Dienstag, April 19, 2016

neue töne (1616): micro pop week 2016, teil 2 (rückschau)


an unserem zweiten, dem aber leider schon letzten tag der micro pop week starteten wir am spätnachmittag mit der treffend brandnester benannten labelmesse und besuchten die leider übersichtlich angehäuften klein- und kleinstunternehmen. wir ließen uns bei latenz in die geschichte des labels hineinziehen und waren begeistert ob der aufwändigen releases, wir frischten die kontakte zu stencil trash und jellyfant schallplatten auf, erfreuten uns an dem noch jungen, aber bereits reichlich verehrten label ana ott und kamen hie und da ins schwatzen und meinungen austauschen. parallel liefen workshops, podiumsdiskussionen und auch kleinere auftritte, die herzlich vom publikum quittiert wurden. unter anderem trat karyn ellis auf, aber auch der junge würzburger wild mustang, der mit seiner etwas ungelenken art, wenngleich mehr als einträglichen performance alle umstehenden schwer begeisterte (foto oben). die zugaben, die unentwegt gefordert wurden, waren keineswegs eine höflichkeitsattacke auf den peinlich berührten künstler, sondern reine annerkennung seines tuns.


dem nachmittag folgte der abend mit gleich vier bands auf dem programm. zunächst standen dc schneider auf der bühne. die truppe um die beiden schwestern joana und leonie, die zwischenzeitlich von münchen nach den haag umgezogen sind, offerierte sich aufgestockt um drei weitere dc's, nämlich dc trijntje noske (drums), dc afra eisma (synthesizer) und dc grace jao (guitar). so erhielt das bislang stets etwas wackelige (und so unwahrscheinlich charmante) musikalische konzept eine stabilität, von der die wunderbaren songs der beiden songwriterinnen deutlich profitierten. die rhyhtmusfraktion aus elektrobass und schlagzeug gab klare impulse in richtung tempo und schrittmass, zugleich erhielt joana, die ein e-piano bediente gesangliche unterstützung aus dem hintergrund, wo trijntje routiniert die felle bearbeitete. was zudem an handwerklicher versiertheit einzug erhalten hatte, war vor einigen jahren noch undenkbar. das publikum war begeistert und freute sich noch mehr, als ihnen mit "wicked game" ein ganz vertrauter song in gänzlich neuem kleid entgegen brandete. die mädels haben in allen belangen positiv überrascht.

mit den aberrations stand eine kurze weile später eine düsseldorfer institution auf dem plan, die ein sehr engagiertes set ablieferte, das wir aber leider nur von außen verfolgen konnten, weil dringend die später antretende band kala brisella interviewt werden musste. die begeisterung im zahlreich vorhandenen publikum ließ jedoch ablesen, welchen stellenwert die truppe in düsseldorf hat.


den bleibendsten eindruck am abschlussabend hinterlassen sicherlich die drei berliner von kala brisella. kürzlich erst umbenannt, nachdem eine münchner band gleichen namens auf sie aufmerksam wurde, und doch beim alten leisten geblieben: einer brisanten noiserock-, postpunk- mischung, die sich so hervorragend mit den unprätentiösen deutschsprachigen texten des frontmanns jochen haker verträgt. der sorgt mit schneidenden gitarreneinwürfen für eine würze, die ansonsten einen steten furor aus knüppeldicken rhythmussalven unterbricht. wie überhaupt der auftritt energiegeladen (atomar!) ist und von einer leidenschaft getrieben wird, die man am ganzen körper zu spüren bekommt. der bumms ist gewaltig, mit dem dieses kompakte bündel aus bassstress und schießbudenfeuer nebst straffer e-gitarren-komponente über die bühne ins rund geworfen wird. die noch frisch zusammenwirkende truppe reisst ein ganz neues kapitel deutschen, vielleicht auch eher hauptstädtischen musikschaffens auf. die genreuntreue, das komplexe aus dem einfachen stampfende, der mut und die treue zu wirkungstreffern summieren sich zu einem abbild erregenden schaffens.

besonders beeindruckend fand ich die hohe konzentration, mit der die drei musiker ihren jeweiligen part verfolgten und zugleich in ständiger aufmerksamkeit und anspannung zu den jeweiligen bandkollegen standen. anja müller am schlagzeug, die das instrument erst kurze zeit in ihr repertoire aufgenommen hat, unterlegte ihr kraftvolles wie diffiziles spiel mit unverhohlen theatralischem mimenspiel, das nicht zuletzt kontaktaufnahme bedeutete und bebilderung des spiels von dennis deter, der dem bass den letzten blutstropfen abverlangte und dabei dicke lines zog, aber auch flinkes bei-spiel zelebrieren konnte, und jochen haker schließlich, der mit einer stimme singt, die durch mark und bein geht.




den letzten part des abends übernahm golden disko ship. die hinter dem projekt steckende berliner künstlerin setzte vor allem visuell noch einmal einen oben drauf. ihre imposanten kompositionen, die sie via laptop und e-gitarre erzeugte und mittels gesang begleitete, unterstrich sie mit an die wand geworfenen filmen, deren unmittelbarkeit ausgezeichnet zur abwechslungsreichen, mal eher ambient-elektronischen, dann wieder deutlich rockigeren musik passten. trotz der späten stunden fasste sie das publikum und entlockte den anwesenden wahre begeisterung. dass sie einer geforderten zugabe widersprach, passte zu ihrer inszenierung, die von strenge und durchdachtheit erzählte. tausend dank an sie!
das war ein wenig von mir für Euch von der diesjährigen micro pop week. ich bin garantiert nächstes jahr wieder dabei, was ich Euch nur dringend empfehlen kann. in diesem sinne!

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