Montag, September 28, 2009

konzert: j. tillman, 26.09.09

der abend vor der wahl. eine wahl im superwahljahr. ein abend in münchen während des super oktoberfestes. die straßen gefüllt, die menschen, nun ja, auch. ein reges, und will man es positiv betrachten, munteres treiben. nett, was sich da tut in der bayerischen hauptstadt. blah blah blah. dass es später auch etwas sarkastisch von der bühne tönt, ist kein wunder. ich meine, dass menschenaufläufe wie die wiesn überholt sind. gemeinsame trauerarbeit wäre angesichts dessen, was die erdbevölkerung seit ihres bestehens angestellt hat, angemessener. dafür hat man aber die bänkelsänger, die die ausladenen feste meiden und ihre eindringlichkeit an düsteren orten an jene übergeben, die es meist eh schon wissen. so klönt man in übersichtlicher runde im orangehouse, auf dem feierwerk gelände, abseits des irren tuns auf der theresienwiese. man hatte schließlich die wahl.

j. tillman ist ein überraschend großer kerl, die haare und der bart ungestutzt, ein freundliches wesen dennoch. vor allem gefiel mir, wie er 'seinem bassisten' bei dessen soloshow vor dem eigentlichen konzert aufmerksam folgte, engagiert applaudierte, eben honorierte, was dieser zum besten gab. die klampfe entschlossen gepackt, empfahl sich also zach tillman, seines zeichens - die auflösung folgt nun - bruder des fleet foxes drummers und vorstand der vier menschen, die j. tillman auf seiner europatour begleiten. der gesang eindringlich, die harmonien zu feinen fadenläufen aufgedröselt, hemmungslos laut zuweilen, bissig, wie gezwungen. zeitweise waren seine bilder redundant, seine ausläufer uneinholbar, aber das ehrliche angebot im vortrag überwog und des publikums dank ward redlich verdient (das saß mal wieder vermehrt, so dass ein nachrücken unmöglich war, eine unsitte, die sich durchzusetzen droht.)
ungeduldige forderten bald den auftritt des hauptacts ein. der ließ sich nicht lumpen und dafür gleich vom stapel. die erste halbe stunde der vier mannen von pearly gate music, so die band um zach t., plus ihres "neuen" vorstands war geprägt von ruhigerem liedgut, insbesondere enthoben des mittlerweile zum vorgängeralbum mutierten "vacilando territory blues". denn derweil gibt es den release von "year in the kingdom" zu feiern, was die band aber nicht anhielt, ausreichend tonträger mit sich zu führen. eine schande. so ging man in dieser hinsicht am samstag abend leer aus. dafür aber hatten die fünfe spiellaune, hymnische kraft und zuweilen auch die power einer saftigen bluesrockkapelle mitgebracht. die verantwortung trugen neben den tillman brüdern colin walberg an der e-gitarre, ein junger blonder mann, der sich nicht hätte mehr abseits aufhalten können, aber gleichzeitig wesentlicher bestandteil des musikalischen bildes war, drummer jason merculief, der zwar stolz oberarme herzeigte, die für ein metallica- vollgaskonzert locker ausreichen würden, aber hier gefordert war, mit kleinem waschbrett, glöckchen und bedachtem schlag umzugehen (die dampf- und ausholphasen waren wohl die reine erholung für diesen burschen) und außerdem an der wie selbst gebastelt scheinenden pedal steel bill patton, ein vierschrötiger, liebenswert dreinblickender mensch, der so wunderbare ornamentierungen in den raum warf, dass man ihm hätte immer wieder spontan danken wollen.
die muster der livedarbietungen vieler songs ähnelten sich. zunächst ein sachter einstieg mittels akustischer, josh tillmans betörender gesang, dem das feierliche nie abhanden kommt, um alsbald im vollen ornat der band aufzugehen, abzuheben, manchmal auch zu verglühen. das ist poesie. vielfacher schauer, der einen rückwärtig bedrängt.

oliver vom konzerttagebuch hat mich gefragt, welches album der letzten beiden mir besser gefiele. ich bin bisher eine antwort schuldig geblieben. "year in the kingdom" ist bei aller kargheit ein anrührendes etwas. es ist ein anrufen, an dem man sich beteiligt fühlt, als würde man einen beichtenden belauschen. fast ist mir das zuhören unangenehm. "crosswinds" wird mittels verstiegener, windiger flöte und quietschgeräuschen auf der snare eingeleitet. leider fehlt die dulcimer, die so unmittelbar folkloristischen glanz verleitet. josh singt. andächtig das rund. oder der song "though i have wronged you", da die stimme brüchig zu sterben droht, hier fällt das songgerüst in monotones klatschen bzw. trommeln hin über. eine wegbewegung. von der meditation in die hypnose. "vacilando territory blues" führt die belebteren titel und doch werden sie live wieder zu fragilen momenten aufbereitet. das depressive anstossen der gitarre in "firstborn", das verwitterte stimmeheben in "no occasion", der matte glanz von "vessels". wäre nicht beispielsweise ein "new imperial grand blues" durchs rund geweht, hätte man die gedankliche schwere auch nicht mehr aus meinen gliedern bekommen. doch die band kann rocken und bewies dies ab der hälfte des konzerts mit ausladener geste. oliver, entschieden habe ich immer noch nicht. ich mag beide alben wohl gleich gern. ich mag das, was j. tillman macht. und kann ihm nur zu dieser begleittruppe gratulieren. tolle jungs. (in der bude war zum verzweifeln schlechtes licht, dementsprechend die billigen bilder...)

j. tillman - steel on steel (from "vacilando territory blues")
j. tillman - james blues (from "vacilando territory blues")
j. tillman - earthly bodies (from: "year in the kingdom")

1 Kommentar:

Oliver Peel hat gesagt…

Feiner Bericht! Einiges habe ich genauso wie Du erlebt. Hinsichtlich der beiden Alben ist ein Festlegen auf ein "besseres" wahrlich schwer. Der Vorgänger hatte Stücke, die eine Spur eingängiger und direkter waren, aber der Neuling ist ein Grower vor dem Herrn und die Instrumentierung ist äußerst filigran. Die französische Musikzeitschrift Rock & Folk hält das neue Werk für gelungener. Ansichtssache.

Meinen Bericht aus Paris gibt es nun übrigens endlich mit Fotos. In Frankreich scheint das Licht schöner zu sein. Auch die Bühnendeko in München ist ja oft sehr häßlich mit diesen Lamettawänden, hilfe!

Hier kann man bei mir noch einmal nachlesen und Eindrücke vergleichen:

http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/2009/09/josh-tillman-paris-210909.html