Montag, März 01, 2010

the magnetic fields - realism (2010)

schöner könnte der beginn von „realism“ nicht sein. als hätte es keine fast zweijährige pause seit „distortion“ gegeben. die knarzige atmosphäre, die der erste track „you must be out of your mind“ samt streichereinlage vermittelt, macht glauben, dass fortgeführt wird, was dereinst begonnen wurde. doch der eindruck täuscht. und wer genau hinschaut sieht, dass bereits die optische aufbereitung des neuen albums von the magnetic fields gegensteuert. das erschreckende pink von „distortion“ erhielt damals einen männlichen auftritt in strichform. während dessen wartet „realism“ (nonesuch) mit dem weiblichen pendant auf und ziert sich in distanziertem ocker. darauf kann man sich einen reim machen. oder nicht. sollte man sich ernsthaft fragen: feminin = wirklichkeitstreue; maskulin = verzerrung? dabei enthält „realism“ tracks mit titeln wie „the dolls’ tea party“, „the dada polka“ oder „everything is one big christmas tree“ und man führt sich an der nase herumgeführt. die aktuellen frauenpolitischen fragestellungen laufen dem konträr. dort sind die fähigkeiten des weiblichen geschlechts (multitasking) längst gewähr, die überflügelung des bis dato starken widerparts ausgemachte sache. und merritt singt „people of earth, don’t just stand there, the dada polka is as fun as it sounds, move hips and hands when the band plays the dada polka, you may lose a few pounds.” ok?! “life is only a dream”, spricht der unbeirrte frontmann aus welcher perspektive? es ist vielleicht nur ein spiel. traumwandlerisch bleibt jedoch, wie stephen merritt melodien zaubert. "realism" hat zigfach magische momente, die sich aus einer wenig distanzierten untermalung und merritts gefühl für schmelzeharmonien speisen. neben dem opener gilt dies für das mandolinen geführte und step by step intonierte, von shirley simms in höchsten tönen angestimme "interlude", das manische "we are having a hootenanny", da der mehrstimmgesang und akkordeonpower für volkstümelcharakter sorgen, das in alten spuren fahrende "i don't know what to say" mit einem ins abseits gerückten merritt gesangspart und einem viel zu frühen ende oder für "walk a lonely road" mit seiner perfekten untermaltung aus resignation und hoffnung.
wo „distortion“ für eine profilierte, zum teil schraffierte, immer aber raue oberfläche sorgte, verklausuliert liebreiz auf dem aktuellen werk jedoch immer wieder songwriterische klasse. gehörte ich zu „distortion“ zeiten zu den befürwortern und bejahern des verzerrer projekts, so neige ich dieser tage dazu, ein deutliches nein hinsichtlich harfenklängen und verhallten gesangs auszusprechen. es wirkt vieles wie nachträglich abgerundet, geschönt, verfeinert. als bliese zuckerstaub über die fertigen trackspuren. das giftige und kraftstrotzende element fehlt. etwas. die gegensätze sind hervorgehoben. wer mag, kann sich in ihnen wiederfinden. zwei alben sind geschaffen, die sich gegenseitig bedingen. nur wenn du "seduced and abandoned" hörst, spinettklänge, vorwitzige perkussion, cello, ein sänger, wie es ihn inniger kaum gibt, vergißt du alles, was du je kritisches hervorgebracht hast und dankst dem kerl für sein langwährendes musikalisches tun.

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