Rickie Lee Jones sollte man sich nicht über Umwege näher. Zu eigenständig ist die 1954 in Chicago Geborene. Und nicht erst seit "The Sermon On Exposition Boulevard", nicht erst seit dem gelobten Vorgänger "The Evening Of My Best Day", nicht erst... Wer über die Dame referieren mag, kommt an Tom Waits nicht vorbei. Schillernd erstrahlt er als Figur, Übervater, kongenialer Partner und Musiker neben ihr. Dass sie sich dennoch nicht beweisen musste, davon zeugen bereits ihre ersten Alben. Rickie Lee Jones sollte man sich nicht über Umwege näher. Nicht über Biografie, Tom Waits oder anderen Zauber, der ausmalen möchte, was Jones ist. Sie ist ihre Musik. Sie ist jedes ihrer Worte, jede Note, die sie greint, schreit, würgt und erbricht. Und doch bietet es sich an, eine Geschichte vorauszuschicken. Sie könnte dort beginnen, wo die Kindheit fröhlich, das Leben dennoch karg war. Wo sich die Kuhherde am Morgen müde hüten, die Gitarre am Abend in der Scheune wach bedienen ließ. Der Zug des rauhen Windes blies energisch zwischen die Spanten des alten Heuschobers und verpaßte der jungen Sängerin einen unverwechselbaren Klang. Wäre er massenkompatibel, könnte man werben: Wer eine Sängerin findet, die nasaler klingt als Rickie, der bekommt sein Geld zurück. Auf ihrem neuen Album wähnt man sich, mehr noch als in der Vergangenheit, einer verschnupften Frau gegenüber. Doch klingt sie nicht vergrämt, verärgert oder müde. Im Gegenteil: wach und klar wie man sie erinnert hat und gewünscht und ersehnt. Sie hat etwas von einer Heilsbringerin, im einfachen, hospitalen Sinne. Wie Rickie Lee Jones, so glaube ich, auch ihr Christsein versteht. Deshalb war eine Beteiligung am Projekt des Künstlers Lee Cantelon, der verschiedene Künstler um gesprochene Beiträge aus seinem Buch "The Words" bat, eine Selbstverständlichkeit. Dass sie ihren Part allerdings sang, war gut für "Nobody Knows My Name", gut für eine Idee, gut für ein Album. "The Sermon On Exposition Boulevard" wird mehr sein als eine Fußnote der Musikgeschichte. Es wird sich einreihen in die Biografie einer Künstlerin wie andere große Werke in die Biografien ihrer Ersteller. Als Beispiel wird gern Van Morrisons "Astral Weeks" genannt. Einverstanden. Nach Floskeln befragt, würde ich 'facettenreich', 'aus einem Guß', 'intensiv' nennen und hinten anfügen 'limitiert', 'aber wohltemperiert', 'eben', 'aber nicht ohne Drama', 'warm', 'aber nie ohne Spannung'.
1. Nobody Knows My Name: Ein stolzer Beginn. Jones wie die Predigerin inmitten ihrer Anhänger, energisch, mütterlich, warm. "Do you know my name?" Ja. *****
2. Gethsemane: Die Thematik aufgegriffen, musikalisch mehr der Inszenierung zugewandt, aber fließend und harmonisch. Jones im Vordergrund, ornamentiert von einer starken Akustischen, Trommeln, Background- Sirenen. Großartig. *****
3. Falling Up: Die Single. Klassisches Songmuster. Vielleicht öffnet "Falling Up" ein paar Tore. *****
4. Lamp Of My Body: Wer erfahren will, was die Faszination RLJ ausmacht, muss diesen Song auf Kopfhörern hören. Ihm stellen sich die Haare zu Tausenden auf. Aus dem unfreundlichen, weil schwer durchschaubaren Soundgebaren dringt die Stimme des Friedens. Ein wohlplaziertes Zwischenstück. ****
5. It Hurts: Jones arbeitet. Sie ruft, sie sägt, sie fleht, sie singt. Ein enormes Stück ist "It Hurts". ****1/2
6. Where I Like It Best: Ein stiller Titel, Akustische Gitarre, etwas Soundmalerei, offener, direkter Gesang. Kein Lied, das sich anschmiegt, das eher ausweicht, um eingeholt zu werden. Und wieder eines, das Rickies Stärken aufzeigt: Geschichten erzählen, Unfehlbarkeit der musikalischen, stimmlichen und atmosphärischen Übertragung. *****
7. Tried To Be A Man: Der Song, der gern für den Vergleich mit Tom Waits herhalten muss. Vielleicht weil er zu Beginn so fein rumpelt? Weil Jones verwegen flüsternd singt? Ich sehe "Tried To Be A Man" eher als Kontrapunkt des Albums, aber auch als Verweis auf die musikalischen Einflüsse der Grande Dame des Singer/Songwriter Metiers, die durchaus ihre rockigen, handfesten Fundamente wissen. ****
8. Circle In The Sand: nimmt wieder den narrativen Charakter auf und gehört eher den Songs an, die sich dem gemeinen Hörer zuneigen. Aber schön, einfach und locker, entspannt gespielt. Rickie aufgeräumt, variabel. ****
9. Donkey Ride: Geißelnde Gitarre, irres Klimpern, Jones mäandernde Stimme. Hier kommt der Waits- Gassenhauer. Hier ist sie ihrem Mentor nahe wie lange nicht. ****
10. 7th Day: erinnert mich sehr an ihre frühen Alben, die oft sparsam instrumentiert, einen vergeistigten Charakter hatten, da Jones zunächst ihre Texte vortrug wie eben erdacht, um sich unvermittelt in Rhythmus und wohlfeilem Gesang zu ergehen, dem Refrain zu ergeben. Klare: *****
11. Elvis Cadillac: gab es vorab bereits als Download. Machte die Vorfreude aufgrund seiner Heiterkeit fast unerträglich. Der Titel steht auch für eine besondere Qualität des Albums. Egal wo Rickies Stimme angesiedelt ist, die Begleitung bleibt eine solche. Unschätzbar wertvoll, nie dominant. ****1/2
12. Road To Emmaus: wiederum feines Zwischenspiel. ****
13. I Was There: macht noch einmal deutlich, dass Rickie zu denen gehört, die einen Song auf eine Weise arrangieren können, wie es der Song verlangt, der Spannung geschuldet, den Worten. Vielleicht ist dies ein Teil der Wahrheit, warum es ihr verwehrt blieb, ein Superstar zu werden. Sie entsprach nie den gängigen Mustern. *****
Der ***** wird sich wie von selbst ergeben, nach diversen weiteren Durchläufen, nach Spannung und Entspannung, nach Vertrautheit und nicht Entsagen können.
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