john vanderslice kommt und keiner geht hin. so muss man leider den rückblick auf das gestrige konzert überschreiben. in den straßen der bajuwarischen metropole steppt zwar der bär, die bars, kneipen und restaurants sind gut gefüllt. als wir jedoch gegen 21:30 uhr das atomic betreten, verlieren sich im club gerade mal zehn hanseln. wer davon zum personal gehört, ist nicht auszumachen. mitten in der woche, recht später beginn, vielleicht keine glückliche konstellation.
wir lassen uns davon nicht irriteren, ordern vom netten personal ein frisches bier, begutachten die umstehenden, ratschen und sind in banger erwartung ob des kommenden. wird vanderslice arg enttäuscht sein, wird er sich bedeckt halten, nur ein kurzes set bieten? jeder künstler reagiert auf solche situationen anders. die minuten gehen dahin, zögerlich tritt der eine oder andere in den kleinen raum und sorgt somit für bewegung in dieser separierten welt. als zunächst ian bjornstad und john vanderslice die bühne betreten und ihre gerätschaften prüfen, dürften ca. 40 zuhörer versammelt sein, die unvermittelt von john an die bühne gebeten werden. der künstler wirkt aufgeräumt, etwas verschlafen, aber engagiert und motiviert. dave douglas übernimmt seinen platz am schlagzeug und los gehts. und was könnte ein besserer start sein als "kookaburra", der opener des aktuellen albums und gleichzeitig eines seiner höhepunkte.
schnell wird klar, dass hier profis am werk sind. nicht nur, weil sie ausgezeichnete instrumentenbeherrscher sind, sondern weil sie mit den gegebenheiten umzugehen wissen. kein gedanke wird darauf verschwendet, dass die anzahl der anwesenden rückschlüsse auf die eigene bedeutung zuließe oder gar auf die qualität der eigenen musik. im gegenteil bedankt sich john artig beim veranstalter für die überaus freundliche begrüßung, das besonders leckere catering und die nette dame, die dafür vor allem verantwortung trug (djane ac casey). das sind allerdings nicht alle aufmerker des abends. vielmehr stehen, liegen oder ruhen sie in form von moog- synthies auf der bühne. neben einem ebenfalls in die jahre gekommenen keyboard die wesentlich zum einsatz kommenden instrumente. einen der oldies bespielt ian, den zweiten beherrscht der drummer nebenbei mit der rechten hand, um flinke bassläufe zu zelebrieren. das sieht man auch nicht alle tage. der sound ist dementsprechend außergewöhnlich, angenehm antiquiert. doch da dieser sich nur voll entfalten kann, wenn die moog gemeinsam mit dem keyboard flächig arbeiten, war das vergnügen begrenzt. denn nach etlichen problemen mit störrgeräuschen musste dem offensichtlich ungnädigen, dem keyboard nämlich, der stecker gezogen werden. auch diese situation bewältigte vanderslice mit grandezza und gab in straßenmusikermanier inmitten der zuschauer ein lied zum besten. nach "kookaburra" folgte "tablespoon of codeine", danach "angela" und "exodus damage" von 'pixel revolt'. ob zu dritt, zu zweit in allen denkbaren variationen - außer, dass vanderslice nicht dazugehören würde - immer spielt die band nah am "original", insbesondere die gitarren klingen studiert. johns gesang allerdings ist die krönung. seine stimme ist brüchig, überhaupt nicht kräftig, aber präsent und dennoch stark, variabel und ergreifend. zwischen den songs gibt es immer wieder kleine kommentare, anspielungen. "up above the sea" von 'cellar door' und "the tower" von 'emerald city' sowie "greyhound" und "cool purple mist" von 'life and death of an american fourtracker' stehen in der folge auf dem plan.
auch einen munteren tourtross hat vanderslice. neben seiner freundin/frau, einer kleinen, aufmerksamen, hübschen, etwas schüchternen blondine auch weitere damen, die geradezu als rahmenprogramm fungierten, wie sie da am rande des kleinen häufchens publikum für zusätzliche unterhaltung sorgten, indem sie ungezwungen quatschten, gackerten und spässchen machten. wirklich störend war es nicht, solange man sich nicht in ihrer nähe aufhielt. denn aus den lautsprechern tönen laut genug die worte zum wunderbaren "numbered litography" ('emerald city'):
I've never been lonelier
a light-skinned black held up a
Charles Rennie Mackintosh numbered lithograph
I moved to the edge of the suburbs
and lost most of my friends
I've never been lonelier
I've never been lonelier
bird crashed through my window
and he panicked and thrashed
up against the window glass
he crashed and crashed
mit "hite dove" wird der abgang geübt. die zugabe gibt es dann zu dritt unter den zuschauern. der drummer greift sich eine trommel, der pianomann eine kleine quetsche und john sich die gitarre. so intonieren sie "time travel is lonely" in der streetversion.
nach und nach strömen jene besucher in den club, die auf tanz und djeeing erpicht sind. sie sind respektlos und laut. ein unschöner abschluss. john sieht das genauso.
john vanderslice - angela (live 2006)
Erneut ein glänzend formulierter Bericht. Sehr schön insbesondere die Schilderung von John's Stimme.
AntwortenLöschenSchade, daß nicht mehr Leutchen da waren. Und diese Typen, die dann am Ende zum Clubbing kommen, kenne ich leider auch aus Paris.