heute mit klienicum aus ampfing (vol. 1):
-
billy bragg - talking with the taxman about poetry
(go! discs, 1986)
ein vertrauter. ein begleiter. irgendwie auch ein behüter. ein mentor vielleicht. in meinem verhältnis zu billy bragg könnte ich viele namen zücken, die ihn trefflich beschreiben würden. negatives würde nicht dazu zählen. zu sehr habe ich mich an ihn gewöhnt, mich in seiner liebenswert limitierten stimme wiedergefunden, seinen treuherzigen, immer ehrlichen geschichten beigewohnt, seinen wandel vom rebell und verächter zum weniger schweigsamen, dennoch auf rückzug befindlichen und belehrten aufmerksam verfolgt. seine these vom "socialism of the heart" habe ich verinnerlicht, wie ich sonst kein programm gelten ließe. denn es beruht auf der erkenntnis eines irrtums, den bragg offen zugab, den er nicht verheimlichte, wie es viele seiner helden taten. für sie sang er auf der bühne des festivals des politischen liedes, für sie ließ er sich gebrauchen, war waffe im aussichtslosen kampf für das proletariat.
ob mit band oder lediglich einer gitarre plus verstärker, on stage ist bragg auf der höhe, entertainer, connoisseur, lebendiger anheizer, multiplikator für fußballweisheiten, zoten, politische dreistigkeiten, jokes. der griff zur gitarre lässt auditorien verstummen, gegenseitige lippenbekenntnisse und treue, verbundenheit bis zur hymne "a new england". dass sie sich nicht auf "talking with the taxman about poetry" befindet, ist ihr einziger makel.
das album erreichte mich als müde amiga- pressung, dem ein entscheidender song, vermutlich aufgrund von lizenzbestimmungen, fehlte: "train train", im original von the count bishops, 1976 auf chiswick veröffentlicht. an zweiter stelle platziert setzt er aufgrund seines abrupten, energischen endes einen wirkungstreffer bevor "the marriage" von hörnern eingeläutet wird:
"... love is just a moment of giving
and marriage is when we admit our parents were right
i just don't understand it
what makes our love a sin
how can it make that difference
if you and i are wearing that bloody, bloody ring
if i share my bed with you
must i also share my life
love is just a moment of giving
and marriage is when we admit our parents were right..."
mit "greetings to the new brunette" und "wishing the days away" eines der schönsten liebeslieder, die billy bragg schrieb.
ob die private gängelung oder die gesellschaftliche ungereimtheit, subtil oder offensiv, bragg prangert sie alle an: "there is a power in a union" richtete sich nicht nur an die männer in der grube, "help save the youth of america" nicht nur an die teens und twens. majakowskis worte als titel für sein zweites full length zu wählen, kam nicht von ungefähr: den gegenüber ernst nehmen.
dabei hat sich auch die musikalische sprache braggs stetig entwickelt. der einzelkämpfer wurde zum teamplayer. mit kenny craddock, kirsty maccoll und johnny marr, simon moreton und john porter wusste der londoner profis an seiner seite, die weniger untermalten, denn gewichtigen anteil an der songaussage hatten, sogar narrative funktionen übernahmen. so wie eine fußballmannschaft nicht ohne mittelfeld, abwehr oder torwart auskommt. lediglich zu stürmen, führte zu einer menge gegentore.
bragg bietet folk, protestsong, agitpop, traditional, rock. kompromisslosigkeit, mut und ehrlichkeit als alternativen. ein mann, der blank zieht, ohne sich lächerlich zu machen. ich mochte das immer.
oft habe ich mir eine direktere produktion gewünscht, da braggs stimme weniger aus dem off herüber hallt. nichts jedoch wird mir die freude an diesem album nehmen, das mir heute als weißes vinyl zur vefügung steht. passend zum protagonisten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen