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Samstag, Juni 14, 2014

konzert: orange blossom special festival 18, teil 7


der restliche sonntag des orange blossom special festivals nummer 18 ist ab 16 uhr zu verfolgen, da mit david lemaitre ein musiker auf die bühne trat, der erstaunlich lange für seinen soundcheck benötigte. dass die akurate ausjustierung seiner instrumente bedeutung haben sollte, erfuhr der zuhörer alsbald. der aufgeweckte junge mann mit wurzeln in südamerika ließ einen so ziselierten, feingliedrigen sound erklingen, dass man jedes einzelnen tons gewahr wurde, gewahr werden musste, um das organisch transparente gewirk verstehen zu können. hinter dem drumkit versteckte sich ein gelockter kerl, der u.a. auf ein stück holz einschlug. vor ihm der das cello bedienende bezopfte musiker, der sich genauso einem keyboard widmete, das als klanggrundlage verschieden gestimmte weinflaschen nutzte. auch ein stück folie oder ein leeres wasserglas, das er in der hohlen hand klopfte, nutzte dieser zur erzeugung einzigartiger töne. währenddessen stand david lemaitre auf der linken bühnenhälfte und bediente seine gitarre und imponierte vor allem mit einem engelsgleichen gesang, der ihn offenbar in die höhenlage seines heimatortes in bolivien verschlug. in der konsequenz enstand ein fesselndes klangbild, dem man sich nur schwer entziehen konnte. 


 während der mittlerweile in berlin lebende intonierte und die gitarre zum perlen antrieb, changierte das drumming zwischen flinker betonung und stetem druck, umtänzelten cello- und synthieklänge das geviert, immer wieder gekreuzt von dieser eigentümlichen flaschenbewährten akzentuierung. die zunehmende begeisterung auf seiten des publikums quittierte der junge künstler mit immer ausufernderen geschichten aus seinem musikerleben. der erklärungen hätte es an mancher stelle nicht bedurft, aber unsympathischer hat es den kerl auch nicht gemacht. zumal sich die songs nicht in stetigkeit ergaben, sondern genauso flexibel und variantenreich wie manche story waren. insbesondere wenn aus launigem beginn eine forciertheit entstand, die alle ideen bündelte. in erinnerung zum beispiel das munter springende "pandora express" mit einer instrumentalen passage, so weich und doch unnachgiebig, wunderschön. oder "six years" mit seiner sampleleidenschaft. eine großartige performance!
setlist: sweet / spirals / jacques / magnolia / megalomania / six years / olivia / ? / pandora express / airplane / valediction


die grösste vorfreude birgt die größte enttäuschung bereits in sich. die driftenden pole knallen je nach bestimmung aufeinander. zwei drittel des sets von pink mountaintops waren absolviert, als die truppe aus kanada ohne ein besonderes zeichen zu setzen die bühne verliess. die verblüffung stand nicht nur den besuchern ins gesicht geschrieben, auch die veranstalter schauten alles andere als romantisch. auch der wiederholten ermunterung, die ihnen noch zustehenden 20 minuten zu nutzen, kam die band um stephen mcbean nicht nach und beharrte auf der beendigung eines bis dahin anstandslosen konzertes. hier setzte die truppe deutlich auf substanz und ein ausgesprochen handfestes zusammenspiel. während die rhythmusfraktion aus bleifestem schlagwerk und ihm gewogenem basseinsatz für die grundlage sorgte, hielten sich die beiden gitarren weniger an konzepte und nahmen neben der melodieaufgabe jene in sachen ausführlicher saitenbearbeitung ernst. 


 der dürre hecht auf der rechten bühnenseite entzog sich dabei irdischen gesetzen und irrte abseits üblicher gepflogenheiten, um abzuheben, die sengenden töne seines abgearbeiteten holzes aufsteigen zu lassen. immer wieder suchte er dabei den blickkontakt zum bärtigen nebenmann. auf der fetzenden rockhochzeit kam so der ausgewogen gniedelnde versatz zum psychedelischen, mit dem der frontmann herausforderte. gemeinsam zelebrierten sie ein set, das saß. wie angegossen. in die vorderen reihen kam deutlich bewegung, vielfach begeisterte mienen, die sich flink ins gegenteil verkehrten, nachdem das konzert so abrupt endete. im nachgang informationen einholend, erhielt man die nachricht, dass der bass im eimer gewesen sei. leider blieb nicht nachprüfbar, was an der aussage des gitarristen tatsächlich dran war. am ende musste man sich mit dem begnügen, was man bekommen hatte. schade. sehr schade. hier hätte ein schöner kontrapunkt gesetzt werden können. das missfallen der zuschauer kulminierte bspw. in der drohung, nun keine cd der band kaufen zu wollen, der stachel saß erst einmal tief. zu hören gab es u.a. "how we can get free", "ambulance city", "wheels", "plastic man", "second summer" und ich meine auch "through all the worry".


die poesie der bewegung. ausdrucksstark hielt der sänger james johnston von gallon drunk am konzept der gestischen untermalung fest. während die beeindruckende musik seiner band bereits die masse fesselte, zurrte er den knoten dank einer fast artistischen körperbearbeitung fest. wie er sich zu drehen und wenden in der lage wusste. beugen und strecken. über das normale maß hinaus. die biegsamkeit seiner in die jahre gekommenen knochen und muskeln und bänder prüfend. eine schau. 


gleichzeitig grimassierend und heraufordernd mit dem publikum kommunizierend. dem streckte er dann schon mal seine gitarre zu, um sie sich nach kurzer forsetzung seines fitnessprogramms wieder abzuholen. bei aller gebotenen aktion kam die musikalische leistung nicht zu kurz. die muskulösität von gallon drunk erhält eine liebenswerte staffage, sei es durch den einsatz von saxophon oder keyboard, melodische wie jazznahe einschübe. angefochten lediglich durch die auf dicke hose machenden bass und drums. die schweißgebadeten jungs blieben jedoch stets am ball, bollerten nie übers ziel hinaus, sondern stimmten sich auf den punkt mit ihrem charismatischen leader ab. der vollzog parallel zum (trainierten, längst transzendierten) austausch mit den kollegen pose um pose. das hochreissen der gitarre, das schlittern auf den knie oder ein angedeutetes zertrümmern sein instruments inklusive. angesichts eines solch herausfordernden verhaltens ist die überlegung naheliegend, inwiefern sich der bursche das leisten konnte. doch die resonanz der zuschauer bewies. er konnte. unverhohlend johlend danke die masse dem sich extrovertiert gebährenden herrn und seinen mannen.


die quierlige irin hatte von anfang an alles im griff. schon vor ihrem konzert verzauberte sie jeden, mit dem sie in jeder erdenklichen weise in berührung kam, und sei es nur durch ihr keckerndes, ansteckendes lachen. dem konnte sich auch vor einigen wochen nicht anke engelke entziehen, die die musikern in ihre sendung "anke hat zeit" einlud. auf recht perfide weise fragte die moderatorin ihre gegenüber nach deren unfall und den folgen. gekonnt witzig kam das nicht an. schließlich fragt jeder nach dem verloren gegangenen finger, nach der daraus resultierenden umstellung auf ein links zu absolvierendes gitarrespiel, nur eben nicht von hinten durch die brust ins auge. dass wallis bird diese fragestunde sehr locker nahm und mit ihrer angeborenen guten laune beantwortete, muss man ihr hoch anrechnen. so schnell kriegt man die kleine nicht klein. im gegenteil ist es wohl am ende sie, die stets mit hochgerecktem arm dastehen wird, um siege und erfolge zu feiern. wie sie sich peu a peu zu einer international geachteten künstlerin gemausert hat, ist in dieser ausprägung sagenhaft und unvergleichlich. nicht zuletzt ihre aftritte in beverungen sind zeugnis dieses aufstiegs. während sie beim obs 15 noch den opener gab, wurde sie in diesem jahr als headliner des letzten abends eingeladen. 


 mit etwas nervosität ging sie diese aufgabe an, wobei nicht immer klar war, ob sie von unsicherheit im umgang mit der großen masse getrieben wurde oder aber von chuzpe. mit einer unbeschreiblich großen klappe erprobte sie zu später stunde ihre deutschkenntnisse, die sie bei ihrem anwährenden berlinaufenthalt erworben hat. schimpfwörter in salven, unterbrochen einzig von einem rauen, kratzigen, übermütigen lachen. wo so viel freimut herrscht, kann nur die sonne scheinen. so präsentierten sich auch ihre mitmusiker als offenherzige truppe, denen im zuge ihres auftritts stets ein lächeln auf den lippen lag. gar manchmal auch mehr, da sie sich der enormen wucht ihrer frontfrau immer wieder zu vergewissern schienen. dieser derwisch zog so richtig vom leder. wie sie ihre gitarre traktierte, das mikrofon bekämpfte (bis es schließlich auch ihrer performance zum opfer fiel und von einem freundlichen helfer neu auf- und eingestellt werden musste, während die künstlerin vergnügte weiter agierte), wie sie auf der bühne vor- und zurückschoss, wie sie den engen kontakt zum jeweiligen song und zugleich zur anbetenden masse hielt. enorm! 


wallis bird hat zugelegt, weniger körperlich denn musikalisch sowie des musikalischen ausdrucks.ihre sprache ist gewandter, vielfältiger und weniger konkret. was an dieser stelle als ein lob zu verstehen ist. denn die songs wirken nun nicht mehr einseitig geprägt, von einer idee, einem muster, einem riff, einem refrain. die arrangements der dem pop zugewandten lieder sind gespickt mit kleinen widerhaken, die einer klarinette, einer trompete, perkussiven schlagzeugs, einer beatbox entlockt sind,die variabel zu- und miteinander spielen, so dass das gesamtbild organisch, aber mit bunten texturen überlegt, mit kontrapunkten besetzt, malerisch kunstvoll gewirkt erscheint. daneben mangelt es nicht an verve und power. so druckvoll, wie sich die band durch das set pumpte, konnte kein zuseher unbeeindruckt bleiben. zwischenzeitich gebahren wallis bird und band eine hüpfende, tanzende gemeinde. was sich auf platte vielleicht dezent überproduziert und etwas glatt erweist, erhält in der livedarbietung seine rehabilitation dank einer sprunghaften wie bezaubernden künstlerin und dank einer kollektivleistung, die sich von der irren frontfrau anstacheln ließ. was wir hörten? "hardly hardly", natürlich, "river of paper", "i can be your man", "girls", "blossoms in the street", "deeper down", "encore"...?

das wars, lieber leser. ein tolles obs, wieder einmal. wir sehen uns nächstes jahr.

2 Kommentare:

  1. Mein Liebling im Rücken von lemaitre war und ist der perkussionist Joda Foerster (ist auch mit Max Prosa unterwegs). Kommt auch gegen das Weinflaschenorchester an :)

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  2. Wallis Bird: Zuhörer die nahe am Geschehen waren, zeigten sich begeistert. Aus der Ferne konnte mich das nicht überzeugen - die Musik hatte leider das gewisse Nichts...

    Bei Gallon Frank kommt mir immer zu kurz, dass das auch großartige, teils verstörende TANZMUSIK ist...

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