der zweite festivaltag hielt noch einige schmankerl bereit. weiter ging es mit the dead south aus kanada. beim soundcheck noch in gedeckten farben gekleidet, hatte sich der vierer zum auftritt umgezogen, schick gemacht. weiß behemdet, wohl behütet und mit akustischen instrumenten bewaffnet, trat das ensemble einem aufmerksamen publikum entgegen. konnte das gut gehen? so ganz ohne feistes schlagzeug? konnte. denn schub hatte diese gruppenarbeit auf jeden fall. fast schon agressives gitarrenschrammeln, dazu feine mandolineneinschübe, deutliche akzente von seiten des banjos und schließlich so ein tiefer, gegründeter bass, dass man an keiner stelle des unterhaltsamen konzerts die empfindung hatte, hier würde etwas fehlen. "long gone" wird schon früh zum einheizer. die stimme gen himmel, kehlig und belegt setzt an, das banjo kickt nach und blendet mit flinkem spiel, alsbald folgt der rest der truppe.
der dichte sound befällt das rund. schnell setzt sich die versammelte meute in bewegung. the dead south begeistern mit schmissigen melodien, die sich bereits in der eigenen dna vermuten ließen. weil sie so einträglich sind? weil sie instrumentiert sind, wie sie seit jahrhunderten bespielt werden? vielleicht. auf jeden fall weil sie mit schmiss und freude dargeboten wurden, weil nate hilts eine stimme besitzt, die sofort unter die haut geht, weil colton crawford seinem banjo leuchtende töne abringt, weil scott pringle für unvergessliche harmonien sorgt und weil danny kenyon immer wieder seinen bass zum cello verdreht und einige blendermelodien zum besten gibt. könnte man also "the recap" feiern, denn es vereint alle diese elemente, dann wäre das ein guter moment gewesen, um eine party im glitterhouserund zu starten. regina, saskatchewan, ist zwar ewig weit weg, aber der vierer hat es uns ganz nah gebracht. mit einer musik, die unentwegt über die grasnarbe, über den feldrain hinaus will. und wollen wir das nicht alle? so hüpften, stampften, tanzten die mutigen, umarmten sich die weniger bewegungsfreudigen, grinsten die geniesser. ach ja, kleinod: "house of the rising sun", zunächst zahm und mit schnellem wiedererkennungswert, alsbald in einer flotten, berauschten version!
auch the great bertholinis sind alte bekannte des festes. wie gewohnt in voller kampfstärke antretend, hatten die franken instrumente noch und nöcher im gepäck. groß- und kleinakustikgitarre, die elektrische ebenso, das e-piano, die vielfachen blechbläser, den standup-bass... entsprechend voluminös war das soundbild. das forcierte set wollen wir bebildert sehen. denn eingetaucht sind wir in diese klanglandschaft, die bei aller stilistischen breite stets homogen, wie aus einem guss wirkt.
es war der später nachmittag, frühe abend, ein erstes durchschnaufen angesichts einer großen menge an eindrücken. eintauchen in den sound, der so hochmotiviert von der bühne schwappte, ein wenig wegdriften, sich mitnehmen lassen. sich in der kleinteiligkeit verlieren, die die vielköpfige truppe darbietet, sich im zusammenschluss wiederfinden, der stets gelingt. das ist hier die hohe kunst. kein unentwegtes vorwärts, ihm ist ein stetes rekapitulieren immanent, als müsste man sich immer wieder vergewissern, doch noch auf dem richtigen pfad zu sein.
diesmal schafften wir es endlich auch mal zur minibühne, auf der das noch junge schwedische projekt cub & wolf agierte. zwei kurze auftritte, bei denen man alte bekannte bewundern durfte, die hier in neuer kombination zueinander, miteinander antraten. zunächst haben wir da linus lindvall und dante ekfeldt von golden kanine, dann mattias larsson von grant creon und schließlich den jungen anton linderoth von club k. mit ihrem ersten album auf stargazer können die vier bereits hausieren, ein zweites album sei in der mache. davon sicher im laufe des jahres mehr. der kurze auftritt zeichnete sich durch eine fein austarierte instrumentierung aus, die jeden klangapparat zur geltung brachte, sei es das polternde schlagzeug, die stichigen gitarren, der umtriebige bass oder das kleine piano, dem man neben den vertrauten auch einige exzentrische töne entlockte. zugleich setzte der vierer darauf, die soundelemente wieder zusammenzuführen, meist kulminierte dies in einem ausgelassenen, wenngleich kontrollierten ausbruch. dabei tauschte die runde fließig die instrumente, bis auf den bass wurde ein jedes an die bandmitglieder mindestens einmal weiter gereicht. es war ein lustvolles set, das die leidenschaft der musiker in den vordergrund stellte, die die etwas eingeschränkten bedingungen der minibühne mit gelassenheit nahmen und ihr publikum mit leichter hand banden.
rocky votolato mit band ist doch eher ungewohnt, aber sie füllt den rahmen, den der singer/songwriter vorgibt. sie verstärkt die ohnehin schon große ausdruckskraft, verleiht dynamik, setzt akzente, die der amerikaner nicht selbst setzen könnte. blicken wir nur auf den manischen schlagzeuger, der eher wie ein vernachlässigter computernerd ausschaut, denn wie ein gewiefter musiker. er bearbeitet die trommelfelle wie ein derwisch, dabei beheizt er lediglich die musik, er erschlägt sie keineswegs. da ist außerdem der fleißige gitarrist zur rechten zu nennen. der so wertvolle einschübe vorzunehmen in der lage war. mal glitzernd, dann wieder mit schmackes, stets abrundend, was der frontmann an ersten details zur verfügung stellte. rocky votolato begeisterte mit einem set, das so sehr melodiegetränkt ist, dass man es schlageresk nennen wollte, doch drückt sich darin wohl eher der neid aus, woher er all die wundervollen töne hervorzaubert.
ungewöhnlich wie er dort in hemdsärmliger art, bemützt auf der bühne steht und wenig ringend seinen melodien freien laufen lassen kann. dass diese sofort beim publikum zünden, ist keine frage. wer nicht schon vor der bühne stand, den lockten schließlich diese noten nach vorn. die hin und wieder hinzugezogene mundharmonika sorgte zusätzlich für eine einträgliche stimmung. der konzentrierte, ausbalancierte auftritt verhalf dem aus seattle stammenden und mittlerweile unter glitterhouse records flagge reisenden sicher zu einigen neuen fans. die eindringlichkeit, die souveränität genauso wie überzeugungskraft transportierte, wirkte verbindlich, für alle seiten. und wenn seinem gesicht ein lächeln entsprang und wenn er sich bedankte, dann lugte gar ein wenig sonne zwischen den wolken hindurch.
mit east cameron folkcore aus austin ging der zweite festivaltag langsam seinem ende entgegen. dass dies fulminant geschah, dafür sorgte eine vielköpfige band, die sich auf der bühne zielgerichtet austobte. mit eingeschobenen samples von reden berühmter aktivisten ergänzte man eine folkpunkige performance mit aussage. jegliches globale problem findet seine erwähnung, zuvorderst aber wenden sich die punkfolker gegen unterdrückung, ausbeutung, machtmissbrauch. unterhaltsam geschieht das, aber nie ohne den notwendigen nachdruck. dafür wird das aufstachelnde schlagwerk nebst einem extrovertierten bass verpflichtet, hinzu fügen sich die diversen instrumente, die in einen chor der aktivisten einstimmen. überbordend, krachend zuweilen, in exstase aufgehend, was dort oben auf der bühne geschah, gemahnte an eine apokalyptische aufführung, als wähnte man sich dem nahen ende.
vielleicht aber ist genau dies die richtige ausdrucksform, um noch jemanden zu erreichen, um aufzurütteln, da das letzte stündlein naht. die trompeten von jericho bliesen den marsch, die stromgitarren wiesen den weg, das e-piano jauchzte das willkommene heil. die brandung zischte in das überraschte auditorium, die gischt zischte zwischen die reihen und ließ ein nass betropftes publikum zurück.
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