Donnerstag, April 07, 2016

konzert: scout niblett, 03.04.16


wir sitzen im frühlingsbewährten glockenbachwerkstatt- biergarten unter bebend rosa blühender kirsche und planen ein wenig vor uns hin, wie man wohl das zehnjährige der klienicum klitsche angemessen begehen könnte, da kommt recht beschwingt, einen rollkoffer hinter sich her ziehend eine dame unbestimmten alters dahergetrabt. auf den zweiten blick entpuppt sich der mensch mit deutlich kürzerem schopf als zuletzt gesehen als emma louise, als scout niblett. nach kurzem schwatz mit den örtlichen hoheiten entschwindet sie, man hört wenige minuten später einige aufgerissene gitarrensaiten und alsbald kehrt die musikerin zurück, um (nach offensichtlich absolviertem soundcheck!) im innenhof des zum glockenbachviertel zugehörigen gevierts erneut platz zu nehmen, zu rauchen, zu ratschen, zu essen und etwas zu trinken. bis zum beginn ihres konzertes werden von nun an noch ca. zwei stunden vergehen. die gelassenheit der anfang vierzigerin ist bemerkenswert. gegen acht uhr füllt sich langsam das rund, der abend wird kühler, das bier rascher getrunken, die unruhe nimmt etwas zu. wir wiegen uns in sicherheit, laufen nach essen sturm und landen schließlich vor einem sauteuren italienischen eisladen und laben uns sekunden später an mango- und schokoladensüße, die leicht den hunger sprengt.

zurückgekehrt, geht alles ganz flott. die menge verzieht sich ins innere, in diesen eigenartig geschnittenen und hitze speichernden kleinen saal der glocke, die hier ihrem namen alle ehre macht und den dunst und die kunst beisammen hält. frau niblett zögert nichts heraus, sie ist sofort und unmissverständlich in ihrer zumindest für den moment dunkel-depressiven heimat zuhause. wenngleich ein, zwei anläufe gebraucht werden, wenngleich ein, zwei songs etwas davon beschreiben, wie man in diesen teilweise traumatischen kosmos hineinfinden muss. wenngleich das publikum längst gewissheit hat, was kommt, was möglich ist an solch einem abend. das laute und das leise, das drängende und das gelassene, das hinhalten und das forsche agieren, hier das penible saitenfassen, dort das wilde rauschen, hier ein flüstern, dort ein schreien. den menschen in seiner gänze, wie er sich dort vorn fast nackt macht, kann man nicht erfassen. man erhält aber immer wieder eine ahnung davon, mit welchen dämonen sich andere plagen müssen. lass mich träumen, singt scout, und das rührt an, das ist weniger magie, als den moment erschöpfend wiedergegeben in all seiner benommenheit, in seiner nachdrücklichkeit, in seiner bitterkeit. wie eine schnitterin senst sie durchs publikum und gönnt ihm keinen frieden. die konversation aber reichert sie mit fast schon linkischen bildern (erinnert: die wüste/den wüstensound, die getragenen shirts), mit harlekinesken einlagen an, die wie unbedarfte versuche wirken, dem ins wanken geratenen raum wieder etwas stabilität zu verleihen.

die discography gibt natürlich einiges her, aber die setlist wies wiederum rätsel auf. ist bspw. "sweet solitude" = "dinosaur egg"? "gun" und "kiss" sind längst in unsere dna übergegangen, "my beloved" alltagsbegleiter. nachzulesen ist die komplette songsammlung des abends bei g. emmer, der uns obiges foto zur verfügung stellte (tausend dank!). der abgang sah scout deutlich entspannter, mitten unter ihren fans, wie sie selbstgefertigte cdrs an die frau, an den mann brachte. man wollte erleichtert durchschnaufen. wäre da nicht der heimweg, auf dem etwas von der gedankenschwere der engländerin (zumindest eine ganze weile) mitfuhr.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Toll zusammengefaßte Eindrücke von diesem Abend! Ich bedanke mich herzlich fürs Verlinken.
Viele Grüße, bis bald,
Gerhard

Gudrun hat gesagt…

Sofort stiegen meine inneren Bilder vom Erfurter Konzert wieder auf - Chapeau!

E. hat gesagt…

danke, Ihr lieben!

Oliver Peel hat gesagt…

Interessant, die Metapher von der Wueste hat Scout auch in Koeln gebracht und ihr altes Spielchen "any questions?" ebenfalls, zwischen den Liedern fallen ihr wohl nicht so viele Jokes ein. Das Koelner Konzert fand ich sehr gelungen, es war atemberaubend intim, wenngleich ebenfalls fast zu nahegehend, man fuehlte ihr inneres Ringen, ihre Aufgewuehltheit, ihren Schmerz. Sie hat sich wahnsinnig viel Muehe gegeben und letzte Reserven freigemacht, knapp 90 Minuten performte sie direkt vor dem Publikum. Heiss wie bei euch war es auch, aber das passt ja dann auch irgendwie zu der Wueste die man sich vorstellen sollte. Ein neuer Song ist mir sehr positiv aufgefallen, Titel kenne ich leider nicht. Ich freue mich auf ein neues Album von Emma. Ihre Konzerte sind immer anders und nie vorhersehbar und diese Solotour laesst ihr keinerlei Gelegenheit sich hinter harten Schlagzeugsalven mal ein wenig zu verstecken. Du hast die Atmosphaere sehr gut eingefangen, danke dafuer !

E. hat gesagt…

danke für deine eindrücke. bist du deswegen extra nach köln gefahren?