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Donnerstag, Juli 09, 2015

neue töne (1553): scott matthew


photo by michael mann

mit dem song "effigy" startet scott matthew in sein neuestes album "this here defeat". vertraut sägen die bögen über ihre streichpartner, wohl bekannt setzt sich des australiers stimme ab, doch einem neuen glitzern nicht entrinnend, wenn sich zaghaft, aber deutlich vernehmbar elektrisches gewerk dazwischen mischt. mit jürgen stark erweist sich matthews neuer kongenialer musikalischer partner die ehre. er half ihm in andauernden sitzungen aus fragmenten songs entstehen zu lassen. die bislang bekannte wesenart, lieder in eher kargem gewand zur schau zu tragen, erfährt eine überarbeitung. weitab von prunk und gloria, doch mit deutlich mehr staffage setzen scott matthew und partner akzente. backgroundgesänge und  elektronische drums in "skyline" sind weniger behelf, um dem hymnischen, der gediegenheit nachdruck zu verleihen, als neu hinzugewonnene stärke. so wie dem zaudern der mut folgt, in vermeintlich naturgemäßer reihenfolge - scott matthew kann hier stets als zeuge zu rate gezogen werden.

"seine darbietung war wieder einmal einzigartig. mit seinem falsett, seiner tröpfchenweise angeschlagenen ukulele und dem gen himmel gerichteten blick erweicht und erreicht er wohl fast jedes herz. ob "little bird" oder "in the end", immer wieder reisst matthew an den leinen, die uns so lose mit dem windigen leben verbinden, immer wieder führt er vor, wie nah wir am abgrund stehen. er ist ein meister des geronnenen glücks, der lebhaften verzweiflung und des gestockten atems." (januar 2009).

in "constant" weicht matthew aus, begleitet von einer einsam mäandernden e-gitarre und einem blassen bass, füllt die spitzen des lungengewebes aus, bedient sich der eindrücklichen kopfstimme, ganz dem verlust hingegeben. es ist weniger ein beweinen, denn ein sehr bewusster gedankengang, um zu konstatieren, vielleicht um abschied zu nehmen. so wie es matthew hier tut, kann es kein zweiter.

mit  "soul to save" und "ruined heart" setzt der in new york lebende songschreiber die kehrtwende zu mehr sparsamkeit fort. hier in den hall geschmiegt der gesang, etwas ukulele, e-bow effekt, schlichtes drumming, dort zunächst etwas piano und synth harp, später eindringlichkeit offerierend dank des cello einsatzes. hier ein schwebender moment, dort ein tiefgründendes schürfen.

"matthew entglitt unvermittelt in eine angespannte, hoch konzentrierte haltung, die dem gegenüber einen platz zuweist. obacht! aufgepasst! hier zerreisst sich jemand, hier zieht sich einer die haut über die ohren. manchmal glaubte ich solcherart gerichtete bewegungen beobachtet zu haben." (mai 2009).

der titeltrack legt zeugnis eines erstarkten menschen ab, der selbst verluste zu nehmen weiß und deshalb darauf verzichtet, einen song über einen verflossenen zu schreiben, er könnte ja schließlich damit hausieren gehen. vor jahren, meine ich, undenkbar. "bittersweat" wird gar zum freundlichen schunkler, obwohl auch hier eher das trennende denn das einende beschrieben werden muss: "and you stop and i start to prepare for a broken heart now, lets agree to disagree".

"es ist sein los. er muss den dürstenden das wasser reichen, den hungrigen den laib brechen. er muss sich selbst auswringen, nackt daherkommen, um alle zu befriedigen, die sich nicht satt sehen, satt hören können. wer die menschliche kreatur verstehen will, muss sich mit beziehungen beschäftigen, mit den sozialen räumen, mit dem zurückgeworfen sein auf das eigene selbst. und so reflektiert matthew immer wieder aufs neue das bekenntnis zur liebe, gibt dem drängen nach ausdruck nach, obwohl es ihn stets gebrach." (juni 2011).

zwischen leichtigkeit bis zur ungehemmtheit, gepaart mit einer prise unbedarftheit, die sich in kindlichem staunen breit machen kann, man erlebt matthew in natura oft sehr erfrischend und nahbar. sein faszinierendes und doch autistisch wirkendes innenleben offeriert er doch erst zwischen den noten seiner lieder. "here we go again" ist lieblich, "ode" ein gruß an den verstorbenen großvater, "palace of tears" ein schönes ende, es spannt den bogen zum bis dahin bekannten scott matthew, der lediglich die ukulele zur hand nimmt, um seine gefühle zur schau zu tragen.

"auch das polarisierende an der musik scott matthews ist unstrittig. das ausgelebte emotionale tiefschürfen ist nicht jedermanns sache. ein greinen, ein weinen, ein schluchzen, ausbrüche, gefühlstaumelei, seit jeher bestandteil des ausdrucks des new yorkers, treffen auch das geübte ohr oft genug unvermittelt. die konsequenz, mit der der barde seinem sentiment nachjagt, es gar umhegt und pflegt, ist es, die des kritikers grundabwehrhaltung umreisst." (august 2013).

scott matthew beeindruckt mit einer bandbreite, die man dergestalt nicht erwartet hatte. besonders stimmlich zeigt er sich wandlungsfähiger, zuweilen präziser, als in den vielen jahren zuvor. das hauchen zerstaubt, das greinen gefriert und eine rauheit sucht präsenz, die eine neue unruhe zu stiften weiß. denn matthew sucht nicht die brisanz im thema, sondern findet thematisches in der brisanz, in der brisanz tief gründenden liebeslebens. das ist wahrlich nicht jedem gegeben.

"this here defeat" erschien im märz auf glitterhouse records.

14.07.2015 - LOERRACH (GER) - Stimmen Festival
15.07.2015 - KARLSRUHE (GER) - Zeltfestival
25.07.2015 - VASTO (ITA) - Siren Festival

04.12.2015 AT - Ebensee - Kino
05.12.2015 AT - Wien - W.U.K.
11.12.2015 AT - Steyr - Roeda
12.12.2015 AT - Dornbirn - Spielboden
13.12.2015 DE - Berlin - Heimathafen

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