das orangehouse auf dem feierwerkgelände ist ein wirklich feiner club. das programm meist wohlgelitten, insgesamt ganz ok geschnitten - selten ist es so voll, dass man hinter einem pfeiler stehend weniger als alle anderen zu sehen bekommt - die akustik betreffend vermutlich mittelmäßig angelegt und in der regel mit freundlichem personal besetzt. man kann nichts anderes behaupten. dass sich angrenzend an diese location weitere befinden, wissen nicht nur die eingeweihten. hansa 39 heißt die eine oder kranhalle die andere, beiden liegen in spuckweite. mit dem sunny red aber bietet das vor kultur strotzende ehemalige industriegelände einen konzertraum wand an wand zum orangehouse auf. das gestrige konkurrenzprogramm aus diesem heiß glühenden laden schickte mal wieder seinen grollen beat unter die fußsohlen der orangehouse besucher - die in der regel das etwas betulichere angebot an musikwaren schätzen. die konfrontation ist unmittelbar und direkt, nicht nur, wenn man das gemeinsame klo mit den verschwitzten besucherkollegen aus dem sunny red teilt. es muss konstatiert werden, dass das tonale durcheinander zuweilen störend ist, den genuss gerade von leisen tönen zu deutlich beeinflusst. das muss sich ändern!
mit anna von hauswolff und uphill racer tischte das orangehouse am frischen freitagabend ein wirklich tolles angebot auf. hier die, und das ist durchaus wohlwollend gemeint, gehypte junge schwedische musikerin, dort der etablierte lokalmatador.
oliver lichtl ist uphill racer, uphill racer ist oliver lichtl. der etwas schwer zugängliche moniker ist letztlich aber doch eine musikalische verheißung, verspricht er neben dem experiment, neben dem wagnis auch den aufgalopp und das achtungsheischende äquivalent. auf den ersten blick das unverträgliche, auf den zweiten das symbiotisch zueinander stehende. der elektronische rahmen, im heimischen studio zusammengefrickelt, wird während des liveauftritts ergänzt um komponenten wie e-gitarre, akkordeon oder eine steel drum, die schon mal karibisches flair unterjubelt. dass die wirkung am ende eine organische, wie von natur aus freimütig gehändelte ist, macht den zauber der musik des im münchner norden lebenden ein mann projektes aus. die diversen sounds fügen sich unter dem strengen regime uphill racers zu einer liquiden masse, mit der der künstler zu spielen in der lage ist. die er mal in die eine richtung, es wird statisch, texturen, die auf einer stelle kreisen und dabei neue farbkreationen hervorrufen, mal in eine andere richtung schickt, aus der wir mit popmomenten versorgt werden. so fällt man aus dem rhythmischen taumel in ein innehalten, das vom gegenüber auf der bühne problemlos kontrolliert wird. die fäden spinnen sich von hier nach dort, und wäre der auftritt ein wenig länger, hätte man sich verbandelt und wäre eins geworden. denn, was man braucht, ist zeit. während man zunächst nur den schatten dieses musikalischen breitbandangebots betritt, echoisiertes rückt die ferne ins licht, erreicht man den glanzplatz des ausdrucks erst später. wenn man den wendungen, den gezielten verstrickungen weniger sinn als emotionale tiefe abzuringen in der lage ist. das aufgeräumte gesicht des musikers in den pausen zwischen den einzelnen liedern macht platz einer entrücktheit, einer verstiegenheit, die überzeugend zeugnis ablegt von den einsamen momenten, da man sich die note abringt, die zählt. mein highlight neben dem neblig verhangenen track "nautious" vom aktuellen album "golden anchor" war "spiral", welches bereits gut sechs jahre auf dem buckel hat. live nicht weniger beeindruckend wie auf tonträger. danke.
setlist: maven swell / night by your side / iron mimosis / when the phone rings all day / green / until / nautious spiral
das wenige, was uphill racer für seinen auftritt benötigte, war schnell geschichtet und von der bühne getragen. der zweite gitarrist der anna von hauswolff zugehörigen band breitete flink seine pedale aus und alsbald konnte es losgehen.
wer aber die pastorale tiefenwirkung des sounds vom aktuellen album "ceremony" erwartete, wurde zunächst grundlegend enttäuscht. denn was der fünfer da auf der bühne zelebrierte, geriet eher zu einer progavantgardistischen messe nebst psychedelischer einlässe, die manches mal an amon düül II und ähnliche kaliber erinnerte. erst das stimmliche entweichen der langmähnig blonden zollte tribut dem angemessenen lohn, den anna von hauswolff dieser tage einheimste für ein zweites album in ihrer musikalischen vita, die so außergewöhnlich wie einnehmend ist. orgelmachenschaften, die süffig und abgeklärt zugleich sind, die unmittelbar in den bann ziehen und doch für eine unüberwindliche distanz sorgen. gefühle, die so auf breitenwirkung angelegt sind, dass sie für den einzelnen nur eine entfernte träumerei darstellen. etwas religiöses liegt dieser musik anheim, etwas schweres, wie in molllastiger klassik, etwas weltfernes.
der einstieg in das etwa einstündige konzert war konform mit dem beginn der tracklist von "ceremony". auf das unheimlich wundersame "epitaph of theodor", das anmutig aus den registern schiebt, folgte "deathbed" mit all seiner mythischen gelassenheit. die gebundenheit, die die einzelnen songs auf tonträger haben, wird live fast brutal aufgefächert. aus dem hintergrund entmachtet ein schwergängiger beat, der sich unverhohlen in konkurrenz zur orgel stellt. die beiden gitarristen bilden eine weitere speerspitze im kampf gegen konventionellen musikgenuss und werden still und fleißig aus einer hinteren ecke gemustert, in der ein weiterer musikant synthiehaftes und elektronisch modifiziertes einfliessen lässt. bewegung kommt in die fast schon erschöpfte runde als "mountains crave" erschallt. von anna mit dem wörtchen "hit" unterstrichen, ist es ein rhythmischer wie flächig organisierter genuss. und: erstmals fährt die junge dame so richtig ihre stimme aus. ein faszinosum, eine gewalt. die klarheit, die höhe, die entfachte berührtheit. als würde man einem außergewöhnlichen naturereignis beiwohnen, breiten sich die töne in weihevoller melancholie aus. in ein schwarzes, langes kleid gewandet, greift anna später nicht mehr in die tasten ihrer orgel, sondern in die saiten ihrer akustischen gitarre. unterstrichen wird mit diesem schritt umso mehr der bandkontext, das kollektive, gewachsene ergebnis musik.
ein wenig gedrilltes verständnis herrscht zwischen den mitglieder. hervorragend wie der drummer ulrik ording stimmungen abzufedern weiß und nicht nur, wenn er ein handtuch über die trommel legt und sie mit schlegeln sacht bedient. geziemend wie sich filip leyman im hintergrund hält und doch dank fein justierter bewegungen an zigfachen reglern den sound kontrolliert. und nicht zuletzt karl vento, der wie filip bereits zwölf jahre mit anna zusammenarbeitet, wie die zuweilen redselige verriet, und joel fabiansson dürfen nicht unerwähnt bleiben. die gitarristen hatten enormen anteil an einem dichten wie fein ziselierten sound. vor allem letzterer muss hervorgehoben werden, weilt er doch erst fünf monate in dieser runde ist. dabei ergänzte er nicht nur, sondern machte auch mit einem atemberaubendem solo auf sich aufmerksam. entschweben mit "liturgy of light", griffig berührt von einem neuen lied, das sich vor allem in instrumentalen endlospassagen erging, entzückt von einem ihrer ersten songs, "harmonica", der etwas volkstümliches, heimatverliebtes in sich trägt. wenngleich wohl keines der stücke unter gefühlten fünf minuten maß, durchschritt man nur allzugern die jugendstil umrankten wege, die diese band für momente entwarf. in passagen rockistischer anwandlungen erinnerte mich die truppe auch schon mal an den düsteren doom einer rose kemp. "funeral for my future children" schloss den reigen schließlich ab. noch einmal genoss das rund fünfzig mann/frau starke auditorium den kollektiven willen. eine zugabe beendete die in ansätzen fulminante darbietung.
das bunt gemischte publikum schien an diesem abend entrückt. zweifler und enttäuschte inklusive.
setlist: epitaph of theodor / deathbed / mountains crave / noise / liturgy of light / 'nya' (neuer song) / sova / harmonica / funeral for my future children / encore: come wander with me
2 Kommentare:
Muss ich doch mal wieder uphill racer aus meinem CD-Regal suchen gehen... :)
unbedingt!
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