seiten

Mittwoch, Mai 11, 2011

konzert: o'death / kurt vile, 09.05.11

dass sich zu einem konzert mal etwas weniger neugierige einfinden, ist man gewohnt. dass sich bei acts wie kurt vile und o'death aber kaum zuschauer sehen lassen, ist eine tatsache, der ich zumindest gestern abern kaum herr werden konnte. die kranhalle zu münchen gähnte vor leere und schmatzte dabei laut und weithin vernehmbar. der hall potenzierte diese undankbare situation. kaum zu glauben, aber wahr. während sich beim gitarristen aus philadelphia und seinen drei mitstreitern noch ca. fünfzig zählen ließen, standen während des auftritts der band aus brooklyn versprengte dreißig menschen vor der bühne. bei allem enthusiasmus, den diese zu verströmen in der lage waren, es blieb letztlich kläglich. dabei boten beide mannschaften ein exzellentes programm, schon in der vorschau auf diesen abend musste es jedem musikfreund vor aufregung in den fingern gekribbelt haben. so traf man denn aber nur ein paar alte bekannte, gestandene konzertgänger, daneben ein paar versprengte interessierte.

während sich kurt vile mit seinen violators auf der bühne formierte, ahnte ich den schrecken, den diese nacht gebahr. der platz vor der bühne blieb weithin leer. erst spät in den raum ließen sich gestalten wahrnehmen. die truppe aus philly, die gerade mit "smoke ring for my halo" ein hervorragendes album vorlegt, ließ sich davon nicht weiter irritieren und fuzzrockte verbindlich los. wer vile zumindest von scheibe kennt, weiß das sein gesang nicht prägnant im mittelpunkt steht. die verhuschte darbietung fügt sich eher in der sound einer fein abgestimmten formation ein. so auch gestern. die langen haare vor dem gesicht hängend, nusch- quengelte der junge bursche - stets verhallt - vor sich hin, daneben aber entlockte er seinen gitarren die klänge, die ihn berühmt gemacht, die ihn in die fänge von matador records gebracht hatten. das noten perlen ist ein wundersames ding, wie an einer kette beieinander gehalten, die sich nach für nach bildet, und kurt sorgt für eine immer neue aufreihung. die finger flitzten dabei über die saiten, die griffe schienen immer komplizierter, die melodien flirrten ein ums andere mal wie summsige insekten um meinen kopf.

seine backing band kann man dabei nicht zu wenig loben, die ausbrüche des jungen kerls fingen sie mit einer dominanten schießbude und zwei gitarren wieder auf, die sich wie treue gefährten um ihren ausreisser kümmerten. dass sie dabei ihr eigenes spiel nicht aus den augen verloren, ist das eigentliche große ding. denn an den gitarren wurde gezaubert, wurden so stabile befeuerungen abgegeben, dass eine unüberwindliche mauer entstand, die man zuweilen bildlich vor sich erstehen lassen konnte, zum greifen nah. der drummer heizte auf engagierteste weise ein, er bearbeitete die felle mit stöcken, rasseln, schlägeln und blieb über die gesamte konzertdauer in steter bewegung. es rumpelte und knallte und hatte doch eine präzision und eine klasse, die sich wie wertschätzung in gesprochenes in den psychsound seiner kumpane einband. die eingespielte band bot ein klasse set, dem u.a. "monkey" von "childish prodigy" und einige tracks des neuen albums, zum beispiel "jesus fever" oder "peeping tomboy" zu entnehmen waren. der junge kurt wird bald ein alter kurt sein und einen status innehaben wie heute neil young, dessen bin ich sicher. seine fertigkeiten sind die eines großen.
kurt vile - jesus fever

die umbaupause zog sich etwas hin, denn es musst ein komplett neues equipment auf die bühne gehievt werden. in der kranhalle spielten an diesem abend zwei bands, die man gut und gerne in dem status des headliners führen durfte. während des aufbaus sah man bereits die verstohlenen blicke der o'death mitglieder in die spärliche runde. wer sich ein lächeln abringen konnte, hatte fortan einen platz in meinem herzen. die zuschauer, die explizit wegen kurt vile gekommen waren, verzogen sich denn auch, um zum beispiel mit besagtem gitarristen vor der halle in hippiemanier abzuhocken und ein wenig lagerfeuerromantik zu frönen. dass dies äußerst kontraproduktiv für den anstehenden auftritt der brooklyner band war, konnte man zu diesem zeitpunkt noch nicht wissen. erst nach dem konzert sah man das süß- saure dilemma vor dem feierwerk in eintracht beieinander. doch zurück zu o'death. mit ihrem rumpeligen, ungestümen "head home" hatten sie in 2007 all jene folker erreicht, die genug von saumseligkeit und greinend- verschluchztem weltbedauern hatten. die punkvariante dieser truppe half über jeden schmerz hinweg, auch ohne dass man dafür weiche knie präsentieren muss. mit ihrem aktuellen album "outside", frisch auf city slang erschienen, gehen sie den mit "broken hymns, limbs and skin" in 2008 fortgesetzten weg beharrlich weiter. ihr sound wurde immer differenzierter, gezielter und verlor dennoch nicht das notwendige moment aggressivität und durchschlagskraft. auch live konnten sie diese energie transportieren, wenngleich es ihnen nicht leicht gefallen sein muss angesichts eines ins halbdunkel gedrängten häufleins menschen.

die fünfköpfige band spielte ihre appalachen folk variante mit punkeinspitzung mit gabe darling am banjo, der immer wieder zur seite sprinten musste, um sein instrument zu richten, ihm war eine saite gerissen, der ansonsten forcierte, was das zeug hielt. der klang seines banjo ist so hart und derb pluckernd, dass man damit sicher elefantenherden vertreiben könnte. im klangbild seiner kollegen erledigt es den job des erstklassigen einheizers. an den drums saß, sprang, hüpfte der unermüdliche david rogers-berry, der zuweilen auf seinem stühlchen stand (er sieht dem the felice brothers kollegen nicht nur ähnlich), um eifrig anzufeuern. trotz seiner gesundheitlichen einschränkungen (überwundene krebserkrankung) kann ihm keiner das feuer nehmen. beeindruckend zu sehen, wie er schuftete und malochte, um seinen freunden ein gerüst zu bieten, an dem sie hangeln konnten. jessie newman spielte zudem einen deepen bass, der wie eine fußangel geriert, von der man sich nicht lösen konnte. nun, mit bob pycior hatten wir einen hauptakteur zu sehen bekommen, der an seiner elektrischen fidel ein wahres feuerwerk entfachte. das mal sprühende, mal beschwingt auftrumpfende instrument musste in den händen seines meisters einiges aushalten. der bogen bearbeitete es mit einer schier unausschöpflichen energie und entlockte ihm diesen unvergleichlichen klang aus jahrmarktfaszination und dem ewig freien leben eines hobos.

schließlich stand uns der vollbärtige greg jamie gegenüber, dessen darbietung ähnlich gestutzt schien wie seine gesichtsbehaarung. er machte den bedrücktesten eindruck ob der wenig erquicklichen situation eines schwach bestückten auditoriums. doch sein gesang, sein gitarrespiel, letztlich seine professionelle performance belehrten eines besseren. seine stimme gewann im laufe des auftritts an glanz. der breite akzent, die verschlüsselte klarheit, passend in den wundersamen reigen. in der gesamtheit präsentierte sich ein wüst stompende und zugleich agil arbeitende band, die ihren temporeichen songs zusätzliche sporen gab. die highlights des abends ergaben sich vor allem durch eine setlist, die klar auf das neue album setzte, das besinnlich schaukelnde "alamar" mit seinen akzene setzenden feinheiten an drums und fidel, das sehnsüchtige "bugs", das wie viele songs der band erst ruhiger beginnt, um alsbald fahrt aufzunehmen, das düster dräuende "howling through", das feine "black dress", das sicher auch zu den besten tracks auf "outside" zu zählen ist. mit "down to rest" verabschiedete sich der schwitzende fünfer, der im anschluss für ein schwätzchen zur verfügung stand. sänger greg erklärte mir etwas müde lächelnd, dass es ihm nicht so viel ausgemacht hätte, vor so wenigen leuten zu spielen. die performance sei wichtiger und zudem mache es einfach unheimlichen spaß zusammen aufzutreten. und das sollte man nicht verpassen.
o'death - down to rest
o'death - all the world

Mai 11 K4 Prague
Mai 12 Beatpol Dresden
Mai 13 Conne Island Leipzig
Mai 14 Privatclub Berlin
Mai 16 Molotow Hamburg
Mai 17 MuZ Nürnberg
Mai 18 Studio 672 Köln

4 Kommentare:

  1. kann ich alles so unterschreiben. war am montag auch dort. einerseits war ich echt happy über die tollen auftritte, auf der anderen seite bin ich immer noch geschockt über den schwachen zuschauerzuspruch. münchen, schäm dich.

    AntwortenLöschen
  2. danke für dein feedback.

    manchmal muss man sich so auch nicht wundern, dass münchen immer häufiger nicht auf tourenplänen auftaucht.
    meine enttäuschung war echt riesig, dass zwei so hochwertige acts kaum zuspruch fanden.

    und: ich glaube, wir haben sowohl vile als auch o'death eher gedämpft erlebt. da geht sicher mehr, enthusiastischer usw.

    AntwortenLöschen
  3. bei o'death geht auf alle fälle mehr, hab die vor ein paar jahren schon mal im (damals etwas besser besuchten)orangehouse gesehen.
    das konzert am montag war sehr gut, aber die combo kann bei guter laune noch ganz anders. gebe dir recht, ist mitunter nicht verwunderlich, wenn der ein oder andere act münchen vom tourplan streicht.

    AntwortenLöschen
  4. Leider waren in Paris bei O'Death auch nicht mehr sonderlich viele Leute kürzlich. Mehr als dreißig waren es zwar auf jeden Fall, aber ein nicht unerheblicher Teil des Publikums hat sich nach Times New Vikings verdrückt und die O'Deather hängengelassen.

    Jammerschade! Diese Band braucht ausreichend Leute die mitfeiern, sonst fehlt was. Man muss ihnen hoch anrechnen, daß sie sich trotzdem so viel Mühe geben.

    Hervorragender Bericht im Übrigen, ganz fabelhaft formuliert. Ich kann hier immer viel lernen!

    AntwortenLöschen