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Sonntag, Oktober 14, 2012

konzert: caroline keating, 12.10.12


kein einziges haar fällt ihr ins klare gesicht. ein pony, der über den augenbrauen sitzt. ein blick mitten ins gesicht. manchmal rafft sie zudem ihre schulterlange mähne und bündelt sie lose, so dass man ihren nacken sehen kann. ihre bewegungen sind voller liebreiz und unschuldigkeit. mit einer scheinbaren unbedarftheit, die etwas kindliches besitzt und etwas naives und etwas aufregend charmantes, begegnet sie ihrem publikum. mit konzentration und beeindruckender aufmerksamkeit ihrem instrument. das offene klavier, die kleinen holzklöppel durfte man tanzen sehen, beackert sie kraftvoll und zugleich mit einer sachtheit, dass sie augenscheinlich lieber die zarten, schmalen finger krümmt, als den schwarzen und weißen tasten zu viel gewalt anzutun. ihr gesang ist unverstellt, ungekünstelt, freimütig. kein keckern, keine unwilligen kolloraturen, kein dehnen und zerren um der ausdrucksnuance willen. als lüfte sie ihre atemräume, bekommt die stimme weite und kraft, als drückten emotionale mächte, holt sie mutig aus und hält dagegen.
eine geste mit spannungsbogen, der leicht die grenzen der bühne des rationaltheaters zu münchen sprengt. oft befiel mich der gedanke, dass caroline keating auf eine sommerwiese gehöre, ins freie, da sich ihre musik nach für nach in den wipfeln der bäume, in den zarten enden der grashalme, im gefieder zufällig vorbeifliegender vögel verlöre. durchdrungen von dem, was den menschen tatsächlich auch noch ausmacht, findet die natur ihren glauben zurück. 


sebastian chow an der elektrisch verstärkten geige und matt perrin am standup bass waren die sideparts der jungen sängerin und songschreiberin aus montreal. hier melodienreisser und kunstvoll akzente setzender streicher, dort deutlich im hintergrund arbeitetender grundierer. beide folgten ohne zögern ihrer meisterin durch die fluchten ihrer zum teil rasanten popfahrten. denn was keating zu bieten hat, sind keine geschönten liedchen, keine übersichtlichen dramolette, keine eitlen stampfer, es sind wohldosierte songs, die reife besitzen und ihre krönung erhalten, in dem sie pointiert arrangiert und mit maß vorgetragen werden. zögerlich hie und da der einstieg, schmiegsam und mit lichter bewegung, die worte präzise geformt wie der bäcker die brezen dreht, anschub oder ein verzücktes innehalten, kontrapunkte rationiert und doch mit großer wirkung, dann krachts. und caroline hebt die stimme und wieder ist einhalt geboten, wenn sich die stahlträger unter der decke biegen, die bühnenvorhänge im sturm taumeln und der wind den gästen ins gesicht bläst.
vielleicht hatten sie sich ein wenig mehr versprochen. am vorabend waren wohl gerade mal knapp zwanzig zuhörer im schmucken kleinen theater in der hesseloherstraße. diesmal waren es mindestens dreimal so viel. doch der funke wollte lange nicht überspringen. etwas zögerlich der applaus, kein "ho", kein "ha", keine wohlwollenden pfiffe. später erst. dann war aber auch schon fast schluß. dazwischen durchdrangen das hitverdächtige "silver heart", das sich an einer allzeit erinnerungswürdigen melodie labt, das munter klopfende "the pier", das zunächst maniriert tupfende, später ausholend engagierte "ghosts" oder das freudig meckernde "billy joel" und die zwiebetrachtete liebeserklärung "montreal" das aufmerksame rund.


manchmal zieht sie eine schnute, dann lächelt sie wieder oder kichert in sich hinein. wenn sie sich ihrem publikum zuwendet, zeigt sie leuchtende augen. es ist eine wahrhaftige begegnung. kunst ist es zu tun. da wendet sich die dreistigkeit des theatralischen ab. caroline keating ist durchdrungen und eins mit dem, was sie bewegt und was sie zur sprache bringt. man wollte ihr folgen, abwege traute man ihr dabei nicht zu. doch bei aller unschuldigkeit haust ein schalk in ihrem zeitweise freigelegten nacken.
"silver heart", das debutalbum wurde gerade frisch auf glitterhouse records bereitet (26. oktober), bleibt mehr als eine empfehlung.

caroline keating - silver heart

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