seiten

Donnerstag, Mai 31, 2012

konzert: orange blossom special 16, teil 6

der sonntag strahlemann war schon früh wach. die weser floss freudig neuen ufern entgegen. der festivalbesucher durfte sich an einem mittäglichen überraschungsgast ergötzen und wusste doch recht bald, dass sich dahinter nur chris eckman verstecken konnte, der als feste größe auf dem obs zu zählen ist.

mit the frictions führte er die jungs auf die bühne, mit denen er seit 2006 zusammenarbeitet, an der gitarre bernard kogovšek, am bass tomi popit und an den drums luka salehar. gemeinsam zelebrierten sie einen kraftvollen tagesauftakt mit rock 'n' roll, der sich allzugern aus geschliffenen gitarrenfahrten speiste. immer wieder mäanderten die elektrischen durch das sonnenheiße mittagsrund. doch dem schweiß entgegen bewegte sich schon früh die begeisterte masse. eckman erhält hier jedes jahr aufs neue, egal mit welcher kombo er antritt, den gebührenden empfang. "last resort" ist so ein gerät, das sich nicht verharmlosen lässt, die gitarren gierten und drängten das schwere drumming in den hintergrund. diese musik ist auf das wesentliche reduziert, sie entblösst den grundcharakter. "halogen sky", das debutwerk dieser band, wurde komplett zitiert, neben dem erwähnten "last resort" u.a. auch mit "cut & run", mit "road", diesem angegangenen, auf gegniedel angesetzten alternative- süppchen, und dem so wunderbar ins ohr gehenden "new caledonia". ergänzt wurde der 7tracker um das bejahrte "the stopping off place" und um den "revolution blues", eine neil young reminiszenz, die nicht von ungefähr teil des programms war, da der sound von the frictions durchaus erinnerungen an crazy horse zulässt. eine runde sache wars.
setlist: cut & run / last resort / road / undertow / new caledonia / stopping off place / killing of a chinese bookie / ghost rider / revolution blues

mit kevin hamann aka clickclickdecker kam kein alibi- deutschsprachiger auf die bühne, sondern einer, der der heimatlichen sprache das abringt, was man eben nicht alle tage zu hören bekommt. seine geschichten sind genaue beobachtungen, im brennpunkt das eigene ich und der zuweilen abgestrafte gegenüber. da darf es schon mal derb werden, ohne verbalinjurien zu benutzen. das ist eben eine kunst. an seiner seite oliver stangl. zuspruch holten sie sich schnell ab, verspieler wurden überspielt, gelacht wurde viel. das vergeht einem schon mal bei einem song wie "immerhin beabsichtigt", das widerum erfreulich im lemonheads klassiker "outdoor type" endete. die harmonisierenden stimmen der beiden künstlern wehten wie selbstverständlich über den glitterhouse garten und fesselten wohl auch die, die sich erst wenig versprachen. dass mit "schutzraum" tatsächlich ein song von befreundeten musikern (peer) zum highlight avancierte, schmerzt den songwriter ein wenig selbst, wie er angibt. nun, was den hamann allerdings und vor allem ausmacht, ist, dass man ihm abnimmt, wovon er singt. das klingt nicht nur glaubhaft, sondern hat eine tief empfundene und durchlittene dimension. das drama ist in gewisser weise aufgearbeitet und doch aus dem blick zurück nicht ohne zweifel. das macht sympathisch. hier fliessen die worte nicht um ihrer selbst willen, sondern um den richtigen ausdruck zu jagen. feiner, erinnerungswürdiger auftritt.

auch viel erwarten durfte man sich von nive nielsen & the deer children. ihr album "nive sings!" hatten wir an anderer stelle bereits bejubelt. und so enttäuschte die grönländerin auch nicht und wartete mit einigen pretiosen aus diesem überaus ansprechenden debut auf. die sympathische inuit wirkte auf den ersten blick etwas schüchtern und scheu und doch wies sie während des soundchecks die mitarbeiter mit klaren ansagen an, worum sie sich sorgen machte oder was sie gern umgesetzt gesehen hätte. "faust dick hinter den ohren", fiel mir dazu ein. mit all ihrem charme saß sie denn auf einem hocker, mit überschlagenen beinen, vor ihrem aufnahmebereiten publikum und fesselte es von der ersten note an. schon ein song wie "room" bannt. lediglich von einer knallroten ukulele in die gänge gebracht, wogte die stimme nives wie ein papierschiffchen auf offener see. und der verliebte refrain erst, "this is a room full of you", yeah! wer wollte da nicht folgen? oder der folkschunkler "good for you", da nive samten hauchte und sich nach und nach die instrumentale meisterschaft ihrer mitstreiter um sie herum aufbaute. die mit schweren schlegeln geschlagenen trommeln, das cello gewerk, der standup bass, die e-gitarre... die bunte mischung menschen auf der bühne spielte sich in einen flow und nahm das auditorium im flug. allen voran die immer wieder vergnüglich lachende und sichtlich bewegte nive.

room by nivenielsen

den nachmittag beendete schließlich the travelling band aus dem uk. die wild anzuschauende truppe machte den frieden mit allen jenen, die ein wenig auf halbwegs klassischen folk gehofft hatten. den, mit einer prise pop und durch aus rockistischen einflüssen, boten die leidenschaftlichen fünf. da sang die hammond, da kreisten die gitarren und vor allem harmonierten die gesänge. immer wieder fielen die stimmen übereinander und breiteten sich wohlig aus. die freude war bald auf beiden seiten. auch das publikum fand gefallen an dieser temporeichen wie zugleich befriedeten veranstaltung. das ging tatsächlich zusammen. hervorzuheben ist natürlich ein herausragender track wie "sundial", der sich so wunderbar drehte und verschwendete, der einem sofort ins blut ging. oder "battlescars", der zunächst an der akustischen hibbelte und hüpfte, der sich alsbald aber zum gleißenden stomp entwickelte. oder "hitchiker", den die band inmitten des publikums zu spielen wagte. dabei drehten die jungs noch eine runde und verschwanden schließlich im orbit. the travelling band gaben dem sonntag eine besondere textur der lebensfreude und harmonie, der festivalgedanke wurde hier mit bunten blumen bemalt. vergleiche mit genre ähnlichen bands sind übrigens müßig, dafür ist das ensemble unverwechslbar und ganz eigen und deshalb allemal eine empfehlung wert.
setlist: one dime blues / fairweather friends / only waiting / screaming is something / horizon me & you / battlescars / weary beaten road / sundial / magnetic anywhere / sweet city / hitchhiker

so, einen gibts noch, the fog joggers, the flying eyes und spain fordern ihre plätze ein...

konzert: orange blossom special 16, teil 5

der samstag wendete sich langsam dem abend zu, und mit kill it kid stand ein britischer vierer in den programmheften, auf den sich so mancher festivalbesucher gefreut hatte. doch auch hier kassierte das obs eine absage, wobei die gründe wohl triftiger ausfielen als bei frau rogers. (ähm, war john peel da?)

in die bresche sprang eine junge schweizer band namens navel, die sicher nur die wenigsten auf dem schirm hatten. wer zudem an navelorangen erinnert wird, dem sei gesagt, die allegorie passt. die vier burschen strotzten vor enthusiasmus, und glaubte man den einleitenden worten rembert stiewes, so musste es sich um eine sehr schmackhafte (rockige) frucht handeln. dass diese im kern eine weitere frucht enthielt, darauf kam man im ersten augenblick nicht. die schweizer bratzten ordentlich voran, jedoch war zunächst nur großgestigkeit erkennbar. sänger jari altermatt posierte, dass es sämtlichen rockheroen zur ehre gereichte. der zweite gitarrist ließ dagegen keinerlei minenspiel zu und wirkte schwer unterkühlt. nur dem bassisten und dem drummer konnte man von anfang an attestieren, konzentriert bei der sache zu sein.

nachdem die ersten ansagen auch nicht wirklich zündeten, wurde ein wenig an den allüren gefeilt und das konzert entwickelte sich zunehmend zu einer mehr als brauchbaren veranstaltung. die gründe des vierers liegen in der wütenden kombination aus alt. rock und blues und sie beherrschen sie, wenn sie selbst zu ihrer kernfrucht durchbrechen. das drumming ist hochpotent, zuweilen aggressiv, aber stets befeuernd und gleißend, der bass ist eine sache für sich, hart, aber brillant im anschlag, es war eine freude, dem burschen bei der arbeit zuzusehen, von rechts gab es stromstösse und sehr feine läufe aus der e-gitarre und dem sänger musste zugestanden werden, dass er sein geschäft ausgezeichnet versteht. (abseits jeder pose) singt er mit festem, bewegungsreichem organ und kann der bandeigenen komposition genauso seinen stempel aufdrücken wie einem motörhead cover. beispiel gebend soll "black days" erwähnt werden, dass in seiner hochzeit gitarrenströme, hochleistungssport hinter der schießbude nebst treibendem bass zusammenführte und mehr als saftig klang. die innere frucht ward erobert!

der kenner schnalzte bereits vorab mit der zunge, den neuling erwischte es unmittelbarer. die briten von erland & the carnival hatten ihr publikum in kürze im griff. alt und jung schien entzückt von der angriffslaune des fünfers. freilich war dieses vorwärts ein besonderes und unterschied sich enorm vom jenem ihrer vorgänger. denn es hing an einem ausgesponnenen klangbild, das sich ergab aus den singulären leistungen der leidenschaftlichen musiker. der hervorragende gitarrist simon tong mit herrlichen läufen und glitzernden einlagen, die wie tauben aus der hochzeitsgesellschaft aufstiegen oder der am bühnenrand hockende drummer david nock, der auf sein instrument einhieb als gäbe es kein morgen mehr und dabei so akzentuierte wirkte, dass es vielmehr erstaunlich war, dass ihm sein kit nicht um die ohren flog. oder der bursche am synthie-, elektro- (gaben-) tisch,, der nicht nur klaviereske harmonien beisteuerte, sondern sich auch um sonore beiklänge bemühte.

der differenzierte sound, der sich eben aus den klar herauszuschälenden einzelklängen ergab, wurde ergänzt um die heilsame stimme erland coopers, die immer wieder mal an jim morrison erinnerte, wenn er sich denn taumeln ließ. wie etwa beim opener "emmeline", das hook beladene lied war mehr als nur eine einladung für die gäste dieses konzerts. es riss mit und uns an diese begeisterungwillige truppe. sie verband überaus geschickt ein melancholisches, anheimelndes element mit den momenten energiegeladenheit und explosivität. folkloristisches gemischt mit electroeinsprengseln und einem geradeaus orientierten rock, das war irre und verhalf ihnen zum status der heimlichen lieblinge des obs 16. nicht zuletzt anteil hatten daran songs wie das launige "this night", das so lustvoll rumpelte und dem das piano beine machte, das drumming feuer unterm hintern und dem cooper mit stolz in der stimme den rest gab. oder "nightingale" mit sanfter note, psychverwehungen und einem kraftvollen kommen. oder das wundertütige "map of an englishman, das in sich die qualitäten eines dancefloorknallers genauso trägt wie die chance zur indiehymne. die jungs hatten die volle aufmerksamkeit und konnten sich über zu wenig applaus garantiert nicht beschweren. gut, dass wir sie wieder zurück auf die bühne bekamen! (wie hieß eigentlich das gerät, mit dem erland fiepsige geräusche erzeugte und viel zu schnell für meine kamera hantierte - siehe foto...?)
setlist: emmeline / derby ram / carnival / map of an englishman / arabian sea / was you ever see / trouble in mind / everytime / the tempest / nightingale / this night / gentle gwen / one morning fair / you don't have to be lonely / the sweeter the girl the harder i fall / whistling (?) / stack o lee / love is a killing thing

mein persönliches typisches zeichen eines festivaltagendes sind die schmerzenden fußsohlen. auch heuer brannten sie pünktlich zur nacht höllisch. das stehen wurde nach für nach zur qual. die umbauten für immanu el zogen sich etwas in die länge, da der kronleuchter umgehangen werden musste. ein video stand auf dem plan und benötigte deshalb einen ungehinderten flimmerweg. ich wechselte von rechts auf links, von links auf rechts und hoffte auf unterhaltsames, um wenigstens für etwas mehr als eine stunde den schmerz vergessen zu machen. um es vorweg zu nehmen, es gelang den fünf schweden auf geradezu fulminante weise. während über die leinwand wellen in slowmotion rauschten, schiffe kreuzten und die sonne in den schillernsten farben im meer versank, zelebrierten immanu el ihren sinfonischen postrock, der auf eine weise ergriffenheit erzeugte, wie ich es kaum für möglich hielt.

der samstagsentschluss zu gehen stand fest, da hielten wir mit den göteborgern am hier und jetzt fest. aus der satten, manischen schlagwerkromantik heraus und einem bass, der wirkpfeile abschoss, entstanden eindrucksvolle plattformen, auf den sich die gitarrenströme in- und umeinander verbinden konnten, einem rausch gleich wogten die tonalen massen und hielten doch an der gängelleine des piano aus. und als wäre es nicht genug, thronte über allem der elegische gesang von claes und per strängberg. die beiden blondschöpfe griffen mit ihren hellen stimmen nach herz und seele. der dichte sound machte vergessen und schließlich empfand man kaum noch unterschiede zwischen den instrumentalfahrten und konnte sich mit blick auf die eindrucksvollen videoeinlagen fallen lassen. schmerzen in den füssen? keine ahnung, hinterher vielleicht wieder. aber das aufgewühltsein nach dieser in die dunkelheit gestellten performance war enorm. für eine nachbetrachtung oder um ein wenig dieser schreiberei folgen zu wollen, sind titel wie "skagerak", "into waters", "to an oceans" usw. zu empfehlen, die sich auf dem aktuellen album "in passage" wiederfinden lassen. großes kino, im wahrsten sinne des wortes, denn wer kann so eindrucksvoll zugleich schweren seegang und die flaute des windes nachzeichnen. irre!

skagerak by immanu el

der sonntag folgt...

Mittwoch, Mai 30, 2012

konzert: orange blossom special 16, teil 4

wenns mittags schon heiß war, dann war der frühe nachmittag glühend. es zog sich bis in die abendstunden des samstags, dass man kontinuierlich auf der suche nach schatten war. oft gab es löchrige stellen im publikumsverbund, dort, wo die strahlen mit voller wucht auf die erde trafen. mit voller wucht hatte uns auch scott matthew getroffen. nun sollte andrea schroeder folgen.

die hochgewachsene, in dunkles blau gewandete sängerin versammelte vier burschen um sich, die nicht weniger mienenspiel vermissen ließen als ihre frontfrau. doch die in düsterer theatralik vorgetragenen songs vertrugen diese steife atmosphäre. die konzentration lag voll und ganz auf den romantischen, verhaltenen, mit schwerlastigen elementen durchzogenen darkfolkliedern. zurückhaltendes schlagwerk, gründener bass und eine filigrane akustische gitarre genügten für den an nick cave und co. gemahnenden vortrag. bindend der einsatz einer shrutibox, erhellend der getragene gesang von andrea schroeder. tempoforcierungen gab es kaum, elegisch zog sich das programm. die entstehenden längen waren den bedingungen nicht angemessen. das tageshell, der schweiß unter der sonne und das gefühl, eine gute zeit zu haben, standen dieser band entgegen. doch goutieren konnte man die anstrengungen der vier durchaus, denn kunstvoll breitete sich eine stimmung der benommenheit, fast schon beklommenheit aus. dräuend und unheil verheißend. insbesondere die gitarrenlines zogen sich wie rachegefühl im clinch durch den markigen sound. ein ausbruch hier und da hätte nicht nur aufgelockert, sondern auch die aufmerksamkeit geschürt. denn songs wie "blackbird" oder "blackberry wine" bleiben gern im ohr verhangen, sie haben eine qualität, die sich erst im nachhall offeriert. ja, und auch frau schroeder hätte man sich etwas munterer in der publikumsinteraktion gewünscht, sie wirkte etwas steif und angespannt. insgesamt jedoch eine horizonterweiterung.
setlist: dark nightingales / wrap me in your arms / wild oceans end / winter days / death is waiting / blackbird / blackberry wine / ghost ship / bebop blues / my skin is like fire / good times end / paint it blue / the spider

andrea schroeder – blackberry wine

reden wir von gnadenlosem fuzzrock, aufgetischt von alternden haudegen, die ihre motorradclub kutten ins nordrheinwestfälische hinterland ausführen und allen ernstes nach gestandenen bikern im auditorium suchen. erzählen wir von jungs, die mit ihrem alter hinterm berg halten, die in die kamera posen, als gäbe es in den nächsten hundert jahren hierzu keine gelegenheit mehr, die kokketieren und jungspundallüren gassi führen und dabei einen charme versprühen, der über die vielen jahre hinweg keine patina angesetzt hat. the fuzztones kommen zwar aus einer anderen zeit, sind jedoch vielleicht mehr im hier und jetzt als manch eine ihrer nachfolgekapellen. die drei männer und ihr weiblicher sidepart rockten auf teufel komm raus. die lustig anzusehenden gitarren, holzschnitzarbeiten?, mähten durch das wallende feld aus hammondorgelwogen und den knüppeldicken schießbudenhalmen, abgeschossen von einem wild grinsenden kerl, der wie sein frontmann verwegen anzuschauen war, der dem alter zu trotzen suchte und sich dabei in der figur eines alternden wrestlingkämpfers gefangen sah.

die schillernde messe überrollte die überrascht dreinblickende masse und sorgte für ordentlich bewegung in ihr. ein wirklich erster höhepunkt an einem an höhepunkten reichen tag. wer vor dem konzert ordentlich whiskey- cola kippt und dabei aussieht, als wäre er gerade aus der koje gekippt, um dann später wie frisch aus dem ei gepellt auf die bühne zu latschen, dem zoll ich respekt, wie man es für einen fahrensmann eben tut. die performance der vier war bestechend. jede note saß, so treibend sie auch vorgetragen wurde. dazu sah die truppe auch noch schnieke aus. die seidenhemdchen unter den westen der gitarrenträger, lead (+vocals): rudi protrudi und rhythm: lenny svilar, aufeinander abgestimmt, das hochbehackte mädel lana loveland mit einer dem genre angepassten frisur sowie einem drummer, rob louwers, der der roheit verfallen nur ein wenig leder trug. das war purer rock 'n' roll mit einem schlenker fuzz!
setlist: blues theme / bad news / in heat / highway 69 / i never knew / cheyenne / get naked / romilar / ward / witch / heathen set / cinderella / she's wicked / strych 9 / me tarzan, you jane / caught you

die letzte begegnung mit israel nash gripka war auf einem münchner hauskonzert. ein intimer rahmen, der sich fast schon akustisch gab. auf dem obs zeigte sich der amerikaner in voller kampfstärke. was man auch von seinem leibesumfang sagen musste. der eh schon kräftige bursche hatte noch einmal ordentlich zugelegt. seinem auftritt tat dies keinen abbruch, im gegenteil haute der sympathische kerl sofort in die breite kerbe. er sang anfangs derart aus allen rohren, dass innerhalb kürzester zeit der schädel zu glühen anfing. das rot schwand glücklicherweise nach und nach. sein americana ist ein ungeschliffener diamant, der rock treibt ihn ein ums andere mal auf saftige wiesen, sei es dank eines solos, dank eines gesanglichen kraftaktes oder weil die band testosteron strotzend agiert. zumeist aber wird ein ton angelegt, der der melodie vorschub leistet, den harmonien untergrund bereitet, der dem ausgezeichneten songwriting eine spur aufzeigt.

"fool's gold" kommt da einem hymnus gleich, "sunset regret" einem gemütlichen schleicher, der seine stärken in form einer weissagung, eines feinen gitarrensolos, in der farbe geschnittenen korns ausspielt. "goodbye ghost" wird zum breitwandigen etwas, das sich schwerfällig geriert und erst im refrain erlöst wird. "baltimore" macht den abgesang und gripka brüllt sich die seele aus dem leib. sein raues und erstaunlich breit gefärbtes organ weht über den glitterhouse garten hinweg. "four winds" ist sämig und die band spielte mehr als formidabel auf. trotz der jugendlichkeit manches protagonisten gelang ein rundes soundbild, dem man schöne bilder abtrotzen konnte, typische, weite, sehnsuchtschwangere bilder. nicht zuletzt, weil gripka mit zunehmendem alter immer besser, schneller auf den punkt kommt, weil seine melodien memorabler sind, weil seine erstaunlichkeit kanalisiert wird, ohne unnötige reibungsverluste. nennen wir es identität, die sich über die jahre herausgeschält hat. wenn man ihm etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es, irgendwo abgekupfert zu haben. der typ ist ganz eigen und deshalb gerade recht fürs obs.

im nächsten teil dann einige worte zu u.a. immanu el, erland & the carnival...

konzert: orange blossom special 16, teil 3

die dritten im bunde des freitäglichen vorabendlichen sets waren the moon invaders. den belgiern oblag es in die abenddämmerung zu spielen, einem der schönsten festivalaugenblicke, wenn das rund in sanfte melancholie getaucht wird. doch damit hatte die ska- rocksteady- early reggae- combo so gar nichts am hut. im gegenteil bliesen die neun jungs von beginn an jegliche andeutung von sanftem tagesausklang weg. vorangetrieben von den amerikanern matthew und thomas hardison an den mikros, die ihre songs gern in new orleans manier eintexteten, hob die band zu einem fulminanten auftritt an. die dreierpackung gebläse am rechten flügel aus david loos am sax, manghi murinni an der posaune und cédric manche an der trompete feierten die viel zu selten gehörten stile aus der ferne, die sofort und ohne viel zutun in der menge widerhall fanden. alles, was zwei beine hatte, tanzte oder bewegte zumindest den hintern.

komplettiert durch sergio f. raimundo an den keys, mike bridoux an der gitarre und nicolas léonard am schlagzeug entwickelte die kombo einen sog, dem man willentlich nicht entkommen konnte. der reggae anschlag und schon kopfnickte man, der im beat verhangene gesang und der schwung übertrug sich auf die hüften, spätestens, wenn die blechbläser einstiegen war man ganzkörper unter strom. vielleicht waren the moon invaders ein tatsächlich außergewöhnlicher act für das orange blossom, sie waren aber ein passgenauer. denn wo vorher zurückgenommenes und introspektives regierten, nahm die lebensfreude die insignien der macht in die hand. zurecht, wenn man einem leben frönen will, das sich beider pole bedient. und so jubelte von der bühne ein chor des festes und der lebensfreude, ob im wiegen der reggaenummer "congo square" oder im wiederbeleben der herrlichen coverversion von "all i have to do is dream" oder aber im stomp von "rocking chair". ein überraschendes wie belebendes konzert!
setlist: i believe / just a po'boy / pick up the pieces / different strokes for different / baby, i know / right on / rebel with wallet / dream dream / rockin' chair / bet your bottom dollar / consciousness / congo square / big bar boo / lude / why? / creole crime / got a love / sweet tater pie / keep my love / katrina

the moon invaders - bet your bottom dollar

die nacht stand ganz im zeichen des großen gefühls. the miserable rich hatten auf dem obs 13 gezeigt, wie kammerfolk auf großer bühne funktionieren kann. doch die ausrichtung der truppe um den charismatischen sänger james de malplaquet hat sich etwas gewandelt. ein kraftvolleres soundbild beherrscht die szenerie. die zusätzliche power eines schlagzeugs tut ihr übriges. der finesse ihrer kompositionen kommt man nicht mehr so schnell auf die schliche. so entstehen dichtere kapitel eines erzählwerks aus liebesdingen und geistergeschichten, "hätzshmätz- things" und zwischentexten, die dem frontmann selbst auf deutsch leicht von der zunge gehen.

die interaktion ist stimmig, irgendwo zwischen entertainment und untergejubeltem affront. de malplaquet darf das. genauso wie man seinen exaltierten gesang auszuhalten gewillt ist, weil er in seiner lieblichkeit den stolz und die arrogante geste verdrängt. wunderschön und fast schon aufregend ist es, sich in den taumel von beispielsweise "ringing the changes" zu begeben. die streicher rangen nach luft, das piano zückte die belebtere note, im fahlen rhythmus drehten sich die sterne und die nie um akzente ringen müssende stimme walzert lustvoll und publikumsverliebt. die melodiösen verzwickungen, die harmonischen vertracktheiten, die verflochtenheit manch arrangements bezeugten die musikalischen qualitäten der britischen band, die belebtheit neu zu definieren weiß. das still bewachte "true love", rudernd, wie um sich aus verschüttung zu befreien. die stimme grast die oberfläche bereits ab, während die instrumente folgen. das wässrige "honesty", das sich stetig steigernde "laid up in a lavender", das den geisterschlurf theatralisch ausbreitet, "imperial lines", das dem sänger jegliche projektionsfläche für seine rändererprobte stimme lieferte. höhepunkte waren sicher der dauerbrenner "on a certain night" und das jimmy somerville cover "i feel love". zum abschied gab es "pisshead", natürlich, und des sängers tausendfaches "vielen, vielen, vielenvielenvielen danken"!

true love by the miserable rich

was dem freitag sein de malplaquet war, war dem samstag sein scott matthew. der new yorker barde sprang aushilfsweise ein und brachte ausschließlich coversongs zum besten. ob ihm das nun leichter fiel, als auf die eigenen werke zurückzugreifen, ist schwer zu beantworten. denn auch hier ist sein vortrag der des in sich gekehrten, sparsamst changierend zwischen den polen schmerz und liebesdünkel, ganz auf die sache konzentriert. wenn er denn nicht gerade ansagen kreiert, herumalbert, gackert und an der weinpulle nippelt. sein aufgeräumtes wesen, das in den songpausen so munter drauflos lebendigt, steht im krassen gegensatz zu vortrag und verstiegenheit seines musikalischen ausdrucks. cover vortragen kann jeder, der eine klampfe tragen kann. so wie es scott tut, ist es einmalig. ab der ersten sekunde wird man mit gefühl bombardiert, wie er die lieder zu seinen eigenen macht und sie zugleich als das zu nehmen weiß, was sie sind. einakter unserer aller leben, zeugnisse von menschen, die einen ausdrucks suchten, etwas universelles fanden und denen es somit gelang, etwas in uns zum klingen zu bringen. hier liegt die stärke des scott matthew. einerseits lebhaft und fast kindlich, andererseits verinnerlicht und vom sentiment erschlagen. wie er plauderstündchen übte, sich an anzüglichkeiten erfreute und noch mehr über die reaktionen lachte, das war einfach göttlich, herzerfrischend. irgendwie drängte das gesamte gebahren selbst neil youngs "harvest moon" in den hintergrund. und ob er nun whitney houston interpretierte oder bob dylan, ob morrissey oder paul simon, ob rhianna oder es auf die sex pistols abzielte, es war mehr als nur amusement. es war eine lehrstunde. scott matthew ist der hohepriester für verloren geglaubtes, für die einträgliche kombination aus laut und leise, lustig und ernst, aus hoch und tief, aus licht und schatten. er war ein gewinn für das obs 16, mehr als nur ein ersatz für amanda rogers, der aus persönlichen gründen ihren auftritt versagte.

demnächst mehr.

Dienstag, Mai 29, 2012

konzert: orange blossom special 16, teil 2

wer am spätnachmittag ins rund des glitterhouse garten spähte, erblickte eine wache besucherschar. neugier und vorfreude kleidete sie. entspannte unterhaltungen, individuelle vorbereitungsmaßnahmen. mit getränken eindecken oder den wollenen flies über die wiese ausbreiten, die sonnenbrille am strahlenden stern ausrichten, der freundin einen glückskeks aufschmatzen. die kamera in position bringen. unter dem zeichen des ausgeschlafenen esels erfolgte die obligatorische begrüßung durch rembert stiewe und reinhard holstein, die alsbald den puls erhöhte. los sollte es wieder gehen. drei tage musik, festival pur, an den ruhigen gestaden der weser. ihr knick unter dem zeltplatz symbolisiert, dass sich die zeiten ändern können und doch manches bleibt, wie man es zu kennen gewohnt ist. gut so!

alamo race track hieß der opener und konnte von all jenen gekannt werden, die vor einigen jahren mit "black cat john brown" infiziert wurden, einem mehr als formidablen indiehit. mit ihrer dritten scheibe "unicorn loves deer" tourten sie auch breit durch deutsche lande. die musik der holländern richtet sich dabei vor allem am frontmann ralph mulder aus. der in zwirn gekleidete gab auch in beverungen den ton an, nicht ohne sich mit seinen vier begleitern abzustimmen. denn der weiche americana- rock sound zehrt von der schmiegsamen bedingungslosigkeit der gesamten mannschaft. zwar zwingt vor allem die leicht irr klingende, angegangene stimme mulders zur aufmerksamkeit, doch erst die slide und/oder die windverfegte e-gitarre und das am rumpeln von blechdosen im sturm trainierte schlagwerk sowie ein in form haltender bass sorgen für einen sound, der an mutters märchenstunde erinnert, an glückliche zeiten in warmen betten, kurz nach dem schälchen pudding, vor dem eindämmern. die sonne fing noch einige unschuldige und brannte ihnen rot in den nacken, während sie gedankenverloren dem zahmen und doch wunderschönen set des introspektiven fünfers folgten. der hüpfende auftaktsong "lindyhop" trommelte in den sog des orange blossom special 16, "the moon rides high" löffelte alsbald aus dem honigtopf und punktete vor allem mit seinem herrlich unter die haut gehenden chorus. mit "b.c.j.b." lobten die holländer auch ihren toptitel für den glitterhouse garten als geeignet aus. die vielfach anwesenden schunkelten, manch grinsen zeichnete bereits seligkeit aus. foran ging es mit dem stampfenden "shake off the leaves", dem die bläser abgingen, das aber durch harmoniegesang aufgefangen wurde und so dem albumtrack in nichts nachstand.

ohne große geste, ohne besonderes entgegenkommen riss mulder die zuhörer auf seine seite. es ist die art der persönlichen ergriffenheit, es ist das wesen, das unvertraut nähe buchstabiert. wenn er singt, legt sich die nasenspitze auf das mikro, so dicht muss er ran, um sich seiner zu befleissigen. er schirmt sich nicht ab und wirkt dennoch unnahbar. seine gesichtszüge sind die eines unnahbaren, eines verwunschenen, der sacht auftaucht aus den düsternissen, den die welt hoffnungsfroh erwartet. die verschlafenen augen des sängers lugten nur selten unter den fast dauerhaft verschlossenen lidern hervor, doch der bewegungsfreude des frontmanns tat dies keinen abbruch. er stolperte durch das mit teppich ausgelegte bühnengeviert und erkundete manche ecke. in die trance seiner musik gefallen entwickelte mulder zunehmende leidenschaft. manchem track bekam dies gut, explosive enden inklusive. "unicorn loves deer" beispielsweise lief der trägheit locker den rang ab, die flinke rhythmik, die nach stabiler seitenlage rufende gitarre, die jugendliche melodie! alamo race track boten einen sich nicht schöner auszudenkenden auftakt, verheißungsvoll verhalten, subtil elegant und formvollendet musiziert.
setlist: lindyhop / apples / the moon rides high / records / black cat john brown / shake off the leaves / motorman and owls / the northern territory / hypnotised / unicorn loves deer / breaker breaker 1 - 2 / the open sea

alamo race track - the moon rides high

deutlich gedämpfter ging es zumindest teilweise in folge bei der band um christian kjellvander zu. dem sanften schweden. und doch ließ der es auch krachen, dann rockte das quartett, und der blonde haute in die saiten seiner kleinen wanderklampfe, dass man um die nutzbarkeit der selben fürchten musste. doch der übergang war immer wieder jäh, leisetöniges auf dem fuße. kjellvander hat alles, um publikumsnähe zu erzwingen, die blinzelnden augen, das schmachtende organ, den gestus des getroffenen und doch unbeugsamen. meist schloss er die augen hinter den großen brillengläsern und hauchte seine poeme wie weissagungen ins mikrofon. im widerstreit mit dem gloriosen wetter, dem aufgeheiterten publikum stand der nordeuropäische musiker. doch es ging gut. dank des umtriebigen drummers, der erden und beflügeln konnte, der seinem instrument zu rechten zeit beine machte und doch seinem meister zu gehör stand. dank eines bassers (der zugleich das keyboard bediente), der mittler war zwischen den rhythmischen ausfällen des sängers zu seiner linken und den melodischen ausflügen des gitarristen zu seiner rechten. jener grüßte in kleidung und auftreten längst vergessene jahrzehnte, und ward nicht nur optisch eine schau. seine soli spielte er weit vorn über gebeugt und gewann damit aufgrund seines gesamtpakets "kunden um kunden". in der gesamtheit des auftritts der kjellvander truppe lag eine bewegende kraft, die von einsamkeit, von nöten, von der natur des menschens genauso viel zu erzählen wusste wie von verbrüderung, von gemeinsankeit, von formen der solidarität.

aus dem kabäuschen seiner intimität, seiner gnadenlos forschenden zurückgezogenheit heraustretend ließ kjellvander anteil nehmen und bezeugte die festen verbindungstaue zwischen künstler und publikum. das set lehnte sich vor allem am letzten album "the rough and rynge" an, aus dem fast 2/3 der songs gespielt wurden, holte sich aber auch unterstützung vom 2007er "i saw her from here, i saw her from here" und vom 2002er "songs from a two room chapel". highlights waren für mich das countryeske "oregon coast", in dem der schwede locker in konkurrenz mit amerikanischen größen gehen konnte, im schlurfigen gang durch den herzwärmenden song, einträglichkeit und harmonie, und auch "transatlantic", sinnbild für zurückgeworfenheit, für die blässe unserer existenz, dessen vortrag an magie kaum zu übertreffen war. wie kjellvanders stimme nachschimmerte in der lauen intonation und ihrer kooperation mit den filigranen tönen aus der sanft bedienten gitarre: "and one can get addicted to this pace / sometimes it seems like it's all about getting away / i'm transatlantic".
setlist: long distance runner / bad hurtn / slow walk in the country / homeward rolling soldier / transatlantic / oh death / portugal / oregon coast / when the morning comes / poppies and peonies / paige / two souls

christian kjellvander - bad hurtn

demnächst geht es hier mit dem dritten teil weiter.