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Samstag, Januar 23, 2016

neue töne (1579): nightbird


photo by katarina pada

es gibt dinge, für die ist irgendwann der zug abgefahren. zum beispiel jung eine platte aufzunehmen. in jenen jahren, in welchen man meint etwas zu sagen zu haben. jahre, in denen das erwachen hand in hand geht mit dem rigorosen zwang auszudrücken, was einen bewegt. der überschwang an emotionen führt nicht immer zu gleißender sprache, aber dennoch formen sich ideen, wünsche und forderungen, die oftmals ein leben lang bestand haben. manch einer pinselt sie in sein tagebuch, ein anderer schreibt einen song. es sind jahre, aus denen wir auftauchen wie nach einem lange währenden aufenthalt unter der wasseroberfläche. nach luft gierend wenden wir den kopf nach links und rechts und wollen nicht so recht erkennen. wir tauchen wieder ab, um die alte heimat wiederzufinden und können sie doch nicht mehr entdecken. etwas hat uns bei den armen gegriffen und uns aus jener welt in diese geführt.

anna-stina jungerstam aka nightbird antwortet, wenn man sie nach einem grundsätzlichen statement für ihren selbstbetitelten erstling fragt, folgendermaßen: das album trüge ein gefühl von nostalgie und melancholie, einerseits wäre hier die schwere, dunkle traurigkeit, andererseits würde stets auch ein klarer hoffnungsschimmer um die ecke lugen.

nicht von ungefähr hat sie sich für ihre erste platte ein cover ausgesucht, auf dem sie sich inmitten einer großväterlichen landschaft aufhält. altes mobiliar, die staubige stehlampe, die vielen bücher. dreht man die hülle um, verbleibt nur noch die vormals über den geschoss gelegte gitarre auf dem vereinsamten sessel zurück. so als wäre eine aufgabe geschafft.


photo by aino aksenja

eine aufgabe, die anna-stina darin sieht, authentisch zu sein und den mut aufzubringen, das zum ausdruck zu bringen, was sie wirklich bewegen würde. so singt sie über sehr persönliche dinge, als würde sie eine art therapie durchmachen. manchmal gelänge diese, dann wieder aber entwickelt sich ein song in eine ganz andere richtung. oder aber sie transportiert über ein lied das, was sie jemanden gerne sagen würden, sich aber nicht direkt zu sagen traut.

ihre musik ist fast zart, jedoch mit einer inneren stärke versehen, die der fragilität eine festigkeit verleiht, ausdruck findend in einer stimme, wie sie nur wenigen verliehen wird. vielleicht offeriert sich hier eine alte seele, die sich nicht nur in einer person und ihrem gebahren, in ihrem sein, in ihrer von widerspruch freien persönlichkeit zeigt, sondern in eben diesem gesang. fest, seetauglich, an stellen brüchig, die einer einwandfreien betonung nicht bedürfen. an den rändern abgeschabt, mit einer patina bedeckt und doch irgendwie glänzend.
zu ihren vorbildern zählt sie nicht zuletzt die bluespioniere, sieht sich stark verbunden mit einer alten songwritertradition, die sie aber auch in moderner musik entdecken kann. deshalb steht sie leuten wie jack white, conor oberst, aber auch tom waits oder chan marshall nahe. hier holt sie sich inspiration, wie man die gitarre führt, aber auch bezüglich des stimmeinsatzes und hinsichtlich der fortentwicklung ihres songwritings.

ein schreiberling subsumierte ihre musik einmal unter finnish forest folk, nachdem er nightbird live erlebt hatte. seit dem hat es sich die skandinavierin zur aufgabe gemacht, diesem terminus hinterher zu jagen und versucht musik zu finden, die dem label entspräche. aber die idee an sich gefällt ihr. schließlich wuchs sie in vaasa auf, einer gegend in finnland, die tiefe dunkle wälder aufweist, um die sich mystische geschichten ranken. der einfluss finnischer, aber auch schwedischer natur auf das wesen der musikerin ist nicht zu leugnen. darüber hinaus weiß sie um die besondere wirkung manch heimischer künstler wie etwa irwin goodman oder rauli badding somerjoki. doch obwohl finnisch bzw. schwedisch ihre muttersprachen sind, drückt sie sich in ihrer musik am liebsten in englisch aus.

der sound ist dicht. perkussives breitet sich aus, benebelt mit tiefem gründen, die gitarre gibt sich flott und streitbar. die junge frau wirft narratives ein, geriert sich wie eine erfahrene.
der sound ist warm. der bass stösst an, federt ab. die boxen sind prall gefüllt. die becken scheppern schließlich im einvernehmen mit einem griffigen refrain. noch mäandern die saiten zwischen den stetig treibenden texturen.
der sound ist feingliedrig. alles scheint in einem atemzug zu leben. ein heller drone, ein benigner beat. in freundlichkeit bricht die akustische ins bild. die melodie ist längst vertraut, in die stimme geschoben dem hörer wie ein warmes plaid um die schultern gelegt. plötzlich ist die erste seite der platte bereits abgelaufen.
wie von fern ein tönen. als läge der see unter eis und von gegenüber ruft jemand nach dir. du weißt nicht wer, aber die verlockung es zu wissen, die ist groß. der mond schiebt sich zwischen den wolken ins freie.
im brass, im stomp wirkt der nightbirdsche gesang fast erfrischend juvenil. auch hier finden sich subfebrile harmonien. ein zwischenspiel.
bottlenecked, der blues kehrt schwer in den gesang zurück. die klangfarben sind dunkel und bindend.
am klavier kann sie es auch. vielleicht der intimste moment.

nightbirds debütalbum erschien via margit music am 20. november des vergangenen jahres. es wurde von katharina nutall (ane brun, skriet) und linus andersson produziert. das wohlklingende vinyl könnt Ihr hier erwerben oder direkt bei der künstlerin.


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