man sollte einige tage ins land gehen lassen, um sich an der erinnerung zu laben. denn das wirklich bleibende rückt erst später nach. und doch möchte man festhalten, was zu entgleiten droht, momente, augenblicke, in denen sehnsüchte, wünsche und träume ganz einfach nur in musik kulminieren.
der musikalische einstieg in die achtzehnte ausgabe des orange blossom festivals begann mit der kanadischen band rah rah, die sich des jobs opener zu sein, durchaus gewahr war. denn von der ersten sekunde an machte sie keinen hehl daraus, dem publikum in erinnerung bleiben zu wollen. vorangetrieben vom schlagwerkenden jeffrey romanyk, beheizt vom deepen bass joel passmores, akzentuiert von erin passmores keyboardschleifen und den liebes- pfeilscharfen spitzen aus der e-gitarre von marshall burns, sang sich zunächt kristina hedlund in den vordergrund, die alsbald doch zu violinenschwung aufgerufen war und an die kollegin übergab.
nicht zuletzt kreiste die truppe in sich und wechselte die vocalparts bis hin zu strebsamen harmoniegesängen. manchem zögerlichen start folgte der enthusiastische ausbruch. die powerpop beseelte truppe offerierte sich als liveerprobt und stets auf den punkt. die harmonientreue verfing sich flott im aufmerksamen und so früh auch zahlreich angetretenen publikum. da gab es einiges zu bestaunen, und seien es zunächst nur die enthusiastischen mädels, die immer wieder für reizpunkte sorgten, sei es durch die freundliche, offene art, sei es durch die kontrapunkte, die sie dank ihrer instrumentenwahl setzen durften, sei es durch die inspirierende kraft, die von ihnen ausging.
da waren ihre kollegen deutlich bedeckter, jedoch nicht weniger konzentriert auf die aufgabe sattsamer unterhaltung. nicht zu vergessen, dass der etwas verdriesslich dreinschauende frontmann marshall über eine ausnehmend starke stimme verfügt und diese mit impulsivität einsetzte. insbesondere bei ruhigeren nummern eine zugmaschine der besondere art. ansonsten pulsierte kräftig die energetische wucht, nie ohne der einträglichen melodie tribut zu zollen. "prairie girl" ist wahrlich ein gutes beispiel, um die erstaunlich gepaarte feinsinnigkeit mit juveniler power zu illustrieren, die rah rah auszeichnen. im laufe des konzerts ließen diese silbrige ballons aufsteigen, die den bandnamen zumindest zur hälfte darzustellen wussten und jedermann auf dem festival bescheid gaben: wir sind mittendrin. toller auftakt!
nicht unähnlich in der bandzusammensetzung trat der nachfolgende fünfer an. lingby stammen aus köln und hatten in den schwestern judith und carmen heß schnell für blickfänge gesorgt. nicht zuletzt, weil beide mit ihren schwerelosen gesängen für die formgebung verantwortung trugen. die mazerierten ränder ihrer ausgeklügelten popfinesse wollten ausgeglichen sein. am e-piano und den keyboards bzw. am elektroverfeiner sorgten die damen darüber hinaus für akzentfetzen. die grundstruktur gaben die männlichen kollegen vor. willi dück stand im vordergrund und hatte sich die rhythmusgitarre umgeschnallt und konnte unschwer als leadsänger identifiertiert werden. seine sämige stimmte legte sich über die fein ausgeloteten melodien wie staub einträglich auf einen flusenteppich. in der vereinigung mit den stimmen der damen entstand ein dichter reigen der seligkeit.
zu willis linken griff maik vleurinck in die basssaiten, unauffällig, aber beständig setzte er seine arbeit über das gesamte set fort. kraftvoll unterstützt vom mann im hintergrund. denn die drums wurden von dennis jüngel bewacht, der sich nicht auf rocksteifes spiel verlassen konnte. erwartet wurde songindividualisierte perkussion, die er stets rückzumelden in der lage war. die beim zuhörer ankommende soundcollage, zu der sich immer wieder auch hörner gesellten, hatte schon etwas artifizielles, ohne jedoch aufgesetzt zu wirken. in sich geschlossen brodelte eine versteckte kraft, deren ungebremstes entfachen gezügelt werden konnte. vielleicht liegt hierin die faszination dieser band. mit einer leichtigkeit wird schlichtheit vorgetäuscht, die jedoch konzentrierten und ausgeklügelten musizierens entspringt und eine enorme potenz zur grundlage hat. reife und ausgeklügelte arrangements wurden auch live zum markenzeichen dieser jungen deutschen truppe. von den anwesenden zuschauern, die mittlerweile fast das gesamte arreal ausfüllten, wurden sie mit hochachtung und mehr als freundlichem beifall bedacht.
die uhren bewegten sich langsam auf 21 uhr zu, der freitag wollte in aller gediegenheit in den feierabend gehen. nur einer hatte etwas dagegen, die reverend shine snake oil co. aus dänemark. während sich also die sonne so langsam aus dem staub machte, wirbelten die vier aus kopenhagen selbigen erst einmal ordentlich auf. denn was die band da anzettelte, war wahrlich großes kino. ihre melange aus blues und soul, aus folk und gospel, durchsetzt mit rocksteady und behelfen an jazz und swing war einzigartig, vor allem rau und ungeschliffen, war angreifend und irr, war aufregend und in jeder sekunde tanzbodentauglich.
wer sich nicht im stampfenden rhythmus des einem irrwisch gleich arbeitenden drummers bewegte, tanzte, wer nicht den kopf vor angezettelter aufregung schüttelte, stierte unverhohlen auf den nach wenigen minuten bereits komplett durchnässten sänger. denn claudius pratt bot eine show der aufgewiegelten art. mit seiner brettharten und raufasrigen stimme packte er den zuschauern zunächst beim kragen, zog ihn dann ganz dicht zu sich heran, so dass man die glitzernden perlen auf seiner stirn nicht nur erkennen, sondern auch die sich darin wiegenden bäume widerspiegeln sehen konnte, um ihn dann mit haut und haar zu verspeisen. alles tanzte! knaller wie etwa "your savior" konnten niemanden unberührt lassen. mit seinem stiffeligen beat, der schneidigen mundharmonika, dem dribbelnden bass, den auslassungen und abgefederten pausen machte er nun einmal beine. die band funktionierte wie eine geölte maschine. der rothaarige schlagwerker, matthias klein mit namen, war nicht nur hochbezopft, auch hochbegabt. seine ausgewogenheit, sein variantenreiches spiel gierte nach mehr. nicht weniger mit kunst befleissigt erschien der basser martin ollivierre, der oft geschlossenen auges dem ansteckenden puls der schweisstreibenden musik den eigenen groove verpasste.
mit moses gunn schloss der kreis des quartetts. der gitarrist spielte eine gewichtige rolle, wenn es darum ging melodienfäden zu spinnen oder mittels schraffierungen ganz eigene polemik einzuführen. wenn am ende aber vor allem dieser charismatische sänger in erinnerung bleibt, wäre es kein wunder. wie claudius auf das publikum zuging, es mit großem augenrollen anging, ansang, war das einfach nur ein fest. wer bis dato noch nicht den festivalflow verspürte, hatte ihn nun garantiert.
demnächst geht es hier weiter mit berichten zum restlichen freitag, zu samstag und sonntag.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen