dass junge leute nach beendigung des studiums noch zuhause wohnen. und: wir sind nicht mehr wirklich jung!
das klienicum: jeden tag kann man etwas lesen über eine neue band, neue künstler aus brooklyn. seht Ihr, erfahrt Ihr das auch so? warum kommen so viele gute bands aus dieser gegend? liegt es an den verschiedenen kulturellen einflüssen? was meint Ihr?
greg: ich denke, dass new york schon immer ein magnet für kulturelle aktivitäten war, aber im zeitalter von internet kann neue, interessante, innovative musik überall gemacht werden und sich schnell ausbreiten. die idee einer brooklyner musikszene ist wohl etwas, das von journalisten und der musikindustrie geschaffen wurde, um den eindruck einer art von kultureller besonderheit zu schaffen. es ist nur ein weg, um etwas zu verstehen, um es wichtig erscheinen zu lassen und um es zu verpacken und an die welt zu verkaufen. niemand spricht zum beispiel von they might be giants als einer brooklyner band, aber sie waren in williamsburg, lange bevor all die anderen bands auftauchten. und: jeder geht nach new york! wenn deine band zehn jahre lang in omaha lebt und nun nach brooklyn zieht, seid ihr dann eine brooklyner band? das macht doch keinen sinn.
das klienicum: kannst du behaupten, dass the ballet ein lebendiger teil der brooklyner musikszene ist? habt Ihr viele kontakte zu anderen musikern und bands?
greg: the ballet wurde übrigens bereits eine brooklyner band genannt, als ich noch in manhattan lebte! nun, haben wir viele kontakte? ich weß nicht. je mehr man spielt, desto mehr leute lernt man kennen. es ist zwar wahr, dass es viel leichter ist, mit menschen vor ort zu arbeiten. aber wir haben viele musikerfreunde auf der ganzen welt. würde ich in barcelona leben, wäre vielleicht guille milkyway auf dem album.
das klienicum: kann sich eine band wie Eure mit so einer besonderen musik einen gewichtigen platz in der brooklyner szene erarbeiten? ist es schwer, sich dort durchzusetzen?
greg: ich weiß nicht, wo wir in diese idee einer brooklyner musikszene hineinpassen sollten. aber ich denke, wir haben einen platz in der new yorker d.i.y./schwulen/lesben und indiepop szene. sollte mal jemand in der new york times einen artikel über den "new york queer indiepop" schreiben, wird diese szene vielleicht zu einer realen angelegenheit und die menschen werden beginnen, mit diesem etikett umzugehen, bands darauf fest zu machen, und plattenlabel werden ihre praktikanten losschicken, um die neuesten ungesignten bands einzufangen.
das klienicum: wir können kaki king und auch scott matthew auf Eurem neuen album hören. kennt Ihr die beiden schon länger? konnten sie schnell für Euer projekt gewonnen werden?
greg: kaki ist eine alte freundin marinas und scott trafen wir im januar in münchen durch thomas lechner, der queerbeat betreibt, und natürlich während der candy club jubiläums party. ich denke, kaki und scott sind beide so unglaublich talentiert und ich fragte sie einfach, ob sie auf unserem neuen album tätig sein wollten und sie sagten "ja" und kamen ins studio.
das klienicum: Eure musik lebt von diesen unschlagbaren, eingängigen melodien und einem kompakten design, was die arrangements betrifft. kurz und knackig. ist es das, was du kreieren möchtest, wenn du dabei bist musik zu schreiben? ist es eine art konzept?
greg: ja, eingängige melodien sind sehr wichtig für mich. es liegt etwas magisches in einer catchy melodie. und etwas kraftvolles. ich bin überrascht, dass nicht mehr musiker von der macht einer eingängigen melodie verführt werden. solcherart prägnanz finde ich auch im allgemeinen wichtig, und sie ist, glaube ich, auch für unsere art musik gut. "I will find a song catchy for 3 minutes, but if it goes on for 5 minutes, it can become annoying. A song should leave you wanting more."
zudem interessieren mich noch andere dinge sehr. ich möchte wissen, was die leute zum tanzen bringt. ich möchte einen killer tanzsong schreiben, mit dem gewissen etwas! ich möchte einen song für ein kleines orchester schreiben, mit einem leicht barocken einschlag. ich möchte etwas mit so einem motown feeling schreiben. ich bin an allen facetten der popmusik interessiert. deshalb bin ich auch fan von guille milkyway. er versteht die 'bubblegum music' einer jeden dekade.
das klienicum: welchen namen gebt Ihr selbst Eurer musik? electropop?
greg: electropop! ja, das album ist sehr electropop. aber es gibt auch andere sachen darauf. ich würde indiepop dazu sagen. "Instruments come and go, but DIY is forever... or until you run out of money, whichever comes first."
das klienicum: was denkt Ihr, ist der größte unterschied von "bear life" zum ersten album "mattachine!"? ich vermisse die geigen! und ich denke, dass das neue album etwas lieblicher geworden ist. die melodien sind aufs erste nicht ganz so eindringlich, aber sie setzen sich bald fest. und klar, der sound ist etwas breiter.
greg: "Sorry about the strings! I will give you some strings on the next album, I promise." ich habe der veredelung dieser songs, mehr als jenen auf "mattachine!, zeit gegeben. ich habe auch dem umstand mehr aufmerksamkeit geschenkt, wie die einzelnen songs auf dem album zusammenpassen sollten, lyrisch, strukturell, inhaltlich und stilistisch. meine lieblingsalben haben so tiefe klangschichten, dass du meinst, deine zähne hineinschlagen zu können. eine solche tiefe habe ich versucht, auch unserem album zu verleihen. ich hoffe, dass das album die hörer überrascht und über jahre hinweg interessiert.
das klienicum: als wir uns in münchen trafen, sprachen wir über die d.i.y. philosophie. sie ist auch in deutschland ein durchaus populäres konzept. seht Ihr the ballet als ein d.i.y. projekt? und wie sieht das in der umsetzung aus? vor allem in bezug auf das neue album? und: ist es eine bedeutende idee oder nur eine art zwang, weil es schwierig ist, die industrie für kleine bands zu begeistern?
greg: es ist eine bedeutende idee und ich wünschte mehr bands würden d.i.y. praktizieren, nicht aus praktischen, sondern aus ideologischen gründen. aber klar: es ist hart. es ist schwer, geld zu verdienen und anerkennung für seine arbeit zu bekommen. manchmal wünschte ich auch, dass unser album in größeren publikationen erwähnung finden würde. ich will ernst genommen werden. aber d.i.y. ist eben auch sehr lohnend. wir treffen viele menschen, so wie dich, allein durch mundpropaganda. ich geniesse sehr diese intimität. und überhaupt, was ist so großartig daran, 10000 oder 100000 fans zu haben? warum soll das besser sein als nur 100? ich bevorzuge qualität gegenüber quantität.
es hilft mir natürlich auch, dass ich eine zweite karriere habe, ich muss von der musik nicht mein leben bestreiten.
das klienicum: ist es richtig zu behaupten, dass du mehr ideen hast, als du tatsächlich umsetzen kannst, weil dir die mittel dazu fehlen?
greg: meinst du, dass, wenn wir ein größeres produktionsbudget hätten, wir mehr mit unserem sound hätten machen können? wahrscheinlich nicht viel mehr. klar, ich würde gern ein orchester mieten, und ja, ich würde mehr geld und zeit in das mischen des albums investieren, aber der unterschied würde nicht sehr groß sein. mit einem computer kann man schon eine menge machen.
das klienicum: ist es richtig, wenn ich behaupte, "tenure tracks" (steht auf dem albumcover) ist keine reale record company?
greg: doch, es ist eine, mit einem album: "bear life"! was soll ich sagen? wir sind sehr wählerisch!
das klienicum: welches sind Eure musikalischen einflüsse? und seht Ihr Euch in einer linie mit bands wie the hidden cameras und the magnetic fields? ist die gender diskussion auch eure diskussion? schließlich: wie soll man den song "i'm going through a personal transformation" verstehen?
greg: stephin merritt ist ein großer einfluss, aber es gibt viele andere einflüsse darüber hinaus. so bin ich, wie ich bereits erwähnte, ein großer fan des spanischen musikers guille milkyway und seiner imaginären band la casa azul. und ja, auch the hidden cameras mag ich sehr. generell glaube ich, bin ich mehr von bestimmten songs als von musikern beeinflusst.
"i'm going through a personal transformation" ist ein bewusst zweideutiger text. man kann ihn, so hoffe ich, auf verschiedene weise verstehen. ich mag geschichten über persönliche neuerfindung, und ich dachte, scott wäre für diesen song perfekt. wenn er singt "i'm going through a personal transformation", glaube ich ihm. "When I sing the song, I don't believe myself. I sound like I'm fooling myself, which is also evocative, but not what I wanted for the album. I sound like I'm fooling myself, which is also evocative, but not what I wanted for the album."
in bezug auf die geschlechter diskussion versuche ich texte zu schreiben, die raum für interpretation lassen. ich möchte aber auch ein wenig, auf sanfte weise, necken und herausfinden: mann oder frau. allerdings sollen sich in den lyrics auch menschen mit den verschiedensten geschlechtlichen ausdrucksformen wiederfinden.
das klienicum: in deinen texten lässt sich fast ausschließlich bzw. sehr häufig das thema "beziehungen" finden. richtig?
greg: ja, ich schreibe viel über beziehungen, ich bin soziologe!
das klienicum: kannst du schon etwas über die ersten raktionen auf "bear life" sagen?
greg: hmmmm... ich weiß nicht. ich glaube, die leute sind noch am aufsaugen.
das klienicum: und abschließend, was sind die wichtigsten, vielleicht auch sichtbarsten veränderungen seit obama die geschicke des landes führt?
greg: "This is a tough question. We elect politicians and we want to think of them as leaders, especially the better ones, but from the perspective of an enormous network of laws, bureaucracy, economic markets, military and non-governmental organizations, leaders are not very significant, except insofar as they help to legitimate the political system. This might seem like a cynical perspective, but it's one that I find truthful. Probably not the type of answer you were looking for..."
das klienicum: welches sind Eure all time favoriten und welche alben beeindruckten im laufenden jahr?
greg: "Of all time: El Sonido Efervescente de La Casa Azul (La Casa Azul), Wasps' Nests (The 6ths), Get Lost (The Magnetic Fields), Lincoln (They Might Be Giants), George Best (The Wedding Present), And Then Along Comes The Association (The Association), The Life Pursuit (Belle & Sebastian), The Queen is Dead (The Smiths), Emperor Tomato Ketchup (Stereolab) This year: The Pains of Being Pure at Heart and, I'm embarrassed to admit: that Owl City album. It's total junk food, but there is a place for it in my life."
das klienicum: thank you so much, greg!

the ballet - the house on fire (2009)
the ballet - i hate the war (2006)
the ballet - in my head (2006)

7 Kommentare:

peter hat gesagt…

Gut gemacht, Eike!

Ich habe es heute früh E. vorgelesen, die krank im Bett lag.
Gott sei Dank, kam sie nicht auf den Gedanken das Album bestellen zu wollen, dann wäre meine Weihnachtsgeschenk hin gewesen.

Das Album liegt ungehört und versiegelt im Schrank, freue mich schon es kommende Woche hören zu können.

P.

E. hat gesagt…

wäre natürlich noch ein bißchen neugierig auf e.'s meinung. vielleicht, wenn sie wieder auf dem damm ist. sie hat sicher ein paar kritische anmerkungen parat. danke fürs feedback und rufe ihr bitte ein herzliches "wohl auf" zu!

Oliver Peel hat gesagt…

Prima, Eike! Intelligente Fragen und interessante Antworten, so muß das sein.

Liest sich sehr flüssig. Aber wie funktioniert solch ein Online Interview? Wartest Du erst ab, bis dir die Antwort zugeschickt wird, um mit der nächsten Frage an das voher Erwähnte anzuschließen?

E. hat gesagt…

es ist rein spekulativ und damit schnell fürs verderben hergerichtet. denn die fragen versende ich im katalog und hoffe auf eine genehme beantwortung.
es liegt viel am gegenüber, ob solch eine befragung gelingt.
da ich mich mit der frage nach der 'brooklyner musikszene" schon früh ins abseits bugsiert hatte, konnte ich also nur noch auf eine rechtschaffene und wohlwollende fortführung gregs bauen. er tat mir den gefallen. hätte auch schief gehen können.
hätten wir uns gegenüber gesessen, wäre das interview sicher anders verlaufen.

Oliver Peel hat gesagt…

Habe auch schon die Feststellung gemacht, daß Fragen nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene in Interviews nichts sehr wohlwollend aufgenommen werden. Kaum eine Band möchte sich wohl einer Szene zuordnen, obwohl es die in Brooklyn doch unzweifelhaft gibt. Ich erinnere mich, daß ich Alina Simone auch danach gefragt hatte...

Ein Online Interview habe ich selbst noch nicht geführt, ich vermute, daß man oft spekuliert und gewisse Antworten antizipiert.

In den Live Interviews war es bisher immer so, daß ich (bzw. wir, Christoph und ich) mich auf die Musiker eingestellt habe. Merkte ich, daß sie keinen Bock auf die Beantwortung einer bestimmten Frage hatten, bin ich zu etwas anderem übergegangen und wenn ich merkte, daß ein Thema interessiert,habe ich versucht, am Ball zu bleiben und weiter zu bohren.

teller knete hat gesagt…

Sehr schönes Interview, Eike.
Das Insistieren auf die "Brooklyner-Szene" hatte mich zuerst etwas gewundert (und es für eine gehörige Portion Chuzpe gehalten), Dein Hinweis auf das Online-Interview erklärt das aber natürlich.
Schön, dass die Band sich so viel Zeit genommen hat.

E. hat gesagt…

danke,dennis.
mir war schon ganz übel, als ich gregs abrupte antwort auf die brooklyn frage las. und später heilfroh, dass er gelassenheit an den tag legte. "chuzpe" ist natürlich das richtige wort, hätte man tatsächlich unbeirrt nachgehakt.