photo by david visnjic
weniger täuschungen. das verruchte ist wirklich, der staub nicht gestohlen. und wenn die winde asche treiben, dann ist es die von echten leichen und nicht von billigem altpapier. dabei erwartet man wohl zu unrecht immer wieder nur staffage, wenn von wien und seinen wienern die rede ist. haben wir da nicht richtig hingesehen, haben wir da nicht richtig hingehört? hundesalons, langstielige zigarettenhalter, glubschäugige millionäre, ausrangierte rolls royce, tünnef, wohin man sieht. nur die arbeiterklasse, die schläft nie. revolte unterm nagelbett. es brennt. allerorten. akademiker gehen auf bälle, links unten regt sich was, die polente stürmt und es braucht nur eines, musik dazu!
wer, wenn nicht florian tremmel, wäre prädestiniert genug, um mehr als nur untermalung zu liefern. mit dot dash am puls der ruchlosen zeit, mit totally wired records unabhängig genug und mit dem transformer in richtung kapital hacken schlagend. florian tremmel aka gran. vier buchstaben zum symbol. noch kein wort zwar, und zum ausruf fehlte die zweite silbe, doch ein ausgangspunkt zu mehr.
gehobelter trash, der wie einst urin von den wänden in aller selbstverständlichkeit aus den boxen rinnt. plattenbauromantik neben altbaukonsequenz. ausgehebelt wird das diktat, die propaganda. die agitation zielt einzig auf das eigene überleben ab. dass nebenher auch andere luft zum atmen haben, ist ein nebenprodukt, ein okayes. aus versatzstücken entsteht etwas eigenes, das collagieren selbst ist ergebnis genug. wave, punk, rock 'n' roll kreuzen sich mit pop.
hohlhölzern stampft der beat, der bass wummert schwiegermutternbrav, die e-gitarre steuert rechterdings und aus den megafonen drillt die stimmkaskade. irgendwo wird ein poti gedreht, damit die störgeräusche widerstand verursachen können. verwurstung galore. in der "city of ghosts" finden sich betriebsame samples.
formenwerk sprache. ausbalanciert, akzentuiert, enerviert. noiseinfiltrate. bindeglieder, perkussiver und elektroakustischer natur in schleife.
gemustertes videospieltönen, figuren in eigenregie. "oh boy". lustvoll dresche beziehen, endlich beatmusik auf diesem sender, "brain freeze" offeriert gebremste offensive achtziger jahre dekadenz. es grassiert die diversität. tönendes ereignis. das bunte ist hier weniger zurschaustellung von enthemmnis als bezeugung einer kunst zum tun. ausdrucksvielfalt in lofi. wer sich ängstigt, wird an die hand genommen. wer an die hand genommen wurde, greift nun fester zu. wer fester zugreift, hat alles im griff.
wir haben nicht richtig hingesehen, wir haben nicht richtig hingehört. wien ruft uns an. in jeder silbe steckt parteinahme, in jedem ton eine berechtigte erinnerung.
gran hatte zuvor bereits eine ten inch auf den markt gebracht, mit "chair" legt er sein debütalbum vor. es erschien am 27. mai. auf totally wired records. logo.
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