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Dienstag, Februar 22, 2011

heypenny - a jillion kicks (2011)

überhöhung liegt nahe. da ist die musikkritik nie vor gefeit. und ich erst recht nicht. mit heypennys "use these spoons" glaubte ich dereinst selbst in eine falle gelaufen zu sein. doch über die jahre stabilisierte sich die liebe zu diesem unscheinbaren und doch so inhaltsreichen werk. seine luftigkeit verführte mich und diente zugleich als angstparabel für verfrühte bejubelung. doch weit gefehlt. das 2005er album der band aus chattanooga, tennessee hielt auch auf dauer, was es aus der nähe immer wieder neu versprach: gezähmten ausbruch, indiependent konstante dank schwirrender verwuselter sounds, melodische eindringlichkeit, und dank einiger eskapaden, auf dem denkbar einfachsten niveau, eine schrulligkeit, die dieses wissende und zugleich anmutig machend lächeln zaubern kann. klänge, die ineinander gesponnen, als hätten meisterweberinnen ihre hände im spiel. und bei allem mut auf eine weise schlicht, das die ohren dauergespitzt aufmerksamkeit übten. benjamin elkins stimme flattert darüber wie ein junges unbedarftes vögelchen, den gesang immer gegen den wind, das er sich verfärben muss, das er schonungslos genommen wird. in "everything is brighter" dressiert die rollierende akustische, parallel eine brise frischluft, so wunderschön, ein leid, wie es dich nur in herzensdingen erfasst. ganz zu schweigen von den hits: "dooley", "let it rain", "parade", "seem so small". mit "brave" oder "secretterror" erinnerte der vierer in der mitte und zum ende hin von "use these spoons" an kapellen, die singuläre vergnügungen brachten wie etwa curiosity killed the cat. jahr für jahr ging ins land und was vor dem vergessen schützte, war die unbekümmerte eindringlichkeit eines juvenilen 10track werkes. ich wartete. immer wieder besuchte ich die webseite der band, immer wieder wurde ich enttäuscht. mal ein vertrösten, mal ein nichts. ich wartete und hörte "use these spoon". dann, endlich, in 2009 ein erstes zeichen, "cop car" erschien, eine vier tracks umfassende ep, die jedoch dem schluff den garaus machte. hier regierte der dance-, der electropopkönig. grell, spitz, bunt! quengelnde cords, aufgeregter gesang, schwerbeat. macht ja nichts, dachte ich, bis zum nächsten album, das sich der wahren bandwerte besinnen wird, gucke ich mir die quietschigen videos von heypenny an. u.a. gab es ein filmchen zu weihnachten, das mich wieder sehr versöhnlich stimmte. konzentriert auf den kollektiven frieden. der 22. februar wurde in folge zum termin zur veröffentlichung von "a jillion kicks" erkoren. ja, es ist wahr, das zweite album ist fertig und reif für die theke.

"purple street" ist ein opener, der sofort den atem nimmt, gerade mal die spucke vom bärbeissigen spotten bekommt man noch aus dem gesicht gewischt, doch der puls richtet sich fortan nur noch nach den autoritäten. ein schlittern, als nähme "a jillion kicks" auf eine schwer abschüssige bahn mit. fraglos aufgeregt, überdreht, irgendwie anonymisiert, es bietet sich in dieser hatz keiner zum fragen an, aber auch angenehm manisch, dem erlösenden moment gleich, da die depression die fesseln löst. "star for all the kidz" folgt mit dieser kühlen statik, die dem electropop anheim fällt, wenn er sich den beat aus der hand nehmen lässt. computerisierte sounds fordern meine skepsis. ein brümmeln in der front, eine lächelnde orgel, spaßmacher gedengel und mitsingatmo, spaceig, fetzig, vokabeln aus längst vergessenen tagen. die synthies spuren wie zu besten discozeiten. da passt es, dass sich auch "parade" neu kleidete. der wunderbare song wird aufgefrischt, aufgehübscht, modernisiert, keineswegs verschlimmbessert. er bleibt schließlich das markenzeichen für diese schlingel, die die serpentinen nicht nur für kurvenfahrten nutzen, sondern in den kehren noch nach geschwindigkeitsrekorden suchen. drei jahre haben sie für ihre demonstration benötigt. die demonstration eines wandels. der nutzung von interaktiven plattformen (eine kickstarter kampagne wurde initiiert, um die scheibe zu finanzieren), des verschleisses mehrerer produzenten, des produktionsoverkills, des engagements von mehr als fünfzehn gastmusikern (u.a. byron house - nickel creek, robert plant -, kevin teal - cerys matthews -, natalie prass, mikky ekko) und der soundfärberei in schillernd und bunt. dass bei all dem die band heypenny noch immer hervorzulugen in der lage ist, man sie vielmehr noch immer heraushört, ist der zuvorderst zu erwähnende aspekt. "you shine" glänzt mit einer melodie, die ebenso gut auf "use these spoons" gepasst hätte. die rasanterie, wie die harmonien im waschzuber zueinander geworfen, gequirlt und rücksichtslos untereinander gespült werden, die grandezza, mit der an den großen reglern gearbeitet wird, die chuzpe, mit der breitflächig und monströs aufgespielt wird, das hat schon was. rücksichtslos, selbstbewußt, einladend. wohingegen "water" sich gebährdet als gelte es rettende ufer zu erreichen. punk 'n' roll mit voller breitseite, rotten liker gesang, schrilles gitarrenwerk, schlagwerk kurz vor dem tobsuchtsanfall. belebung durch weiblichen begleiter, tempoverschärfung und artrockausfälle, die sich bis in den metalrockhimmel wagen und abstruserweise durch handclaps parodisiert werden. es treibt mir die mundwinkel hinauf. "emperor's new clothes" ist dann der start für die neuauflage der "cop car" ep tracks. hingerissen von geruhsamen passagen, in denen vor allem elkins gesang wieder zum tragen kommt, da sein quengelndes organ stimmung macht. greinend, weinerlich, stets abgründig, hier flottiert von pfeifen, geschlossener orchestraler hintergrundbeschallung. auch "cop car" selbst wirkt noch hibbeliger, etwas reduzierter, konzentrierter zwar, aber direkt am nerv gespielt. "ticket" wächst zum hit heran, am klimpernden piano, ornamentiert von perkussivem, drängelnder rhythmik und einer klarstimme, wie man sie vom frontmann nicht gewohnt war. in ergänzung chorgesänge, deren abstammung genauso unklar bleibt, wie andere musikalische muster und texturen nicht zu identifizieren sind. und als gäbe es des kritikers urteil nicht, schichtet die band in "pretty day" gleich wieder um. im gleichförmigen orgelwehen streben helle stimmen nach harmonien. lediglich eine leidenschaftlich gniedelnde gitarre fordert, der rest ist dünstige sympathie. sicher keine schlechte stelle, um auf den mixmeister craig alvin hinzuweisen, der sich der 13 tracks von "a jillion kicks" für eine abschließende behandlung annahm. "angles and arches" könnte locker für eine bewerbung zu rate gezogen werden. es fabuliert um ein melodisches thema herum, dass es einem schummrig wird, scheinbar griffige patterns, verschiebungen, anknüpfungen, temporäre verrisse. gloriöse koloratur vor bretthartem standsound. "oh no" tänzelt, "give me the ball" groovt, "mr miller" dagegen ist zunächst auf liebenswerte weise schwülstig und sucht später das heil in polyrhythmik und offenen synthiesounds. schwer zu fassen das ende des albums, wie diese band überhaupt.
heypenny haben mit "a jillion kicks" wegweisendes entworfen. ihnen gelingt es, der folkisierung mit geschwollener brust entgegen zu treten und aus dem chaos der ideen einen eigenen kleinen kosmos zu entwerfen. im wagnis wachsen sie über sich hinaus und zeitigen einen zugleich überbordenden, wie den hörer fesselnden ausbund an kreativität. ein album, das bestand haben wird, weil es der langeweile mit offenen armen entgegentritt (sie umarmt und zerquetscht). heute: ****.



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