im januar 2008 schrieben wir erstmals über sam amidon und können uns rühmen, einen großteil seiner musikalischen karriere begleitet zu haben. damals ging das so:
sam amidon lebt in einer musikalischen gemeinschaft. da gibt es zunächst mary alice amidon, seine mutter, deren aktuelles album "keys to the kingdom" sam produzierte. mit dem vater peter besang sie ebenso vinyl wie unter dem label "the amidons" mit der gesamten familie. zu der gehört auch stefan amidon, sams kleiner bruder, der sich in new york als drummer den lebensunterhalt verdient. gegenseitig befruchtet und unterstützt man sich. um den kreis derer zu vergrößern, die in das musikalische umfeld des sam amidon gehören, sei zunächst auf liz green und george thomas verwiesen, mit denen der vermonter im winter/anfang frühjahr auf englandtour sein wird. der name valgeir sigur∂sson steht daneben für die produktion des aktuellen albums. der isländer ist selbst musiker und teilt mit amidon das label bedroom community. dort erscheint anfang februar das neue werk von sam amidon "all is well". wer mit so einer überschrift an den start geht, dem wird alles gelingen. und den ersten reviews zufolge, handelt es sich bei dem neuen werk um ein kleines masterpiece. stilistisch größen zugeordnet wie van dyke parks oder jim o'rourke, sich lyrisch messend mit "the briar and the rose", den "murder ballads", verglichen mit lambchop und damien jurado. sam amidon spielt banjo, fidel, wird unterstützt von bruder "stefan (drums on wild bill jones and wedding dress), nico muhly (piano and orchestral arrangements), ben frost (programming and bass), aaron siegel (percussive textures and glockenspiel), eyvind kang (viola), morse (additional vocals on little satchel), and sigurðsson (bass, electronics, harmonium and percussion)." klassische folksongs in neuem gewand, dazu die rauchige und scheinbar wenig wandelbare stimme amidons. ein besonderer zauber liegt über dieser musik. "but this chicken proved false hearted" hieß sein letztjähriges album und auch hier wurde man in eine andere welt gesogen, die wärme vermittelt, ohne dass man ins schwitzen käme. einen eigenen musikalischen charakter konnte amidon entwickeln. vielleicht deshalb schreibt er seinen namen auf den alben zusammen, um etwas abstand zu gewinnen vom allzu klassichen folkgewand der restlichen familie. sein erstes album "solo fiddle" nahm deren fäden noch auf, hier bearbeitete er mit der geige traditionals. kurz danach begann seine eigentliche karriere.
zwei jahre später bewerteten wird das album "i see the sign" mit ***1/2-****, was durchaus als generös bezeichnet werden kann. mittlerweile sind wir beim sechsten album angelangt. sam amidon veröffentlichte "lily-o" am 30. september auf nonesuch records. seit mehr als einem monat also bewandert diese feine folktat das erdenrund und das echo darauf ist viel zu gering. wie es sich stets zögerlich verhält, wenn etwas gutes zutage tritt. die götter zürnen der freude und des frohsinns.
das sphärische, verschiffte moment glänzt wie schwerer sonnenstrahl auf aluschild. matt dünstet es aus. in der erinnerung erhält es patina und führt dich an die gestade einer freundlichen vergangenheit. und wie man sich nicht mehr der worte gewahr wird, werden die gerüche, töne im nachhall umso deutlicher. aus der spontaneität heraus und mit der lust zur improvisation entwickeln sich lieder, ohne dass ihnen das los der tradition abgenommen wird. denn der großteil der zehn songs auf "lily-o" sind alte folksongs, die sam amidon lange zeit begleiten. die übersetzung in die neuzeit gelingt mit einem erstklassigen ensemble aus dem jazzgitarristen bill frisell, den langezeitkompagnons shahzad ismaily am bass und chris vatalaro an den drums sowie unter der führung des produzenten valgeir sigur∂sson.
fast schon abstrakte zeichen formen sich auf den notenblättern, es finden sich aufgefächerte texturen, die verschroben gänzlich neue muster ergeben. während sich der titeltrack noch anfangs wie ein karger folksong geriert, erfährt er eine metamorphose experimenteller bearbeitung, da sich strukturen auflösen und der cut-technik gleich, puzzleteile in neuer form wieder zusammengeführt finden.
das rauschen einer offenen gitarre, die worte mehr gesprochen denn gesungen, dass wie ein leitbild das gesicht des freundlichen bert jansch auftaucht, ein akzentuiertes blitzen der sechssaitigen. pausen, die die dichte scheuen. eine freizügigkeit, die sich dem hörer entgegenschlägt. pure, gedrosselte energie, gezügelte leidenschaft. im spiegelbild instrumentaler meisterschaft. entzogen der beengenden sicht der ich-perspektive, gewechselt auf breitwandlinse. die geschichte weicht in den hintergrund, wie man anderes vertrautes zunehmend vernachlässigt und sich auf die randzeichnungen konzentriert.
"lily-o" ist ein meisterstück. es bebildert sowohl die vergangenheit als auch die währende möglichkeit auf zukunft. zukunft in einer sparte, die sich selbst abzuschaffen schien. sam amidon beweist, dass der blick zurück immer auch einer nach vorn sein kann. sam amidon besingt mit seiner gekränkten stimme die sorgen und nöte aus einer schwarz-weiß-welt und weiß um ihre zeitlose präsenz. in diebischer freundlichkeit bearbeitet, übertragen ins hier und jetzt.
19.11.2014: Hamburg - Kleiner Donner
20.11.2014: Berlin - Monarch
21.11.2014: Erfurt - Franz Mehlhose
22.11.2014: Saarbrücken - Sparte 4
23.11.2014: Köln - Studio 672
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