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Montag, Juni 11, 2007

konzert: cocorosie, 10.06.07

viele komponenten machen ein konzert zu einem guten oder einem schlechten. von den unzählig vielen graustufen nicht gesprochen. wenn cocorosie aus amerika anreisen, kann man damit rechnen, dass man keinen komponentenkleber braucht, weil die bühnenpräsenz der damen genügte, um gebannt und fasziniert zu sein.
die muffathalle war erstaunlich voll, fast ausverkauft will ich meinen. im kartenverkauf am vortag wären noch knapp 200 tickets zu haben gewesen. also hatte sich der umzug vom kleinen amper in den größeren nachbarn muffathalle gelohnt. das publikum konnte dabei unterschiedlicher nicht sein. paare im alter meiner großeltern waren ebenso anwesend wie junge menschen jeglicher couleur. außerdem präsentierte sich der eine oder andere gast, dem ich bisher den genuss einer cocorosie- scheibe abgesprochen hätte. (ich bin nach wie vor unbelehrbar, ein buch wird zunächst nach seinem cover bewertet. was solls!) einer dieser besagten sorgte neben mir für ordentlich bewegungsarmut, da er selbst den begrenzten platz in anspruch nahm: für armewedeln, beingeschlenker, kopfgenicke und bierglasheben sowie klatschen, was in verbindung mit einem vollen bierglas keine meister-, aber eine koordinationsleistung sein sollte. wir wurden keine freunde im laufe des abend. wendete ich mich allerdings auf die andere seite, wurde ich ebenso keines schöneren anblicks gewahr, wenngleich sich hier ein päarchen eingefunden hatte, was sich offensichtlich auch mochte. denn in den vier stunden, die die veranstaltung für sich beansrpuchte, hatte ich die beiden nur wenige male konzentriert der musik lauschen, geschweige denn mal richtung bühne blicken sehen. ihr interesse galt vornehmlich dem austausch von speichel, dem ausloten von rachenraum und ich will behaupten einer weiteren dimension bis dato unerforschter tiefen. appetitlich ist was anderes. die komponente publikum galt es also vornehm zu vernachlässigen.
neben cocorosie standen rio en medio und tez auf dem programm. die aufwärmer begannen in gestalt rio en medios mit einigen zauberhaften nummern. danielle stech-homsy, so heißt die junge dame, die sich hinter dem wohlklingenden, wenngleich befremdlich, weil einen census-designated place in new mexico kennzeichnend, klingenden namen versteckt, begleitete sich auf einer baritonukulele oder agierte an einem pult, an dem sie diverse schalterchen bewegte, um ihre engelsgleiche stimme mit musikalischem untergrund zu versorgen. ihr freund begleitete sie zuweilen auf einem tambourine oder übernahm die rolle am pult. die eleganz der elegischen lieder war spürbar, jedoch konnten sie der unruhigen, barbetriebsgetränkten atmosphäre des konzerthauses und des sich in stellung bringenden bajuwarischen auditoriums nicht gerecht werden. die masse fordert strotzende kraft. damit konnte danielle nicht dienen, jedoch mit freundlichkeit, sympathischen gesten z.b. im zusammenhang mit einer verpatzten abstimmung und den vermutlich ernst gemeinten worten bezüglich der extrem schönen stadt münchen. ihr debütalbum "bride of dynamite" erschien im februar auf gnomonsong und wird über brooklyns grenzen hinaus gefeiert. es steht nun auch bei mir.
nach kurzer umbaupause kam tez. tez ist franzose und gibt die menschliche beatbox. solcherart künstler gibt es wohl zuhauf und wer glaubt, dass sich das konzept schnell verbraucht, ein bisschen beats und scratches anzubieten, hat grundsätzlich recht. nur bei tez geht das nicht auf. der ist gut und damit besser als die meisten seiner konkurrenten. seine show ist unspektakulär, seine "musik" dafür nicht. er ist ein akrobat seiner stimmbänder und all jener organe, die er noch einsetzt, um seinem mund die irrsten töne zu entlocken. dass dabei multitonales entsteht, versteht sich von selbst, ist aber manches mal kaum zu glauben. doch über dem beat räkelte sich die melodie, ich hab es vernommen. lediglich die lautstärke war zu bemängeln. es hätte nicht so krachen müssen, um zu beeindrucken.
die lautstärke blieb. denn tez unterstützte auch die alsbald auftretenden schwestern in seiner rolle als "schlagzeug". auch hier wäre etwas weniger mehr gewesen. dennoch paßt der bursche gut in das neue konzept von cocorosie. die aktuellen, im sprechgesang zelebrierten songs bedürfen zum teil eines kräftigen beats. im vordergrund sollten jedoch immer die stimmen von sierra und bianca casady stehen. beiden nehmen sich auf der bühne nicht viel, für jede ist ausreichend platz. hier bianca, leicht abgewendet, mit ihrer quaksigen, angerauhten und dennoch unter die haut gehenden stimme, die so sehr für die atmosphäre verantwortlich ist, dass man sich wünschte, sie wäre zugewandter, wirkte optimistischer. und dort sierra, die mit opernstimme ausformt und das gleichmaß quert. neben der human beatbox unterstützten die beiden damen ein mann am bass und ein weiterer am klavier. so gelang ein dichter sound, der jedoch weniger ebenmaß besaß als geschälte rinde, sondern mehr an eine aufführung ala "the black rider" von tom waits erinnerte. weniger des theaters wegen, sondern weil der sound ähnelte. elemente, die sich kreuzen, verdichtete instrumentalität, gegensätzliche stimmungen und gesang, der gefühlen und nicht mustern folgt. die quierlige sierra war die einzige, die agilität bewies, auf der bühne herumschoss, jeden ihrer begleiter herzte, die arme in die höhe riss, sprang und radschlug. alle anderen blieben am platz und waren auch an mimik arm. eine wirkliche verbindung zum publikum entstand so nicht. doch wer die augen schloß, konnte sich den geschichten ergeben und durfte schnell dem alltag entfliehen. die mischung aus alten (zum teil frenetisch begrüßt) und neuen songs tat sein übriges für einen gelungenen auftritt, der nach zwei zugaben ein ende fand.

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