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Mittwoch, Dezember 10, 2008

in fester hand (15): bright eyes

wie sehen meine/deine lieblingsplatten aus? warum mag ich/warum magst du sie so sehr? warum geb ich/warum gibst du sie nicht mehr her? in fester hand. weil ich/weil du sie hochheben, hochleben lassen möchte/möchtest. weil ich/weil du sie nicht mehr hergebe/hergibst. in fester hand. in loser reihenfolge stellen freunde und bekannte hier ihre liebsten alben vor, in fester hand und mit ein paar worten. und geben preis, an und ab. ich füge meine mit ein.

heute: Ryka aus münchen:


Bright Eyes – Lifted or The Story is in The Soil, Keep Your Ear to the Ground
(Saddle Creek, 2002)

Bright Eyes Platten fangen nie „einfach so“ an. Sei es Spielplatzlärm, mysteriöse Wahrsagerinnen oder Geschichten über Flugzeugabstürze und Freunde, die einander seit Kindheitstagen kennen und plötzlich fort gehen, von Conor Oberst selbst oder einer Kinderstimme vorgetragen – es gibt immer eine Einleitung.
Im Falle von „Lifted or The Story is in The Soil, Keep Your Ear to the Ground“ hört man die Stimmen eines jungen Pärchens, man hört sie ins Auto steigen, der Wagen wird angelassen, die junge Frau gibt Anweisungen, wo es hingehen soll, dann setzt langsam spärliches Gitarrenspiel ein, eine zittrige Stimme fängt an vom „Big Picture“, als das man das Leben betrachten solle, zu singen und übertönt die Fahrgeräusche. Die junge Frau singt oder summt stellenweise mit, die Stimme des Sängers wird hysterisch, überschlägt sich, wird abgewürgt, der Knopf am Radio wird weitergedreht.
Schon beim ersten Hören hatte ich das Gefühl mit in eben jenem Auto zu sitzen, durch die nächtliche Stadt zu fahren und dabei der eindringlichen Stimme aus dem Radio zu lauschen.
Andere werden diesen Einstieg für langatmig halten, das schrammelige Gitarrenspiel und die zittrige und immer wieder überschnappende Stimme kritisieren und Conor als Heulsuse abstempeln – natürlich, Perfektion klingt irgendwie anders, Perfektion ist aber auch nicht sein Ziel, wie er im darauf folgenden, flotten „Method Acting“ bestätigt: „We need a record of our failures, we must document our love“ und Kritikern will er’s schon gar nicht recht machen: „I don’t read the reviews, no I am not singing for you!
Bei den Aufnahmen standen ihm eine Vielzahl befreundeter Musiker und Labelkollegen zur Seite und genau so klingt es, ein Album aufgenommen mit Freunden, ein Album für Freunde.
Die Gründe, warum ich „Lifted…“ so sehr liebe, liegen in seiner Vielseitigkeit. Nur auf Gitarre und Stimme reduzierte, todtraurige Lieder wie „Waste of Paint“ stehen neben leichtfüßig daherspazierenden Perlen wie „Bowl of Oranges“ oder „From a Balance Beam“ und diese neben einer zynischen Betrachtung über das Musikerdasein wie „False Advertising“, bei dem er ein ganzes Orchester auflaufen lässt. Country-trunkene Kneipenschunkler wie „Make War“ oder „Laura Laurent“ machen es sich neben einem wunderschönen Duett wie „Nothing Get’s Crossed Out“ bequem. Am Ende des Ganzen steht das mit Trommelwirbel eingeleitete 10-minütige „Let’s Not Shit Ourselves (To Love and to Be Loved)“ in dem er noch einmal die ganze Country-Orchester Palette durchexerziert und Politik und Gesellschaft nochmals so richtig ihr Fett wegkriegen um schließlich mit der Erkenntnis zu enden:
"How grateful I was then to be part of the mystery To love and to be loved Let's just hope that is enough"
Danach ist nur noch geheimnisvolles Stimmengewirr und weißes Rauschen...
Was dieses Album außerdem so besonders für mich macht?
Die Texte. Sie handeln vom Zweifeln, vom Verzweifeln, von Sinn und Sinnlosigkeit, zwischen Hoffnungsvollen und Hoffnungslosen Betrachtungen über das Leben, die Liebe und Religion, verpackt in eine derart schöne Sprache, voller Metaphern, klingen dabei aber niemals abgehoben.
Dieses Album gibt mir wie kein anderes das Gefühl mittendrin zu sein, sei es auf nächtlichen Autofahrten, im Kneipengetümmel oder einfach direkt neben dem Sänger sitzend, während er seine wortgewaltigen Geschichten erzählt. Und das ist doch wahrlich genug!

3 Kommentare:

  1. große klasse, dass du dich hier beteiligt hast!
    das album habe ich, allerdings nicht so gut in erinnerung. ich werde es auf deine anregung noch einmal lasern lassen! danke für deinen beitrag!
    und: das foto ist auch klasse. was ist denn das im hintergrund? erst dachte ich an einen luftquirl, ist es aber nicht, gell? ein poster van vasarely?

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  2. Schön dass man zu deinem tollen Blog auch was beisteuern kann!
    Der Hintergrund? Ein Poster das eigentlich besser zu einem anderen Lieblingsalbum gepasst hätte - vom von Final Fantasy organisierten Maximum Black Festival in Berlin, da ich leider keine so beeindruckende Cd- geschweige denn Plattensammlung wie anscheinend jeder hier von euch hat besitze.

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  3. ha, aber du hast dich davon nicht verjagen lassen! die großen sammlungen sind sowas wie die schwere maschinen für die rocker. eine mit augenmaß angelegte plattensammlung ist auch was wert. :-)

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