Freitag, Juli 12, 2013

konzert: thunderegg, 10.07.13 (klienicum hauskonzert)


 was gibt es schöneres als dieses unverblümte einverständnis, diese unausgesprochene zugewandtheit, diese frühe vertrautheit, wenn künstler und zuhörer eins zu werden scheinen? wenn der sprichwörtliche funke überspringt, wenn das herz durch die musik gerührt, in einer form entflammt wird, dass zeit und raum und all das, was war und das, was sein wird, keine rolle mehr spielt. da der moment zukunft verspricht, gar etwas verheißt, das vermisst schien. sorglosigkeit, befreitheit. losgelöstheit von den dingen, die den alltag beschweren. und wenn nicht genau darin auch die funktion so einer veranstaltung läge, worin sonst? abstand gewinnen, innehalten im buchstabieren des seins. die gnade eines augenblicks.

vollkommen beseelt ist doch mein kopf voller eindrücke, die nicht im wiederfang einer fotoserie gleich  von sonnenuntergängen eingefangen werden wollen. so bleibt vor allem eine melodie, vielleicht auch zwei, drei, die so eng verhaftet sind mit diesem traum von gemeinschaft und einem kollektiven wohlbefinden, das abseits ausgetretener pfade entsteht. nämlich dort, wo sich spontaneität kanalisiert sieht. eingefunden in einer runde aus freunden, nachbarn, bekannten und einigen fremden, die den weg zu uns gefunden haben. um gemeinsam zur musik von thunderegg loseisen zu trainieren. das geschah aufs einfachste. mit "summer kids" vom 2011er album "gazillion" gelang der einstieg so gekonnt, geruhsam, sacht fast, doch einnehmend, an der hand geführt raus aus den dilemmata, aus den vorwurfswelten, aus der verstörtheit, die einem kaleidoscope gleich unzählige muster aufbietet, um sich der ordnung zu entziehen.



so war plötzlich alles befriedet. die band spielte, das publikum rutschte noch ein ums andere mal auf seinen ungewohnten, noch nicht angestammten plätzen, die vögel hatten einige minuten freiflug und zwitscherzeit, wenige autos, die die straße befuhren, letzte gäste, die eintrafen, kamen ohne anweiser zurecht und mit einer flasche bier bestückt auf ihren stuhl. das wenige hell drang durch die fenster und befleißigte sich als tuscher auf den freundlichen gesichtern der musiker. will in der front, der hüter und bewahrer des thunderegg schatzes, seit jahrzehnten nun der kopf des bandprojektes, sänger, songschreiber und an diesem abend mit einem kratzenden hals kämpfer, tapfer durchhaltender leader. seine sämige stimme, sein vertrauenseliger gesang ist das alleinstellungsmerkmal neben heimatlosen liedern, die sich jeglicher zuordnung in welche himmelsrichtung auch immer entziehen, weil sie überall einen ort für sich finden, weil überall eine tür für sie geöffnet wird, weil kaum ein herz auf diesem erdenrund, das nicht in schwung gebracht wird dank wohlfeiler harmonien und lyrics, die sich wiederum in aller einfachheit gekonnt des alltäglichen dankbar zeigen, die die neugier widerspiegeln, die beobachtungsgabe, die aufmerksamkeit ihres schreiberlings.
"anything but me" zog den schwung auf sich und erhöhte das tempo und forcierte die leidenschaft. der zweite song des abends entstammte dem letzten, neuen, noch nicht offiziell veröffentlichten album "not what i meant", auf das will im laufe des abends immer wieder verwies. das temperament übertrug sich schnell auf die kollegen, die dem new jersey jungen zur seite standen. auf der linken agierte jake mit seinem dunkelgrünen bass, den er so herrlich groovy führte, der immer wieder in den vordergrund drang, der das fehlende drumset vergessen ließ, der die basis ersann und weit darüber hinaus schillernde texturen. etwas im hintergrund stand ken an der zweiten gitarre. der griffkünstler zwang sein gerät immer wieder zu enormer beweglichkeit und sorgte so für einen gewichtigen part im soundgefüge von thunderegg. deutlicher aber noch für stimmung und für das bloße wohlergehen an diesem abend war der zweite ken verantwortlich, der seine elektrische violine so selbstverständlich einfügte, als wäre es existentieller bestandteil eines jeden thunderegg songs. auch die handfesteren titel wie etwa das folgende "a fix exists" taten seiner aufgabe keinen abbruch, dann wurde eben etwas grober gesäbelt.


titel um titel folgten, das haus sog sich mit gedanken und bildern voll. die wände musterten sich einer tapete gleich mit metaphern und ablesbaren schriftzeichen. immer wieder hüpften buchstaben in den kreis der konzentrierten besucherschaft und schufen verbindungen und verbindlichkeiten. wer hier saß, sorgte am nächsten morgen für die frühstückssemmeln oder hielt einfach mit seiner dankbarkeit nicht an sich. wer hier dabei sein durfte, erwischte mehr als nur eine gute zeit. er war teil von etwas. dies zu spüren, war ein segen. die band spielte ein erstes set von gut elf songs und brachte eine pause ein. in der stand man beieinander, suchte das gespräch und verhalf den biertragerln zu etwas mehr aufgeräumtheit. speisen machten die runde, worte, weit ab von floskeln, gezeugt aus zugewandheit, empathie, sympathie schließlich. niemand ging, obwohl der abend fortgeschritten, die woche in ihrer mitte gebrochen war, vermutlich für manchen bereits die arbeit am horizont graute. später kam die dämmerung, die nacht bleichte licht und gemüt.


erneut wurde mit einem "gazillion" track eröffnet, "lucky so-and-so" ist im orginal ein e-gitarre befeuerter grower, live jedoch wurde er nicht geköpft, lediglich etwas gezähmter angegangen. die quintessenz ist entscheidend: "fuck that jive, i'm much too old. now i cut the line and roll the bones. i'm just a lucky so-and-so. i'm just a lucky so-and-so." es folgte das wundervolle "skeletons" vom album "line line", das sich später viele zuhörer in erinnerung riefen, um es erwerben zu wollen. das gesamte set enthielt einige songs daraus, u.a. "the schedule show" oder "if you knew me so well". der track selber ist ein schleicher, aber voller berauschtheit und harmoniewillen. immer wieder sah man einen fuß wippen, einen kopf einträchtig nicken, lächeln in den gesichtern, verzücktheit. in der gesamtheit ein bild, das ich mir immer wieder zurückrufen werde, in die erinnerung treiben, um daran zu nagen.
noch einmal wurde auf das neue album verwiesen, "nation of avenues", ein charmer, "what i wrote down", ein feiner countryheuler. im abgesang dann noch die kleine geschichte des paars in der bar, das nicht voneinander lassen konnte: "they kissed, they kissed" und den von ken moon gesungenen abschlusssong "moonshiner". das ende war nicht das ende, sondern der beginn von etwas. der blues lud sich ein, die gitarre kreiste noch manche runde und im wechselgesang tauschte man geschichten aus, u.a. die von der bereits absolvierten tour, die thunderegg durch ganz deutschland trieb. manch einer von ihnen hatte hier seine erste zeit und wird durchaus positiv in der heimat berichten können. auch ein erfolg.
waren schon wieder vöglein zu hören, stibitzte sich ein erster strahl durch feinen wolkenbehang? es war noch zu essen, es war noch zu reden, die diskussionen war längst vergangenheit, da hatte austausch stattgefunden. das maß nehmen wurde durch maß halten ersetzt.



stimme heben ist ein akzent, das solo ein kontrapunkt, der backgroundgesang kein aufbegehren. pointiert, akzentuiert, fein gesponnen, aber nicht im arrangement gefangen. die musik von thunderegg ist facettenreich und doch im gedanken, in der harmonie, in der idee verhangen. und das ist gut so, weil es erdet und verbindet, weil es den bogen spannt. vom musiker zum zuhörer und das produkt freigibt, um den kreis wieder schließen zu können. ins feedback stahl sich ganz viel liebe. wow!


zwei möglichkeiten gibt es dieser tage noch, um thunderegg zu erleben, nutzt sie bitte:
12. juli kassette, düsseldorf
13. juli woody bash festival, hamburg

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