seiten

Sonntag, Oktober 07, 2012

konzert: me and oceans / arpen, 03.10.12


als arpen vorsichtig die ersten töne in seinen roland eintastete, knisterte die atmosphäre. als wäre die erde einen moment in ihrem kreisen gestoppt, weil es ihr nicht gelungen war, gegen diese dicke suppe der allgemeinen erregung anzukämpfen. nun hatten wir es nicht mit schweißperlen auf der stirn, zitternden händen oder flachem atem zu tun, der die stimme schwächt. aber die augenblickliche nähe, der direkte und intime kontakt zwischen künstler und auditorium wirkte zunächst bleiern. die reduzierte, geradezu karg arrangierte intonation von liedern fast klassischer natur hieb durch den raum, erwarb sich jegliche konzentration und durchbrach mit jedem neuen ansatz die stille. ich wagte mich kaum zu regen, hielt zwischenzeitlich ein, mir die lungen mit luft zu befüllen und brach verbrauchtes heraus, wenn der applaus 'brandete' und arpen artig für die erste belohnung dankte. nach und nach zogen sich so fäden durch den raum, kontakte atomarer natur, die sich für den beobachter unsichtbar verschoben, um das, was zunächst undurchdringbar schien, nach für nach aufzulösen. spannungen, befürchtungen, aufgeregtheiten.


natürlich auch nervositäten seitens der gastgeber, uns, die wir schier unmögliches versuchten, nämlich abseits der metropole eine veranstaltung zu kreieren, die auf wissendes, fast schon geschultes publikum angewiesen war. so blieb bis zuletzt die spannung, ob sich genügend menschen einfinden würden, ob sich eine runde auftun würde, die nicht nur einfach dankbar ist, sondern die auch entschlossen gegenüber dem zweifelsohne ungewöhnlichen musikalischen angebot sein würde. denn mit fabian schütze alias me and oceans sowie robert seidel alias arpen betraten die unkonventionelle bühne unseres wohnzimmers zwei künstler, die nicht nur beide in leipzig beheimatet sind, die sich nicht nur beide dem wunderbaren analogsoul label zugetan fühlen, sondern die auch jeweils einem musikalischen ausdruck frönen, der mit ungewöhnlich nur unzureichend beschrieben wäre. während arpen auf dem e-piano tupfte und den einzelnen noten weite räume ließ, während er den geschleppten gesang nachzog, schuf me and oceans dichte und komplexe arrangements, die er aus dem zur seite gestellten laptop erschallen ließ. daneben aufgebaut bewegte sich ein großer kerl mit zum teil ungelenken bewegungen im schwang seiner vielfachen rhythmik, seiner vertrackten harmonien, konzentriert auf das zusammenspiel der unbeliebigen elemente, die sich in teilen abstrakt, in der komplexität und in der vereinigung verständig zeigten, klarheit abrangen und dem hörer bilder aufzwangen, die sich durchaus abseits der lyrics abspielen durften. nützlich dafür waren auch die belebenden, erfrischenden kommentare fabian schützes zwischen seinen titeln, die er nach dem kurzen, aber intensiven vortrag arpens dem gebannt verfolgenden und schließlich zahlenmäßig wohlausgestatteten rund entgegen brachte. so schlugen sich auch wieder bande zwischen beiden seiten, die erste starre fiel und etwas zwangloser führte sich das gegenseitige tun, hier der auftritt, dort das aufmerksame hören sowie sehen, fort. dennoch blieb alles in einer empfindlichen waage, die sich in beide richtungen bewegen konnte. das aufeinandertreffen, die unmittelbarkeit löste sich schließlich nicht auf, sondern musste ausgehalten und gestaltet werden. momente, da sich der mund vom mikrofon löste und die stimme ins niemandsland driftete zwischen verstärkung und dem natürlichen raumklang oder da bewegungen im publikum aufmerksamkeit schufen. momente, die sich nur in diesem kontext ergeben können, buhlen um sich selbst. doch sie berühren und sie komplettieren das wagnis.


eine stunde gebanntheit. augenblicke mit arpen, in denen er in ausgewiesener sachtheit sein instrument bediente, zärtlich umhegte und dabei nur sehr selten geschwindkeit aufnahm, was nicht zuletzt zu einer stimmung beitrug, die etwas feierliches, beweihräuchertes in sich trug. die aktuelle ep "homeworks / nightworks" des künstlers lässt auch den aussenstehenden ahnen, in welch gefilden wir uns aufhalten durften. "the quietest", unten aufgeführt, ist beredtes beispiel hierfür. die berauschten zuhörer zollten mehr als respektvollen beifall.
ausufernde sentenzen setzte me and oceans, popenthusiastische akzente wie in "when i was a dancer". in leichte bewegung versetzt die konzertbesucher, ein tanzen wäre hie und da durchaus angebracht gewesen. die dunkel verrauchte stimme fabian schützes ward zum gegenpart einer leichtfüssigen, helltönenden musik, deren diverse versatzstücke ein grundierendes ganzes ergaben, auf dem der gesang alles andere als geziert stolzieren durfte. "another weekend" greift nach dem hymnenstatus und ist doch nur lied, und ist damit ein vielfaches mehr. die reduktion, die blässe, die betonung. "josephine" lässt erahnen, das auch auch chris rea songwriterische qualitäten besitzt, in der reizvollen coverversion fabians aber erhält es einen lichten glanz.
am ende blieben eindrücke. die besonderheit des ortes, des augenblicks, die menschen. die möglichkeit des austauschs, des beieinanderseins. die tragfähigkeit neuer alter konzepte und die gewissheit, dass wir nicht zum letzten mal in unsere heimstatt eingeladen haben werden.
tausend dankesgrüße nach kiel und berlin, die weitgereistesten besucher kamen aus diesen städten!

the quietest by arpen sydel

me and oceans - walking home by analogsoul

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen