Dienstag, Mai 26, 2015

konzert: orange blossom special festival 19, teil 2


unter dem motto "fabelhaft", garniert mit einem flügelbewährten glücksschwein als symbolträchtiges maskottchen, startete das orange blossom special festival nummer 19 pünktlich am freitag kurz nach der fünften abendstunde. eingeläutet von rembert stiewe, der sich warmer willkommensworte bediente, aber gewohnt bündig zusammenfasste, was es in so einem moment zu sagen gibt. herzlich willkommen!


längst ist geläufig, dass folk überall eine heimat finden kann. in schweden eine besonders schöne. am frühen abend des festivalfreitags läuteten die nordländer von easy october die kommenden drei tage mit feinster, verträumter, popseliger traditionsmusik ein. der vierer um kristoffer hedberg schickte eine reife melodie nach der anderen in die runde, als sei der sommer längst seiner samenkapsel entsprungen. den gesang etwas ins falsett gezwungen, sich im weichen fell der schlierenfreien musik wohlig räkelnd, stellt sich hedberg in die front und nimmt seine band an die hand und präsentiert sie der sich noch sacht bewegenden masse. "hello sunshine" tönt es.


gitarrenlaute von klarheit und erfreulicher prägnanz sprengen von rechts heran, von einem platz, an welchem man kristofer aström erwartet hatte, aber mit per flamman westling vorlieb nehmen musste. doch das war wirklich kein makel. denn die ausgesendeten grüße waren leicht ebenbürtig. zurückgenommen zunächst arbeitete sich die rhythmusfraktion ins bild, vom drummer bleibt höchste konzentration in erinnerung, ein belebtes, kleinteiliges, präzises spiel. den basser nikke ström erkannte man vom obs 13 wieder, als er mit kristofer astrøm agierte. mit seinen zu dreadlocks geformten barthaaren, mit sonnenbrille und kapuze über dem kopf schien er sich unerkannt aus der nummer schleichen zu wollen. dabei waren seine bassläufe unschwer zu identifizieren und prägend. nicht weniger bedeutend minierte sich immer wieder eine mundharmonika als neue klangfarbe unter, schwebend, sehnsuchtsvoll angestimmt, mut machend, tage, deren vorfreude länger wähnte, als sie andauern würden, einläutend. dazu eine gitarre geschrubbt, wie man das beste stück über dem waschbrett bearbeiten würde, sacht, aber behende. ein salziger geschmack bildete sich auf den lippen. eine brise vom meer her zog vorüber. leichter wind bearbeitete das haar. wenn das keine glücklichen gesicher waren, die man um sich herum sehen konnte. "baby blue" sendete noch einmal eine grußadresse an alle nachzügler, die einen wunderbaren opener verpasst hatten.


mit wucht und verve ging es zügig weiter. little hurricane aus san diego standen an. und das war ein herzhaftes vergnügen. wie celeste spina und anthony catalano den garten nahmen, hatte tatsächlich etwas von einem naturschauspiel. hier animalisches gitarrereissen, dort enthusiastisches schlagwerkklopfen. gemeinsam ergab das energiegeladene songs, zu denen man wunderbar den rasen des glitterhouse gartens stampfen konnte. dass sich der hurrikane im zaume hielt, lag an der sorgfältigen songbearbeitung der beiden protagonisten. bei aller power achteten sie darauf, dass ihnen nicht die gäule durchgingen. das hübsche mädel hinter der schießbude zeichnete sich durch ein diffiziles spiel aus, dem längst der haudrauf- garaus gemacht wurde. mal treibend, mal punktuell betonend, stets im takt der treibenden songs.


daneben die animalisch pulsierende macht der giftigen sechssaitigen. noch in der strophe hängend, drückte und drückte sie, doch wenn sie freigelassen wurde, spritzte sie blut und galle und fegte in soli mindestens durch die ersten reihen. hinzu fügte sich eine stimme, die catalano wahrlich zur ehre gereicht. leicht angeraut, kraftvoll nahm sie eigene garage- nummern, wie sie dem blues tribut zollte oder zum teil ungewöhnliche cover bemühte. erinnert sei an die wunderbare version des "natural blues" (moby/vera hall) oder die naturbelassene darbietung von "ain't no sunshine". vor die brettharte gitarre trommelte sich noch celeste in den vordergrund. stets lächelnd, das bild konternd, das haar im gesicht, vertieft in ihr spiel. doch anthony holte auf, hielt ein paar tiefe töne dagegen und legte den bill withers lyrics einen feinen bass zu füßen. wem "sheep in wolves clothes" noch in erinnerung ist, der wird sich gar an eine popnote erinnern. die beiden können einiges, begeistern konnten sie das obs- publikum allemal.


noch war licht. money for rope aus melbourne hätten es locker ausknipsen können. der fünfer nahm das druckvolle maß des vorgängers auf und erhöhte um zwei. ein zweites schlagzeug und eine ausgewachsene bandkonstellation sorgten für die notwendige potenz. am mikro biesterte julian mckenzie, der daneben eine unstrittige gitarre bediente, wenn er nicht gerade zum saxophon griff, um die eh schon knalligen nummern zu befeuern. neben ihm das bewegungswunder rick parnaby, der das keyboard beklopfte, es sei denn er sang in ein telefon, um seinen frontmann vokal zu unterstützen. die drummer hören auf die namen erik scerba und chris loftis. während sich der eine durch eine aufgewühlte mähne auszeichnete, glänzte der zweite mit bunten, enganliegenden hosen. nein, beiden wurde uneingeschränkte aufmerksamkeit zuteil dank eines ausgelassenen beschlagens ihrer jeweiligen trommelfelle. abgerundet wurde das kollektive zusammentun von von ted dempsey. der blonde versteckte sich unter seinem langen haar und zog umsichtig basslines ins soundbild.


dominiert wurde das vom straffen gesang des frontmanns, der nicht nur mit den augen mit dem publikum lustvoll kommunizierte, und der überschäumenden power seiner band, die ihm den rücken stabilisierte. melodien flirrten und surrten, von orgeligen tönen getragen, von schmissigen gitarrenläufen hoffiert, von deepen gründern belebt. songs wie "easy way out"  zündeten, weil sie nicht nur dem hardrockgott die ehre erweisen, sondern weil sie harmoniereigen motivieren, durch die beatreihen stapfen und sich einen teil vom kuchen vom tablett stehlen. so giert eine glückliche tonreihe durch die haftbefehlmuster dieser schlagfertigen musik. wunderbar. dass man zudem auf ein glückliches publikum zählen konnte, steht außer fragen. wenn man sich nicht unentwegt im rhythmus bewegte, hüpfte man vor lauter ekstatischer anstiftung.



annenmaykantereit. der bandname stiftet sinn, wenn man weiß, dass sich hier lediglich die nachnamen der drei bandmitglieder aneinandergereiht lesen lassen. das junge trio stammt aus köln und sucht nach einem ausdruck für die zurückliegenden jahre ihrer noch andauernden jugend. während sie 2014 noch die minibühne bespaßten und vielfachen zuspruch erhielten, bekamen sie heuer einlass auf die große bühne. christopher annen, henning may und severin kantereit (exklusive des mitgebrachten bassisten) haben lieder dabei, die für eine spätere generation noch funktionieren, weil sie einen musikalischen übermut besitzen, weil sie sich trauen, weil sie ständig nach vorne dampfen, weil sie dem ernst der lage einen feinsinnigen humor abringen. ansonsten aber gäbe es identifikationsprobleme, wenn denn die erinnerung mit verstauchtem fuße hinkte. die ersten liebesprobleme, auszutragene kämpfe mit dem mitbewohner? all die graubehaarten im rund werden doch hoffentlich längst vergessen haben, was in schimmeligen wgs deseinst geschehen war? oder nicht?


war das pure freude, was man in den gesichtern rings um sich herum entdecken konnte? war es. fürwahr brachten die jungs da vorn das versammelte rund zum lächeln. da war nicht nur die außergewöhnlich tiefe gesangsstimme, da war vor allem eine hookverbundene musikalie, ein differenziertes gitarrespiel, ein dynamisches schlagwerken. dass sich hier umstehendes volk zum songzeilen- skandieren hinreissen ließ, konnte man auch bejahrt durchaus verstehen. die einfachen worte entfalteten ihre wirkung im nachgang, wenn man der erinnerung nachhing, wenn man mit lächeln den rückzug antrat. der abend ging zögerlich in die nacht über und tauchte die jungen herrn da vorn nach und nach in gedämpftes licht. als die bühnenbeleuchtung ihre volle entfaltung entfachte, war man mit den vieren fast ein wenig befreundet. "wohin du gehst, sagst du nicht mehr, wenn wir uns sehen, fällt mir das fragen schwer."

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