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Dienstag, April 19, 2016

neue töne (1615): micro pop week 2016 (rückschau)


man müsste eigentlich immer und immer wieder erklären, was die micro pop week ist, warum es sie gibt, warum es sich vor allem lohnt, sich dafür zu interessieren, sich dafür zu engagieren bzw. an ihr teilzunehmen, sie zu besuchen. eine woche lang wird seit drei jahren jährlich der mikro-musik-szene eine plattform geboten, die unabhängige labels und künstler nutzen können, um sich einer breiteren öffentlichkeit vorzustellen. es etabliert sich zunehmend eine zusammenkunft von gleichgesinnten, die es dabei nicht versäumt, sich auch deutlich nach außen zu positionieren, zu präsentieren. die veranstalter verteilen die aufgaben während der woche auf viele schultern, bieten in der gesamten stadt unterschiedlichstes programm, bestehend aus filmen, konzerten und ausstellungen, und zielen am abschlusstag mit labelmesse, workshops, podiumsdiskussionen und abschlusskonzerten noch einmal ganz genau auf ihr publikum. den interessierten musikfreund, der abseits der ausgetretenen pfade spannende neue projekte entdecken möchte.

aufgrund der räumlichen distanz war es mir nur möglich, an einem kleinen teil der mpw teilzunehmen. doch bereits dieser zeigte mir auf, mit welcher leidenschaft hier ein unternehmen betrieben wird, dem noch viel zu wenig aufmerksamkeit geschenkt wird. der aufwand ist immens, der ertrag lässt sich nicht beziffern. denn er ist nicht monetär darstellbar, und soll es auch nicht sein. es geht um viel mehr. kontakte, zusammenkünfte, auseinandersetzung, der kunst einen angemessenen rahmen geben abseits von rechenexempeln, abseits von marktzwängen.


in einem alten schulgebäude, das mittlerweile komplett von künstlern okkupiert wurde, fand am vergangenen freitag der sicsic- labelabend statt, der gleich drei musiker (-kollektive) an den start brachte. zunächst bekamen wir es mit tobias schmitt zu tun. der frankfurter begann sein set auf äußerst spannende weise, in dem er den ton von einem kleinen laufrad, das in einen holzschemel integriert war, abnahm. hinzu fügte er das knarzen des schemels, wenn er selben auf dem tisch hin und her schob, sowie audiodateien, die er wiederum von seinem ipad entließ. zunächst irritiertend leise, später mit deutlich griffigeren momenten. im verlauf des sets erwartete man aber gerade diese besondere knarztöne wieder, dass sie eine art bogen schlagen würden. aber was wäre experimentelle kunst, wenn sie den hörer nicht überraschen wollte. und so erhielt der anwesende einblick in den schaffensprozess, indem er dem künstler auf die hände bzw. aufs pad gucken konnte und sah, wie dort balken auf- und abgeschoben wurden oder mehrere finger gleichzeitig kreise bildeten. tobias schmitt erhielt mehr als diebischen beifall für seinen vortrag aus ambienten, krautigen, spacigen tönen.


in der folge durfte das duo flamingo creatures erwartet werden. ruth-maria adam und ronnie oliveras verfolgten einen ansatz aus performance und improvisation, wobei ruth-maria die wie gekränkten saiten ihrer geige bearbeitete, zuweilen einen vokalen part übernahm und ronnie mit diversen instrumenten und gegenständen abstrakte klänge schuf, die erst in der elektronischen bearbeitung zur reife gelangten. beigefügt wurden auch von ihm gesang- bzw. sprachanteile. die experimentelle kunst, hier die verquickung der benannten elemente zu einem organischen ganzen geriet zu einem höhepunkt des abends, weil dem moment des tuns aufmerksamkeit zuteil wurde und diese ihm zugleich entzogen wurde. vielleicht weil banal, vielleicht weil egal. das tun und die inspirierende wertigkeit des schaffens selbst, die kontaktaufnahme mit den anwesenden zählte. die direktheit ging weit über die körperliche nähe hinaus. beide künstler vermittelten eine inspirierende mischung aus ernsthaftigkeit und dringlichkeit sowie klarheit und spontaner reaktionsfreudigkeit.


daniel voigt schließlich brachte als letzter in der runde seine kassettenschau in stellung. apropos stellung. zunächst begab er sich in selbe, wie er da aufrecht mit sonnenbrille und halstuch vor den mund gespannt vor seinem publikum stand, ging mir der gedanke von der geräuscheguerilla durch den kopf. vier jeweils an ein mischpult gekoppelte walkman wurden alsbald mit kassetten bestückt und mittels tonaler bearbeitung via diverser potentiometer einem unfreien ergebnis nach moduliert. die strenge des künstlers und seine unscheue schau brachen wie ein gekrümmter sonnenstrahl im wasser in die nach wie vor bereite zuschauerschar. loops addierten field recordings, tonale halluzinationen auf schleife. ein wettern, ein zirkulieren, ein mäandern und kopfstände bereitendes etwas. wenngleich nicht alles und jedes zu identifizieren war, was hier zu klang verarbeitet wurde, so genoss man dennoch das spektrum an möglichkeiten und seine sonderbare verwendung zu einem erlebnis, das überdauert. zum ende seines konzerts platzierte voigt weitere abspielgeräte im raum und eröffnete diesem damit eine neue dimension.

man kann der mpw und dem veranstalter dieses abends, der initiative lama-musik nur außerordentlich für diesen hochwertig kuratierten abend danken und gratulieren.

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