Dienstag, August 11, 2009

konzert: bill callahan, 09.08.09

die dampfende hitze der großstadt schlug uns landflüchtlingen beim ausstieg aus dem auto brütend entgegen. mensch, war das noch warm. da half es nur, gleich nach dem kartenkauf in den biergarten an der isar zu flüchten, sich ein helles zu schnappen, um lustvoll schlürfend nebenher auch noch an der riesenbrezen zu knabbern. das schuf entspannung, forderte energisch die besinnung auf das kommende ein und roch so sehr nach urlaub, sommer und dem stückchen freiheit, was man sich so selten erkämpft.
das ampere, so friedlich an den wassern der stadt gelegen, bot allen zuhörern platz, aber nicht viel mehr. dicht gestaffelt stand man hinter uns, die es an den rand der bühne gespült hatte. aus lüftungen zu unseren füssen flossen kühle luftströme, so dass der nacken feucht, aber die haxen stets wunderbar gekühlt waren. wären nicht ein paar verzweifelt konsequente gewesen, die meinten unbedingt sitzend den abend verbringen zu müssen, hätte atmosphärisch alles gepasst. doch die hippienachkommen wähnten ein lustvolleres erleben aus der froschperspektive und mussten mit sorgfalt immer wieder umtanzt oder beim standwechsel aufmerksam in die taktischen überlegungen einbezogen werden. war nicht weiter schlimm, nur für die detailverliebten unter den lesern.
gleiches gilt für das vorprogramm, nur eine randnotiz. sophia knapp stand da vor uns mit ihrer gitarre und dem wenigen, was sie hatte. eine stimme. die setzte sie zwar kraftvoll und mutig, fast schon ausgereift und förderlich ein. aber das songmaterial bot keine oberfläche, die nur einen bruchteil dessen hätte reflektieren können, was die junge amerikanerin wollte. die songs wirkten wie zermörsert, teilchen, fetzen zogen vorbei und es war am hörer, diese in collagen zusammenzusetzen. mit ein wenig glück erhielt man eine ahnung und die momente von schönheit und klarheit waren auch vorhanden, aber sie konkurrierten unangenehm mit den tempiwechseln, dem zuweilen ungestümen agieren an der gitarre, den melodienversätzen und -sprüngen und dem bleichen vortrag, der es leider blieb angesichts einer ins sich gefangenen stimmung, der sich sophia knapp nie zu entledigen schien. das publikum, ungewöhnlich aufmerksam, dankte dennoch brav für die bemühungen der in spandexhosen und goldgefärbtem gekleideten. setlist s. knapp: silver raw / evermore / nothing to lose / take a picture / so sorry baby / looking into... / something to believe in

nach kurzer nachtankpause zogen bill callahan und mannen ein. der aus maryland stammende sänger, in levis und weißes hemd gewandet, die haare halblang, ungefönt, aber rasiert, erfrischte die runde mit einem matten lächeln und zog sofort in die arena ein. ansatzlos gehts zu "jim cain", wie auf seinem aktuellen album "i wish we were an egale". ein sanfter einstieg, wie die e-gitarre verstiegen wimmert, die drums nur förderlich geschlagen werden, die violine stetig säuselt und der bass raumgreift. dazu die gnadenlose stimme callahans, das sanfte anheben, wenn es den ersten refrain zu absolvieren gilt. der zuhörer richtet sich ein, sieht sich unbefangen um, rückt sich seine gebeine zurecht. gelungener kann kein beginn sein. die runde ist ergriffen und alles besticht durch konzentration. die sich unvermittelt überträgt auf "rococo zephyr".

bis auf die pianospuren und den dichten streicherwamst ist alles da: das taktische schlagzeugspiel, die perlende gitarre und ihr kurzes widerpartgeben, der federnde vortrag callahans. das beschwingte, so zurückgenommen und doch lebendig angesichts der engagiert agierenden musiker. "all thoughts are prey to some beast" nimmt etwas fahrt auf. nur lief das konzert nie gefahr, schläfrigkeit hervorzurufen. lange nicht mehr hat es mir so viel freude gemacht, jedem einzelnen auf die finger zu schauen. während sich auf den ersten blick das professionelle in den vordergrund schiebt, lösen einzelne momente den schleier und offerien eine truppe leidenschaftlicher. vorneweg natürlich der frontmann, der zuweilen - an besonders intimen stellen - kleine tänzelnde schritte vollführt, als wollte er das gesungene unterstreichen. seine les paul ist nicht nur ein schönes holz, sondern ein melodienführer wie er im buche steht. immer wieder neu ist man angesichts der feingeschliffenen harmonien entzückt. abgerundet wird der vortrag callahans durch ein mimenspiel, das mehr zeigt, als ihm vielleicht lieb ist. auf der anderen seite wirkt er derart geerdet, wenn er zwischen den songs launige ansagen macht, dass man ihm ein dickes fell zutraut.
nicht nur die letzten beiden unter eigenem namen veröffentlichten alben werden zitiert, callahan und co. greifen ebenso auf smog bewährtes zurück. so langen sie fleißig bei 'a river ain't too much to love' zu, in dem sie nacheinander "say valley maker", "rock bottom riser" und "let me see the colts" spielen. "our anniversary" von 'supper' beschliesst den reigen, der uns aus der vergangenheit etwas taumeln lässt. der blick auf die musiker hilft, sich etwas zu lösen, um nicht ins bodenlose zu fallen, sich vom rattenfänger mitreissen zu lassen. callahan länger ins gesicht zu schauen, erweist sich als direkte spiegelung und als ein unmögliches unterfangen. "diamond dancer" wirkt wie eine erlösung und bildet den auftakt zur munteren abschlussrunde. in aller exaktheit wird aufgespielt. die truppe ist aufeinander eingeschossen, kaum verständigung notwendig. "sycamore" wärmt auf für "eid ma clack shaw", das sowohl euphorisch empfangen wie gespielt wird. mit "the wind and the dove" findet das konzert seinen ungekrönten abschluss. doch die fünf kommen noch einmal heraus. "cold blooded old times" und "bathysphere" schliessen, in smog gefilden wildernd, ein viel zu schnell vergangenes, großartiges konzert ab. setlist bill callahan: jim cain / rococo zephyr / all thoughts are prey to some beast / say valley maker / rock bottom riser / let me see the colts / our anniversary / diamond dancer / sycamore / eid ma clack shaw / the wind and the dove / encore: cold blooded old time / bathysphere

1 Kommentar:

Oliver Peel hat gesagt…

Genauso habe ich Bill Callahan auch erlebt. Launige Ansagen machend, tänzelnd und Grimassen schneidend. Ein Typ mit diabolischer Ausstrahlung! Und welche Stimme der elegante Bursche hat! Prima Konzertbericht, macht einen Riesenspaß das zu lesen! Und auch Deine Fotos werden immer besser, Eike. Fräulein Knapp beispielsweise hast Du richtig gut getroffen :)