Mittwoch, Mai 22, 2013

konzert: orange blossom special 17, teil 2

platzwahl
das ist schon ein ganz besonderes gefühl. bereits wenn man sich durch das weserbergland pirscht, um auf verschlungenen wegen nach beverungen zu gelangen, schlägt der puls an. und später dann, wenn man den grünen weg hinauf läuft, um sich dem festivalgelände zu nähern, pocht das nun fernweh geheilte herz. aus den lautsprechern tönt musik, menschmassen sind in bewegung, freudige gesichter, ein warmer frieden über allem.

evening hymns
was hätte besser passen können, als mit evening hymns das einzuläuten, was sich obs 17 nennt und zum bleiben aufruft? der himmel war zwar bereits bedeckt, aber noch standen die schauer aus und so ließ man sich gern in den sog dieses festival mitnehmen.
der zu erwartene ruf nach "rock 'n' roll" kam, aber er kam spät. zwei drittel des sets der evening hymns waren da bereits gespielt. basierend auf ihrer fast schon zögerlichen folkmelange, vorgetragen an verwehtem drumming, holzgitarrenpicking und einem kaum spürbaren und dennoch grundierenden bass (sylvie smith, die ihre sensationelle gesangsstimme viel zu selten zur geltung brachte). dabei haben die lieder von jonas bonetta und co. eine deutliche vorwärtsbewegung, weil sie tief getränkt sind mit leidenschaft und emotion, mit erinnerungen angereichert und mit dem baren gefühl ausdruck verleihen zu müssen, was einen umtreibt.



so stehen sie da zu dritt wie eine tief verwurzelte einheit, die bereits seit zwei monaten am touren ist und hier und heute ihren letzten auftritt in deutschland hat. einem land, in dem sie stets willkommen geheißen werden. eine ausdrucksäußerung, die sie nicht für selbstverständlich erachten., sondern versuchen zu beantworten, zurück zu geben, was ihnen widerfährt. die musik zieht sehnsuchtsvoll durch das grau verhangene rund und irgendwie fühlt sich man schnell gebunden an dieses orange blossom festival, irgendwie fühlt man sich gleich zuhause, als wäre das vergangene jahr mit einem fingerzeig weggewischt. die evening hymns spielen einen folk mit besonderer narrativer pointierung, bedenkt man, dass die lieder des letzten albums "spectral dusk", aus dem sich das vorgetragene liedgut hauptsächlich speist, in einer einsamen hütte geschrieben wurde, voller konzentration auf und in der auseinandersetzung um ein leben ohne den zu früh verstorbenen vater. an ihn war die bindung bonettas groß und der schmerz und die trauer umso verzweifelter. der sänger findet wie in "you and jake" einen besonderen zugang, in dem er hier die beziehung seines bruder zum gemeinsamen vater beleuchtet, die sich auf einer sehr männlichen ebene bewegte, fischen, jagen usw. das geht tief zu herzen, weil eine liebe beschrieben wird, eine zuneigung und ein umgang miteinander beleuchtet wird, die bzw. den man manchmal im alltäglichen vermisst. und wenn man auch weiß, dass diese geschichten immer in irgendeiner form in der rückschau geschönt oder überhöht sind, so bleibt am ende ein tenor übrig.


ein tenor, der dich anruft, die augen auf zu behalten, die dinge näher zu betrachten und sich auf jene zu konzentrieren, die einem wirklich wichtig sind. hier ein gitarrenwechsel, von akustik auf elektrisch, dort ein strafferes drumming, und schon haben wir eine forciertere note als zu beginn des wunderbaren konzerts der evening hymns. es wird lauter, polteriger, so dass die rufer aus dem hintergrund längst verstummen mussten. doch wer sich nicht um den aggregatzustand der anderen zuhörer kümmert, das bin ich, der rezensent, der versucht drei festivaltage zu geniessen, die so hervorragend von diesem trio eingeläutet wurden, von einem von schönheit durchzogenen set, obgleich der himmel trauer trug. und he, allein für "dead deer" lohnte sich die reise in den norden. hört unbedingt nach (live natürlich um einiges schöner.) ach ja, mit "spectral dusk" wurden wir schließlich angemessen verabschiedet.

steaming satellites
es vermischen sich in der rückschau interviewsituation und das konzerterlebnis. steaming satellites sind eine eingeschworene gemeinschaft, die seit vielen jahren zusammen wirkt, die alles auf eine karte setzt, um ihrer leidenschaft 'musik' nachgehen zu können. die jobs wurden aufgegeben, risiken eingegangen. mittlerweile können die vier von ihrem tun auch leben, wenngleich mehr schlecht denn recht. so erzählen mir max, matthäus, emanuel und manfred nach einem aufregenden auftritt später im kleinen backstage gelass, unterhaltsam, offen, emphatisch. getränke machen die runde, rauch zwirbelt durch den raum, es wird viel gelacht. schnell wird es intim. entscheidungen stehen an, verträge müss(t)en unterschrieben werden. beziehungen zu neuen menschen vorangetrieben. doch sie fühlen sich fast nur untereinander wohl. haben darüber hinaus nur größtes vertrauen in ihren manager, der einem guten onkel gleich die hände schützend über sie hält. hier in dieser kleinen runde geht es um das gemeinsame wohl, um ein gemeinsames ziel. zutritt erhält nur, wer auf herz und nieren geprüft wurde. denn schon zu viert ist es nicht immer leicht einen konsens zu finden. doch wenn die fetzen flogen, ist der frieden nicht fern. über die klar formulierte zielorientierung ist das wieder aufeinander zu gehen ein leichtes. eine familiäre atmosphäre also, die hier herrscht, viel beschworen, bei steaming satellites mehr als spürbar. die jungs haben ihren auftritt auf dem obs sehr genossen. hatten aber zugleich riesiges pech, als zur hälfte ihres sets der starkregen einsetzte. sie waren sehr beeindruckt, dass ein großteil des publikums dennoch aushielt und der band und ihrem auftritt die stange hielt.



sänger max ist noch immer euphorisch und kommt von einem erzählschwall in den nächsten. so berichtet er, dass er mit seinen anfang dreißig eigentlich längst den sprung über den berg geschafft haben müsste, aber noch immer, wenn man auf übliche karrieren blickt, in den startlöchern hängt. zumindest finanziell und was abhängigkeiten anbelangt. musikalisch und in bezug auf die entwicklung der band hat er das gefühl, dass man sich an einem scheidepunkt bewegt. entweder es geht jetzt richtig vorwärts oder aber einen großen schritt zurück. sie wollen alles wagen, bleiben sich dabei aber unbedingt treu. so haben sie bswp. den fertigen mix ihres letzten albums, in einem berliner studio produziert, komplett verworfen und neu erstellt. unabdingbar sind also die zufriedenheit, die einigkeit über das gemeinsame produkt. demnächst legen sie ein neues video vor, das dritte von einem freund produzierte (die ersten ausschnitte, die ich sehen durfte, waren echt klasse, sehr launig, sehr großartig).



dass es mittlerweile oder vielmehr von jeher mutmaßungen über ihren bandnamen gibt, bis dahingehend, dass man sie mit dampfenden fäkalien übersetzte, sieht die truppe gelassen. dabei haben sie es doch darauf angelegt, dass die wahrnehmung ihrer band einen psychedelischen charakter erhält. die kreisenden satelliten haben sie immer im auge. und so offeriert sich auch eine musik, die aus verschiedenen teilen besteht und die sich gleichzeitig auch um sich selber dreht. trabanten, die aufeinander bezogen anziehung betreiben und sich wieder abstossen und sich erneut finden und in der gemeinschaft ein planetares system bilden. auf der einen seite die artrockigen keyboardpassagen oder der schraffierte gitarrensound, auf der anderen seite diese einnehmende stimme, die alleinstellungsmerkmal genug wäre für diese band. die abrundung erfolgt durch ein diffiziles rhythmuskonzept aus stiffeligem bass und herb treibendem drumming. hier hat sich etwas gefunden, was sich einer genrezuordnung aufs erste entzieht, was sich divers darstellt und einen ganz eigenen sound gebiert. hier muss in kürze eine neue schublade benannt werden, um den österreichern gerecht zu werden. der zuschauerzuspruch sprach an diesem abend bände. tribut wurde allerorten gezollt. herzlichen dank noch mal an Euch!

steaming satellites - spaceships by the instrument village

später geht es hier weiter. ein paar bands stehen noch aus. oder zwei festivaltage?

2 Kommentare:

Gudrun hat gesagt…

Ja, die weibliche Stimme bei Evening Hymns habe ich mir im Konzert im Nuncafe auch mehr gewünscht!

E. hat gesagt…

und eigentlich auch der einlass zum ganz tiefen zauber dieser musik.