Freitag, September 19, 2008

rose kemp - unholy majesty (2008)

das licht des neuen tages naht. das mädchen kippt ihr letztes glas milch, wischt sich mit dem ärmel des ausgeblichenen kleides über den mund. es steckt sich einen brocken brot in die tasche und steht vom tisch auf. das sackerl liegt bereit. es hievt das leinen über die schulter. schwerer wiegt das vor ihr liegende.
das haus verschwindet in ihrem rücken.

das wird nicht einfacher. hatte ich hier bereits einige vorahnungen geäußert, verstärkt sich nun die gewissheit dahingehend, dass rose kemps neues album keine leichte nummer wird. "a hand full of hurricanes" war es nicht und "unholy majesty" noch viel weniger. die junge frau erarbeitet sich ihr eigenes terrain und geht dabei über prog-, heavy- und folkrockleichen, gleichsam zerstörerisch wie sie ihre herkunft plan fährt - gefangene macht sie keine. wartet sie zunächst noch nicht mit der gesamten farbpalette ihres gesangsorgans auf und verheißen die erste töne frieden, so spürt man doch schon im ersten track "dirt glow" die unheilige allianz, die sich dem hörer entgegenschwingt.
so geradlinig und verschwurbelt, so dissonant und klar, die dialektik kempschen tuns. synthesizer, chorgesänge aus dem off, die schwere gitarrenbrut, sinniger kann kein heavykomplott geschmiedet werden. ich nehme sie dabei ernst. stampfte sie sonst über mich.
du musst klaren verstandes sein, willst du dich diesem ewigen für und wider aussetzen. das rohe moment, sträflich vernachlässigt in den folkbeseelten ersatzmomenten meiner musikalischen zuletzt- sozialisation, entstaubt die mit süßkram verstopften poren. es ist kein hinhalten, mehr ein miteinbezogen sein, wie sie, die neue königin des grunge, sich dem hörer zuwendet und in aller wandlungsfähigkeit hoffiert und freundlich affimiert und sich nicht über, sondern neben dich schwingt, um dich mitzunehmen. auf eine aufregende, herzattackierende reise.
wenn abschließend für gute neun minuten "the unholy" aufsteigt, bissig die gitarren kreisen, während rose die aufwartung macht und die düstere soundpackung erschlägt, rotiert die erinnerung an ein unaufgeräumtes album im weich geklopften schädelrund. doch rose kemp wäre nicht sie selbst, würde sie nicht den sprung von pol zu pol wagen. so grast nebem dem kriegsbewährten rappen der lichte schimmel, dessen flügel nur einen lidschlag weit entfernt sind vom aufstieg. "nature's hymn" oder "flawless" bilden den antrieb für das schwerelose gleiten. die innige hingabe, das verletzliche tun, die präsenz, die ausstrahlung, das beiwohnen dürfen. bei aller wandlungsfähigkeit, bei allem auskosten ihres stimmlichen volumens und der harten arbeit am text, schürt rose kemp nicht die theatralik, sondern ihre feuer.
der vogel des vaters beisst sich wund. die schritte des mädchens sind zu fest. die krone wirft sie ab. der tag kommt. kein blick zurück. die sonne wärmt. das mädchen breitet die arme.
Rose Kemp - Vacancies
Rose Kemp - Nanny's World

09. Okt. 2008 20:00 Popkomm Berlin
25. Okt. 2008 20:00
Rockpalast Bonn

2 Kommentare:

teller knete hat gesagt…

Eine spannende und diesem feste schwankenden Album absolut adäquate Rezension, Eike. Wagst Du Dich auch schon an Sterne? Oder braucht es dafür noch ein wenig? Hattest Du beim Hören, speziell der ersten Tracks, auch so diebischen Spaß wie ich?

E. hat gesagt…

"diebischer spaß", ja. wohlige irritation auch. ich hatte vorher einiges gelesen und war insofern schon etwas vorbereitet. bewerten kann ich wirklich noch nicht. bin gespannt, was das teil noch mit mir anstellt.